Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,20 (darin S 609,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich S 3.900 an Aufwandersatz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 1. 3. 1989 bis 12. 3. 1997 in einer Tabaktrafik beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung nach vereinbarter Verkürzung der Kündigungsfrist bis zur Gewährung der Berufsunfähigkeitspension, welche die Klägerin am 12. 3. 1997 erhielt. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses waren aus den jeweils am 1. 3. beginnenden Urlaubsjahren noch folgende Urlaubsansprüche offen: 19 Werktage aus dem Jahr 1993, jeweils 30 Werktage aus dem Jahr 1994, 1995 und 1996 und der noch gebührende anteilige Urlaub aus dem Urlaubsjahr 1997. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 10. 6. 1997 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der ehemaligen Dienstgeberin der Klägerin mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 21. 7. 1997 Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld, das großteils auch bescheidmäßig zuerkannt wurde; der darüber hinaus gehende der Höhe nach unstrittige Anspruch auf Urlaubsentschädigung für 49 Werktage aus den Jahren 1993 und 1994 im Betrag von S 16.674 netto wurde mit der Begründung abgewiesen, dass dieser Urlaubsanspruch verjährt und daher nicht gesichert sei. Außer Streit steht, dass die Klägerin seit 21. 7. 1995 krankheitsbedingt arbeitsunfähig war und ihren Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt nicht verbrauchen konnte.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von S
16.674 sA Insolvenz-Ausfallgeld mit der Begründung, die Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie seit 21. 7. 1995 krankheitsbedingt arbeitsunfähig und daher nicht in der Lage gewesen sei, den Urlaub zu konsumieren. Der Beginn der Verjährungsfrist setze die objektive Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruches voraus. Während der Dauer des Krankenstandes könne ein Urlaubsanspruch nicht konsumiert werden.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, dass die Urlaubsansprüche im Ausmaß von 49 Werktagen verjährt seien.
§ 4 Abs 5 UrlG gehe als lex specialis den Bestimmungen des ABGB über die Verjährung vor. Die Art der "Unmöglichkeit" sei den tragenden Bestimmungen und Grundsätzen des Urlaubsrechtes gegenüber zu stellen. Es sei zwar richtig, dass für Zeiten krankheitsbedingter Verhinderung ein Urlaubsantritt nicht vereinbart werden dürfe, die Ausübung des Anspruches also (rechtlich) unmöglich sei. Es sei aber zu beachten, dass laufend neuer Urlaub erworben werde. Folge man der Argumentation der Klägerin, würde eine Kumulierung von Urlaubsansprüchen eintreten, die zu unterbinden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 4 Abs 5 UrlG verjähre der Urlaubsanspruch nach Ablauf von 2 Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden sei. Gemäß § 1 Abs 2 IESG seien nur jene Ansprüche gesichert, die aufrecht, nicht verjährt und nicht ausgeschlossen seien. Der Beginn der Verjährungsfrist iSd § 4 Abs 5 UrlG setze aber die objektive Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruches voraus. Während der Dauer von Krankenständen könne Urlaub nicht konsumiert werden, sodass die zweijährige Verjährungsfrist in diesem Fall im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses noch "offen" und der Fortlauf der Verjährung durch die Unmöglichkeit der Geltendmachung des Urlaubsanspruches gehemmt sei.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei die Entscheidung im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die ordentliche Revision infolge Fehlens oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage einer möglichen Fortlaufs- oder Ablaufshemmung der Verjährungsfrist des § 4 Abs 5 UrlG auf Grund von (übermäßig) langen Krankenständen zu.
