OGH 8ObS190/99w

OGH8ObS190/99w27.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter OSR Dr. Felix Joklik und Mag. Thomas Kallab in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Pera M*****, vertreten durch Dr. Barbara John-Rummelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt für W*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 5.478,24 Insolvenz-Ausfallgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 1999, GZ 8 Rs 384/98w-12, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. Juli 1998, GZ 21 Cgs 166/97y-6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 5.478,24 Insolvenz-Ausfallgeld binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.902,32 (darin S 643,72 USt und S 40 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen".

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.356,48 (darin S 1.226,08 USt) bestimmen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger brachte zu 21 Cga 94/97i beim Arbeits- und Sozialgericht Wien gegen seinen ehemaligen Dienstgeber eine Klage auf Zahlung von S 55.668,97 brutto abzüglich S 5.000 netto ein. Diese Ansprüche wurden auf den Dienstvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten gestützt.

Die Klage wurde am 25. 3. 1997 beim zuständigen Gericht überreicht. Am gleichen Tag wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien zu 5 S 334/97w der Konkurs über das Vermögen des ehemaligen Dienstgebers des Klägers eröffnet und das Konkursedikt an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes angeschlagen.

Die in der Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht geltend gemachten Forderungen des Klägers wurden vom Masseverwalter anerkannt und dafür mit Bescheid des Bundessozialamts Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt.

Für die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens machte Kläger ebenfalls Insolvenz-Ausfallgeld geltend. Ihre Zuerkennung wurde vom Bundessozialamt jedoch mit Bescheid vom 3. 11. 1997 abgelehnt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Zuspruch dieser Kosten in Höhe von S 5.478,24 mit der Begründung, die Klage sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Die Konkurseröffnung sei ihm weder anlässlich der Verfassung der Klage am 24. 3. 1997 noch anlässlich deren Einbringung bei Gericht am 25. 3. 1997 bekannt gewesen.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet ein, die Klage sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen. Sie sei nach Eintritt der Rechtswirkungen der Konkurseröffnung eingebracht worden (§ 2 Abs 1 KO aF) und daher gemäß § 6 Abs 1 KO zurückzuweisen gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Berufungswerber mache zwar zutreffend geltend, dass er anlässlich der Überreichung der Klage von der am selben Tag an der Gerichtstafel (eines anderen Gerichtes) angeschlagenen Konkurseröffnung keine Kenntnis haben konnte. Darauf komme es jedoch nicht an. Die Akzessorität der geltend gemachten Prozesskosten sei zwar unstrittig gegeben. Sie seien jedoch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Soweit die Berufung auf die Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Kosten eines neuerlichen Antrages auf Konkurseröffnung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren - und damit auf die objektive Möglichkeit zur Kenntnissnahme von der Konkurseröffnung - abstellen wolle, verkenne sie, dass die gegenständlich geltend gemachten Kosten - im Gegensatz zu der bei den Kosten eines neuerlichen Konkursantrages gegebenen Konstellation - in einem Verfahren angefallen seien, auf das die Kostentragungsregeln der ZPO direkt zur Anwendung gelangten. Nach diesen gelte aber primär das Erfolgsprinzip. Zu einem Kostenersatzzuspruch des Klägers hätte es in einem derartigen Verfahren nie kommen können; gemäß § 51 ZPO hätte höchstens eine gegenseitige Kostenaufhebung stattfinden können. Scheide aber ein Kostenersatzanspruch des Klägers schon nach den im Verfahren, in dem die Kosten aufgewendet wurden, direkt geltenden Kostentragungsregeln der ZPO aus, sei es von vornherein ausgeschlossen, diese Kosten iSd § 1 Abs 2 Z 4 IESG als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, diese zuzulassen und die Entscheidung im Sinn der Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer bereits vor Freistellung der Revisionsbeantwortung eingebrachten Gegenschrift, die Revision nicht zuzulassen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wenn auch der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObS 13/89, ausgesprochen hat, dass die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 1 Z 2 ZPO sich nicht auf eine Kostenforderung als Hauptforderung beziehe, sich jedoch aus der dem Rechtsmittelausschluss zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers ergebe, dass Kostenfragen grundsätzlich keine so erheblichen Rechtsfragen darstellten, dass sie einer Überprüfung des Obersten Gerichtshofes bedürften, kann dies nur dann gelten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht mit den sonstigen Regeln über den Kostenersatz nach dem IESG im krassen Widerspruch steht.

