Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 640,80 EUR (darin enthalten 106,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Ausgangsverfahren wurde dem Zahlungsbegehren der Klägerin vom Erstgericht stattgegeben; das Zinsenmehrbegehren und das Feststellungsbegehren wurden abgewiesen. Beide Parteien erhoben gegen dieses Urteil Berufung. Nach Vorlage des Aktes an das Berufungsgericht gab die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. 1. 2011 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu ihrer bisherigen Rechtsvertreterin bekannt, ohne einen neuen Rechtsvertreter namhaft zu machen. Eine mündliche Berufungsverhandlung fand nicht statt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 23. 3. 2011 wurde am 29. 4. 2011 direkt an die Beklagte durch Hinterlegung zugestellt. In der Folge lehnte die Beklagte die Mitglieder des Berufungssenats ab. Da die Beklagte unvertreten gewesen sei, sei die Entscheidung des Berufungsgerichts nichtig. Es liege nicht nur eine falsche Rechtsmeinung vor, vielmehr bestünden Zweifel an der Unbefangenheit der Senatsmitglieder.
Mit dem bekämpften Beschluss wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien den Ablehnungsantrag der Beklagten zurück. Die Beklagte sei im Berufungsverfahren trotz Kündigung der Vollmacht durch ihre frühere Rechtsvertreterin iSd § 36 ZPO vertreten gewesen. Außerdem seien im Berufungsverfahren keine weiteren Prozesshandlungen der Beklagten erforderlich gewesen. Eine allenfalls unwirksame Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichts könne nicht den Anschein der Befangenheit der Mitglieder des Berufungssenats begründen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten, der darauf abzielt, die Mitglieder des Berufungssenats für befangen zu erklären und die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rekurs der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht Wien in einem Ablehnungsverfahren in erster Instanz entschieden. Beim vorliegenden Rechtsmittel handelt es sich somit um einen Rekurs (vgl RIS-Justiz RS0119847). Da der Oberste Gerichtshof als zweite Instanz entscheidet, kommt der Rechtsmittelbeschränkung nach § 24 Abs 2 JN keine Bedeutung zu.
Der Rekurs ist somit zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
2.1 In bürgerlichen Rechtssachen kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ausreichende Gründe vorliegen, die nach objektiven Merkmalen die Besorgnis rechtfertigen, der abgelehnte Richter lasse sich bei seiner Entscheidungsfindung auch von anderen als rein sachlichen Überlegungen leiten. Im Fall der Ablehnung einer Mehrzahl von Richtern müssen in Ansehung eines jeden einzelnen von ihnen konkrete Befangenheitsgründe detailliert dargetan werden. Zudem müssen die Ablehnungsgründe in der Person des abgelehnten Richters begründet, also personenbezogen sein. Weder die behauptete Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter bilden einen Ablehnungsgrund. Es ist nicht Aufgabe des Ablehnungsverfahrens, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen zu überprüfen. Eine unrichtige Lösung der Rechtsfrage kann nur im Rechtsmittelweg bekämpft werden (8 ObA 68/12a).
2.2 In ihren Überlegungen geht die Beklagte davon aus, dass sie aufgrund der Kündigung der Vollmacht durch ihre frühere Rechtsvertreterin am 11. 1. 2011 ab 25. 1. 2011 (14 Tage nach dem ersten Termin) unvertreten gewesen sei, weshalb die Berufungsentscheidung nichtig sei. Damit ist die Beklagte nicht im Recht.
Nach ständiger Rechtsprechung bedarf in einem Verfahren mit Anwaltspflicht die durch Widerruf oder Kündigung herbeigeführte Aufhebung der Vollmacht des Rechtsvertreters zu ihrer Wirksamkeit gegenüber dem Gericht und dem Prozessgegner (auch) der Anzeige, dass ein anderer Rechtsanwalt zur Vertretung bestellt wurde. Mangels einer derartigen Anzeige bleibt die bloße Mitteilung über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses im Außenverhältnis wirkungslos (8 ObA 53/10t; 8 ObA 68/12a).
2.3 Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagten auch darin nicht beigepflichtet werden, dass sie das Berufungsgericht zur Bekanntgabe eines neuen Rechtsvertreters hätte auffordern müssen. Unrichtig ist ebenso ihre Überlegung, über die Befangenheit der Mitglieder des Berufungssenats hätte erst nach der Entscheidung über die Ablehnung des Erstrichters entschieden werden dürfen. Tatsächlich ist die Ablehnung der Mitglieder des Berufungsgerichts einer gesonderten Überprüfung zu unterziehen. Der Umstand, dass die ursprüngliche Vertreterin der Beklagten irrtümlich nicht in den Kopf der Entscheidung des Berufungsgerichts aufgenommen wurde, bildet keinen geeigneten Grund für eine Befangenheit. Die Frage, ob nach der Kündigung der Vollmacht durch die frühere Rechtsvertreterin der Beklagten im Berufungsverfahren noch weitere Prozesshandlungen in Betracht zu ziehen gewesen seien, bleibt unerheblich, zumal weitere Prozesshandlungen der Beklagten jedenfalls nicht vorgenommen wurden. In diesem Zusammenhang ist an den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels zu erinnern. Ob eine wirksame Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichts an die Partei selbst erfolgen konnte und ob die Berufung von der Beklagten rechtzeitig eingebracht wurde, sind Rechtsfragen, die nicht im Ablehnungsverfahren zu klären sind.
Insgesamt vermag die Beklagte keinen tauglichen Ablehnungsgrund darzulegen. Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
3. Der Anregung der Beklagten auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens war nicht näher zu treten. Das rechtliche Gehör ist ungeachtet der Bestimmung des § 480 Abs 1 ZPO auch im Berufungsverfahren umfassend gewahrt. Hält der Berufungssenat eine Berufungsverhandlung für erforderlich, etwa weil eine Beweisergänzung oder Beweiswiederholung geboten erscheint, so ist eine solche ohnedies anzuberaumen. Auch eine Veranlassung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof besteht nicht. Die Beklagte legt nicht einmal dar, wodurch der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta eröffnet sein soll.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO. Aufgrund der Zweiseitigkeit bildet auch das Ablehnungsverfahren einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0126588).
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