In rechtlicher Hinsicht meinte es, Arbeitnehmer, die laufend ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten, seien bezüglich des Erwerbes von Urlaubsansprüchen denen durch Krankheit am Dienst verhinderten Arbeitnehmer auf Grund des § 2 Abs 2 letzter Satz UrlG gleichgestellt. Würde man hinsichtlich der Urlaubsansprüche am Dienst verhinderter Arbeitnehmer die Verjährungsbestimmung des ersten Satzes des § 4 Abs 5 UrlG negieren, würde dies zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von gesunden und kranken Arbeitnehmern führen und dem Zweck des Erholungsurlaubes zuwiderlaufen. Sei der Verbrauch des Urlaubes während des Urlaubsjahres - aus welchen Gründen immer - ganz oder teilweise unterblieben, werde der Urlaubsanspruch, ohne dass es einer diesbezüglichen Vereinbarung oder Abgabe einer Erklärung bedürfte, auf das folgende Urlaubsjahr übertragen. Eine Schranke bestehe aber in der Verjährungsbestimmung des § 4 Abs 5 UrlG. Der Zweck dieser Verjährungsbestimmung sei an dem in mehreren Gesetzesstellen deutlich zum Ausdruck kommenden Erholungszweck des Urlaubs zu messen. Das "Horten" von Urlaubsansprüchen sei zu vermeiden, weil dies dem Erholungszweck widerspreche.
Das UrlG präzisiere den Begriff der Verjährung nicht näher, sodass zwar die allgemeinen Grundsätze des ABGB in Betracht kämen, jedoch seien hinsichtlich des Beginnes der Verjährungsfrist mögliche Zweifel - nach § 1478 ABGB wäre die objektive Möglichkeit, zu klagen, Voraussetzung - durch die Sonderregelung des ersten Satzes des § 4 Abs 5 UrlG jedenfalls beseitigt, sodass dieser Ansatzpunkt der Begründung des Erstgerichtes für die Annahme einer Fortlaufshemmung wegen Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches unzutreffend sei. Im Fall des Präsenzdienstes nach dem APSG und bei Inanspruchnahme des Karenzurlaubes nach dem EKUG oder MSchG sei der Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches während dieser Zeit der gleichzeitig verminderte und daher einem anwachsenden Urlaub entgegenwirkende Erwerb von Urlaubsansprüchen (Aliquotierung) gegenüberzustellen und die zeitlich eingeschränkte Verlängerung der Verjährungsfrist zu beachten. Anders sei die Rechtslage bei Zeiten krankheitsbedingter Dienstverhinderung. Auch wenn für diese Zeiträume - zumindest dann, wenn ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehe - ein Urlaubsantritt gemäß § 4 Abs 2 UrlG nicht vereinbart werden dürfe, sodass insoweit die Durchsetzung des Urlaubsanspruches auch rechtlich unmöglich sei, sei zu beachten, dass (auf Grund der durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 1995/832 authentisch klargestellten Rechtslage - § 2 Abs 2 letzter Satz UrlG) während der krankheitsbedingten Dienstverhinderung laufend neuer Urlaub erworben und daher nicht wie in den behandelten Fällen anderweitig - durch Urlaubsaliquotierung - einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen gleichzeitig entgegengewirkt werde. Bei Zugrundelegung einer Fortlaufs-, aber auch einer Ablaufshemmung der Verjährung auf Grund von Zeiten krankheitsbedingter Dienstverhinderung würde daher die Verjährungsvorschrift des § 4 Abs 5 UrlG, welche schon aus den genannten Gründen (Erholungszweck des Urlaubs, Verhinderung des Hortens von Urlaubsansprüchen) eine Kumulierung von Urlaubsansprüchen für mehr als drei Urlaubsjahre verhindern wolle, in einer dem Zweck der Vorschrift entgegenwirkenden Weise interpretiert. Eine Fortlaufshemmung sei daher zu verneinen, sodass der Anspruch auf Urlaubsentschädigung für 49 Werktage (Ansprüche betreffend die Jahre 1993 und 1994) verjährt seien.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wieder herzustellen; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass nicht nur oberstgerichtliche Judikatur zur Frage einer möglichen Fortlaufs- oder Ablaufshemmung der Verjährungsfrist des § 4 Abs 5 UrlG auf Grund von langen Krankenständen fehlt, sondern dass sich auch die Literatur, soweit ersichtlich, mit dieser Frage kaum befasst hat.
