OGH 8ObS63/97s

OGH8ObS63/97s13.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter OSR Dr.Friedrich Weinke (Arbeitgeber) und Mag.Kurt Retzer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga H*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr.Barbara John-Rummelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Wien 4, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 3.410,20 sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.November 1996, GZ 9 Rs 243/96p-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30.Jänner 1996, GZ 22 Cgs 110/95t-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Berufungsurteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil erster Instanz (einschließlich seiner Kostenentscheidung) wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit

S 1.693,44 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 282,24 USt) und die mit

S 2.031,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 338,56 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 13.6.1994, 4 Nc 1380/93, hat das Handelsgericht Wien einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des ehemaligen Dienstgebers der Klägerin, eines nicht protokollierten Kaufmannes, mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen; dieser Beschluß wurde am 1.10.1994 im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht. Der Versuch eines Angestellten der Klagevertreterin, durch persönliche Vorsprache beim Handelsgericht Wien Kenntnis über den Stand eines anhängigen Konkursverfahrens zu erlangen, mißlang. In Unkenntnis dieses Konkurseröffnungsantrages beantragte die klagende Partei ihrerseits am 24.8.1994 die Eröffnung des Konkursverfahrens, der mit Beschluß vom 1.12.1994, Nc 951/94-5 des Handelsgerichtes Wien, mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde. Mit Bescheid vom 16.6.1995 wies die beklagte Partei den Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für die Kosten des Konkurseröffnungsantrages sowie die Einschaltungsgebühren von S 3.410,20 ab.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte zu den eingangs wiedergegebenen Feststellungen rechtlich aus, die klagende Partei habe alle zumutbaren Bemühungen unternommen, um eine unzweckmäßige Antragstellung zu vermeiden. Die von ihr begehrten Kosten seien daher "notwendige Kosten" im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4

IESG.

Über Berufung der beklagten Partei, die sich auch gegen die Kostenentscheidung wandte (AS 43), änderte das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz ab und wies das Klagebegehren ab. Es führte unter Hinweis auf die Entscheidung 8 ObS 13/94 aus, der neuerliche Konkursantrag sei nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich gewesen. Die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, sich über den vorausgegangenen, die Konkurseröffnung abweisenden Beschluß zu informieren, ändere nichts daran, daß der neuerliche Konkursantrag (objektiv) nicht erforderlich gewesen sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht der zitierten Rechtsprechung gefolgt sei.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das stattgebende Urteil erster Instanz wiederherzustellen. Die Revision sei zulässig, weil sich der zu 8 ObS 13/94 entschiedene Sachverhalt von dem nunmehr zu beurteilenden unterscheide; die klagende Partei sei bei einem nicht protokollierten Kaufmann (Gastwirt) beschäftigt gewesen, sodaß durch die Einsicht in das Firmenbuch vor Veröffentlichung in der Wiener Zeitung keine Kenntnis über die Eröffnung eines Konkursverfahrens bzw über die Abweisung eines solchen Antrages mangels kostendeckenden Vermögens erlangt werden konnte. Somit seien die Kosten des am 24.8.1994 - knapp nach der der klagenden Partei noch unbekannt gebliebenen Abweisung vom 13.6.1994 - notwendige Kosten im Sinne des § 1 Abs 1 Z 4 IESG.

Das Erstgericht hat - abweichend von § 508 Abs 2 ZPO - die außerordentliche Revision der beklagten Partei zugestellt; diese führte in ihrer Revisionsbeantwortung aus, die Revision sei als zulässig und berechtigt anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - ohne daß es einer Freistellung gemäß § 508 a Abs 2 ZPO bedarf - zulässig und auch berechtigt.

Nach den Entscheidungen vom 14.11.1996, 8 ObS 2247/96s, und vom 28.11.1996, 8 ObS 2257/96m, ist für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten des Antrages auf Konkurseröffnung (§ 1 Abs 1 Z 4 lit f IESG) die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme von einer früheren Antragstellung entscheidend. Wird der Konkurs mangels hinreichenden Vermögens nicht eröffnet, so ist der Beschluß nach dem Eintritt seiner Rechtskraft öffentlich bekannt zu machen (§ 72 Abs 3 KO iVm § 79 Abs 1 KO), was im Falle der erstgenannten Entscheidung unterblieben war. Die gemäß § 3 Z 14 Firmenbuchgesetz vorgesehene Eintragung der Abweisung eines Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens kam im vorliegenden Fall bei einem nicht protokollierten - und vermutlich gemäß § 4 HGB auch nicht einzutragenden - Kaufmann nicht in Betracht. Somit bestand für die klagende Partei keine Möglichkeit, von dem früheren abweisenden Beschluß Kenntnis zu erlangen, zumal auch der Versuch, in der Gerichtskanzlei eine Auskunft zu erlangen, fehlgeschlagen ist. Unter diesem Gesichtspunkt muß bei Fehlen eines prozessualen Verschuldens (etwa im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO) die neuerliche Antragstellung als objektiv notwendig beurteilt werden.

Die beklagte Partei hat sich zwar in ihrer Berufung auch gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichtes gewandt, jedoch nicht näher ausgeführt, weshalb statt der Kosten von S 4.654,88 nur S 4.146,56 hätten zugesprochen werden sollen. Die Überprüfung des Kostenverzeichnisses (AS 23) ergibt die Richtigkeit der der Kostenbestimmung zugrundegelegten Verdienstsumme.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG iVm § 41, 50 ZPO.

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