OGH 8ObA80/15w

OGH8ObA80/15w25.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Maxwald ‑ Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 2.885,84 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. September 2015, GZ 12 Ra 55/15t‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00080.15W.1125.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Die Klägerin hat in der Klage zunächst nur pauschal behauptet, dass das Lehrverhältnis durch berechtigten vorzeitigen Austritt beendet worden sei, weil sie nicht den Bestimmungen des BAG entsprechend behandelt und bei der Beklagten insbesondere auch beschimpft und bedroht worden sei.

Dagegen wendete die Beklagte im Einspruch ein, dass der von der AK OÖ in Vertretung der Klägerin mit Schreiben vom 22. 1. 2014 erklärte Austritt verfristet sei, weil allfällige Austrittsgründe, deren Vorliegen ausdrücklich bestritten werde, jedenfalls unverzüglich geltend zu machen gewesen wären.

Im darauf folgenden Schriftsatz erstattete die Klägerin umfangreiches Vorbringen zu den inkriminierten Erklärungen und Verhaltensweisen („des Chefs, der Oberkellnerin Brigitte und von Martina“) ihr gegenüber, die sie als laufende und regelmäßige Pflichtverstöße seitens der Beklagten qualifizierte. Zudem schilderte sie den Vorfall vom 14. 12. 2013, der letztlich für den vorzeitigen Austritt der Klägerin ausschlaggebend war.

In der vorbereitenden Tagsatzung vom 31. 3. 2014 wurde die Klage und das Vorbringen der Klägerin im genannten Schriftsatz von der Beklagten „bestritten“; zudem hat die Beklagte vorgebracht „wie im Einspruch“. Darüber hinaus hat die Beklagte ein inhaltliches Vorbringen zur Kenntniserlangung von der Rückgabe der Berufsbekleidung durch die Klägerin und von der Auflösungserklärung sowie zur Abmeldung der Klägerin bei der Krankenkasse erstattet. In der Folge wurden die Urkunden zum Akt genommen; daraufhin wurde die Rechtssache erörtert. Im Anschluss daran erklärte der Vorsitzende, dass das Beweisverfahren vorerst zur Frage durchgeführt werde, weshalb die Auflösungserklärung nicht schriftlich abgegeben worden sei bzw wann diese tatsächlich schriftlich nachgeholt worden sei und was in der Zwischenzeit zwischen den Streitteilen vereinbart und besprochen worden sei.

2.  Dem detaillierten Vorbringen der Klägerin zum beleidigenden und herabwürdigenden Verhalten ist die Beklagte nicht mit inhaltlichen Ausführungen entgegengetreten. Ein in dieser Hinsicht substanziiertes Vorbringen hat die Beklagte erst im zweiten Rechtsgang mit Schriftsatz vom 29. 4. 2015 erstattet.

3.1  § 177 Abs 1 ZPO ordnet an, dass den Parteien in der vorbereitenden Tagsatzung nach dem Aufruf der Sache Gelegenheit zu geben ist, ihre Sache mit ihren Anträgen, ihrem Tatsachenvorbringen, ihren Beweisanboten und ihren Rechtsausführungen vorzutragen. Mit dem Vortrag wird das Vorbringen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Ausdrücklich oder schlüssig zugestandene Tatsachen bedürfen keines Beweises und schaffen ein Beweisthemenverbot (RIS‑Justiz RS0039949; RS0040110). Dazu dürfen somit keine Beweise aufgenommen werden.

Nach § 178 Abs 1 ZPO trifft die Parteien die Verpflichtung, sich zum Vorbringen des Gegners mit Bestimmtheit zu äußern. Es liegt somit an den Parteien, dem Gericht bekanntzugeben, welche Tatsachenbehauptungen des Gegners sie ‑ durch hinreichend deutliches Bestreiten ‑ zum Gegenstand eines Beweisverfahrens machen wollen. Insoweit besteht eine inhaltliche Bestreitungspflicht der Parteien. Ein substanziiertes Bestreiten erfordert im Allgemeinen, dass zum Tatsachenvorbringen des Gegners konkrete Gegenbehauptungen aufgestellt werden. Ein bloß pauschales, unsubstanziiertes Bestreiten reicht regelmäßig nur dort, wo von der betreffenden Partei ‑ etwa, weil sie in die Sphäre der anderen keinen Einblick hat ‑ konkrete Tatsachenbehauptungen nicht erwartet werden können (9 ObA 7/03z). Unsubstanziiertes Bestreiten ist im Regelfall dann als Zugeständnis der vom Prozessgegner behaupteten Tatsachen im Sinn des § 267 Abs 1 ZPO anzusehen, wenn es der Partei leicht möglich wäre, mit konkreten Tatsachenbehauptungen zu replizieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Partei bloß einzelnen Tatsachenbehauptungen des Gegners mit einem konkreten Gegenvorbringen entgegentritt, zu den übrigen Behauptungen jedoch inhaltlich nicht Stellung nimmt (RIS‑Justiz RS0039977; RS0039927). Ein Tatsachengeständnis ist auch von den Rechtsmittelinstanzen zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0040101; 3 Ob 243/13a).

Schließlich macht es die Prozessförderungspflicht nach § 178 Abs 2 ZPO den Parteien ausdrücklich zur Pflicht, zur Beschleunigung der Entscheidungsfindung beizutragen und ihr Vorbringen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erstatten.

3.2  Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte die Beklagte spätestens in der vorbereitenden Tagsatzung inhaltliches Gegenvorbringen zu den von der Klägerin behaupteten Austrittsgründen erstatten müssen. Das pauschale Bestreiten durch die Beklagte genügte nicht. Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Erklärung des Vorsitzenden in der vorbereitenden Tagsatzung stützen, wonach das Beweisverfahren vorerst zur Frage der Auflösungserklärung durchgeführt werde. Das Beweisverfahren betrifft die Beweisaufnahme und setzt daher inhaltlich bestrittene Tatsachen voraus.

Um die Qualifikation als Zugeständnis der Beklagten zum Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf die vorgetragenen Austrittsgründe zu verhindern, hätte die Beklagte jedenfalls im Revisionsverfahren im ersten Rechtsgang auf die in Rede stehenden Umstände konkret mit inhaltlichen Argumenten eingehen müssen. Dies hat sie allerdings nicht getan. Das pauschale „Bestreiten“ der Beklagten wurde keineswegs übersehen.

4.  Mit Ausnahme der Dienstbekleidungs‑ pauschale, die im zweiten Rechtsgang abgehandelt wurde, hat die Beklagte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit gestellt. Auch in dieser Hinsicht ist ihre Rüge nicht berechtigt.

5.  Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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