Der Revisionswerber führt zu Recht aus, dass die vorliegende Frage nicht mit der dem Verfahren 9 ObS 13/89 zugrunde liegenden (Höhe des Einheitssatzes) vergleichbar ist. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob zu den nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG gesicherten Ansprüchen auch die Kosten einer Klage zur Geltendmachung gesicherter Ansprüche gehören, wenn die Klage am Tage der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Dienstgebers vom Dienstnehmer beim zuständigen Gericht überreicht worden ist und der Kläger - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - zu diesem Zeitpunkt von der Eröffnung des Konkursverfahrens keine Kenntnis haben konnte. Das ist im vorliegenden Fall schon deshalb zu bejahen, weil noch von § 2 Abs 1 KO idF vor dem IRÄG 1997 auszugehen ist und demnach die Konkurseröffnungswirkung auf den Beginn des Tages rückwirkte, an dem das Konkursedikt an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes angeschlagen worden ist.

Gemäß § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG gesicherten Ansprüche notwendigen Kosten zu ersetzen. In der Folge werden in den lit a bis g diejenigen Kosten aufgezählt, die insbesondere als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden; es handelt sich daher nur um eine demonstrative Aufzählung. Es ist zwar zutreffend, dass die vorliegenden Klagskosten expressis verbis unter keine dieser Bestimmungen subsumiert werden können, doch lässt sich aus lit a und lit d und den dort erfassten Verfahrenskonstellationen erschließen, dass der Gesetzgeber dem klagenden Dienstnehmer alle notwendigen in einem Verfahren gegen seinen ehemaligen Dienstgeber entstandenen Prozesskosten ersetzt wissen wollte. Der Gesetzgeber gedachte nur nicht des Ausnahmsfalles, dass es nicht zu einem rechtskräftigen Zuspruch oder einer Feststellung gemäß § 109 KO im Konkursverfahren (lit a) und auch nicht zu einer Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 7 Abs 1 KO (lit d) kommt, sondern dass es auch zu einer Klagszurückweisung kommen könnte, weil die Klage erst am Tage der Konkurseröffnung bei Gericht eingebracht worden war und es noch zu keiner Klagszustellung gekommen ist. Wenn auch nach den Grundsätzen der ZPO in einem solchen Fall - mangels Verschuldens einer der Parteien an der Unkenntnis von der Konkurseröffnung - nicht zu einem Kostenzuspruch an den Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren kommen kann (vgl § 51 ZPO), so muss doch beachtet werden, dass die Klagsführung für den Kläger bei einer ex ante-Betrachtung (8 ObS 246/97b, DRdA 1998, 142) notwendig und zweckmäßig war und in jeder anderen Fallkonstellation auch expressis verbis zur Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld geführt hätte.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist sehr wohl zu beachten, dass nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (8 ObS 2247/96s, ZIK 1997, 232; 8 ObS 2257/96m, ecolex 1997, 283; 8 ObS 63/97s, RdW 1997, 618 ua; vgl auch 8 ObS 107/98p, ARD 5033/24/99) dem Arbeitnehmer die Kosten eines neuerlichen Antrages auf Konkurseröffnung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich zuerkannt werden, wenn er nach den Umständen des Einzelfalles von der Konkurseröffnung nichts wissen konnte. Diese Fallkonstellation ist der vorliegenden insoweit vergleichbar, als dem Kläger die Kosten dieses Antrages vom Insolvenz-Ausfallsgeld-Fonds ersetzt werden, obwohl ein Konkursgläubiger die Kosten eines Konkurseröffnungsantrages nie als Konkursforderung geltend machen kann (§ 58 Z 1 KO), sondern selbst zu tragen hat.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher im Sinn der Zuerkennung der Klagskosten abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG.

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