Der erkennende Senat hält die Rechtsansicht des Erstgerichtes für zutreffend: Aus der Sonderregelung des § 4 Abs 5 zweiter Satz UrlG bei Inanspruchnahme von Karenzurlaub nach dem EKUG und dem MSchG kann nicht der Schluss gezogen werden, dass Urlaubsansprüche in allen anderen Fällen nach Ende der in § 4 Abs 5 Satz 1 UrlG genannten Frist jedenfalls verjährt sind und die allgemeinen Bestimmungen des ABGB über die Verjährung in diesem Fall keine Anwendung fänden. Die Klägerin konnte seit Beginn ihres Krankenstandes (21. 7. 1995) bis zur Beendigung ihres Dienstverhältnisses (12. 3. 1997) keinen Urlaub mehr in Anspruch nehmen und - abgesehen von den sonstigen Beschränkungen (vgl § 4 Abs 4 UrlG; dazu Kuderna, Urlaubsrecht2 § 4 Rz 38 ff) - den Anspruch auf Urlaubskonsumation auch nicht einklagen; das gilt auch für den bei Beginn des Krankenstandes jedenfalls noch nicht verjährten Resturlaubsanspruch aus 1993 und den Urlaubsanspruch aus 1994. Die Verjährung war somit nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB (§§ 1494 ff ABGB) seit Beginn des Krankenstandes infolge der Unmöglichkeit der Geltendmachung des Urlaubsanspruches gehemmt und konnte daher bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses nicht ablaufen (Koziol/Welser I10 188; siehe auch Cerny, Urlaubsrecht7 § 4 Erl 28; Kuderna aaO § 4 Rz 36).
Der Erholungszweck des Urlaubs ist durch diese Interpretation in keiner Weise gefährdet, sondern gesichert. Zwar soll im Allgemeinen wegen der Gefährdung des Erholungszwecks bei Nichtinanspruchnahme des Urlaubs durch längere Zeit das "Horten von Urlaubsansprüchen" durch die Verjährungsbestimmung des § 4 Abs 5 UrlG verhindert werden (vgl SZ 57/49 ua; Kuderna, aaO § 4 Rz 10; Cerny aaO § 4 Erl 28 ua). Doch ist zu bedenken, dass ein Kranker eben wegen seiner Krankheit keinen Urlaub antreten kann und Krankheit den Urlaub unterbricht; dies deshalb, weil ein allfälliger Urlaub im Krankenstand keinen Erholungswert hätte.
Gerade die "authentische Interpretation" des § 2 Abs 1 UrlG durch Anfügung des letzten Satzes durch das SozialrechtsänderungsG 1995/832, (die im Übrigen gemäß Art III Z 4 des Gesetzes erst für das Urlaubsjahr 1994 gilt), mit der der Gesetzgeber offensichtlich die von ihm als unrichtig empfundene Auslegung der genannten Bestimmung durch den erkennenden Senat dahingehend korrigieren wollte, dass klargestellt wurde, dass auch während einer krankheitsbedingten Dienstverhinderung laufend neuer Urlaub erworben wird, selbst wenn kein Entgeltanspruch mehr besteht, kann wiederum nur mit dem trotz der Dienstverhinderung notwendigen Erholungszweck begründet werden; dies führt deutlich vor Augen, wie wichtig Urlaub auch für Kranke ist. Diese Interpretation des § 4 Abs 2 UrlG schließt aus, dass bereits erworbene, aber wegen Krankheit nicht verbrauchbare Urlaubsansprüche verjähren. Würde man der Meinung des Berufungsgerichtes folgen, würde dem kranken Arbeitnehmer gerade das genommen, was ihm der Gesetzgeber durch die genannte Novelle sichern wollte, nämlich ihm trotz Krankheit die notwendige Erholung durch Urlaub zu sichern. Wegen dieses vorrangigen Erholungszweckes muss in Kauf genommen werden, dass es bei besonders langen Krankenständen ausnahmsweise zu einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen kommt; von einem "Horten von Urlaubsansprüchen" kann im Fall der krankheitsbedingten Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches nicht gesprochen werden.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass bei Beendigung des Dienstverhältnisses im Krankenstand der Urlaub nicht mehr in natura genommen werden kann, und dem Arbeitnehmer nur noch Urlaubsentschädigung zusteht, für deren Verjährung im Übrigen mit Czerny (aaO § 4 Erl 27) von der allgemeinen Verjährungsbestimmung des § 1486 Z 5 ABGB ausgegangen werden müsste.
Das Ersturteil ist daher wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG; im Übrigen auf § 58a ASGG in Verbindung mit dem AufwG und der hiezu ergangenen Verordnung.
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