European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00063.15W.0628.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.329,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 221,64 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist bei der beklagten Partei seit 3. 8. 2002 beschäftigt und war bis März 2014 als Lohnverrechnerin tätig. Bis 31. 3. 2014 betrug das Monatsgehalt der Klägerin 3.064,12 EUR brutto.
Mit Schreiben vom 19. 3. 2014 sprach die beklagte Partei die Kündigung des Dienstverhältnisses zum 30. 6. 2014 mit dem Beisatz aus: „ Diese Kündigung tritt außer Kraft, wenn Sie bis 26. 3. 2014 schriftlich erklären, einer Änderung Ihres Tätigkeitsbereichs dahingehend zuzustimmen, dass Sie als Arbeitszeitbeauftragte und in der Administration des KursleiterInnenservice mit der Einstufung VG IV/14 tätig werden .“ Der zuständige Betriebsrat wurde zeitgerecht vor dem Ausspruch dieser Änderungskündigung verständigt und erhob gegen „ die geplante Änderungsabsicht (Änderungskündigung) ausdrücklich Einspruch “.
Die Klägerin erklärte sich am 25. 3. 2014 schriftlich mit der Änderung einverstanden und erklärte, dass sie im neuen Bereich „ gerne tätig sein werde, so dass meine Kündigung nunmehr gegenstandslos ist “. Sie ist seit 8. 4. 2014 als Arbeitszeitbeauftragte und in der Administration des KursleiterInnenservice mit einem monatlichen Gehalt von 2.832,50 EUR tätig.
Mit ihrer am 21. 8. 2014 eingebrachten Klage begehrt sie die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, der Versetzungsanordnung der beklagten Partei per 1. 4. 2014 Folge zu leisten. Es handle sich um eine verschlechternde Versetzung, die ohne die nach § 101 ArbVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats erfolgt und daher rechtsunwirksam sei.
Die Beklagte wandte ein, sie habe keine Versetzung, sondern eine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beschränke sich in diesem Fall auf das Vorverfahren nach § 105 ArbVG, das auch eingehalten worden sei. Die Klägerin habe dem Änderungsanbot ausdrücklich und vorbehaltslos zugestimmt und könne es nun nicht einseitig in eine Versetzungsanordnung umdeuten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Auf eine Änderungskündigung komme der allgemeine arbeitsverfassungsrechtliche Kündigungsschutz zur Anwendung, was bedeute, dass das Vorverfahren nach § 105 ArbVG einzuhalten sei und die Kündigung vom Betriebsrat oder vom Arbeitnehmer angefochten werden könne. Damit seien die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats an der Änderungskündigung aber erschöpft. Nehme der Arbeitnehmer das Änderungsanbot an, dann habe der Betriebsrat dagegen kein Vetorecht.
Seine Mitwirkungsrechte nach § 101 ArbVG seien nur auf eine tatsächlich in Aussicht genommene Versetzung, aber nicht auf eine Änderungskündigung anwendbar, zumal die Zumutbarkeit der angebotenen Vertragsänderung ohnehin im Anfechtungsverfahren nach § 105 ArbVG gerichtlich überprüfbar wäre. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn auch unter verschlechterten Bedingungen, sei für den gekündigten Arbeitnehmer in der Regel günstiger als die Beendigung;
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin Folge, änderte die Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
Eine verschlechternde dauernde Versetzung bedürfe zu ihrer Rechtswirksamkeit auch dann der Zustimmung des Betriebsrats, wenn der Arbeitnehmer selbst sich damit einverstanden erklärt habe. Wollte man die Anwendbarkeit des § 101 ArbVG bei einer im Rahmen einer Änderungskündigung erfolgten Versetzung verneinen, könnte diese zum geeigneten Mittel einer Umgehung des bei direktorialen und vertragsändernden Versetzungen bestehenden Arbeitnehmerschutzes werden. Dem könne nur dadurch entgegengetreten werden, dass bei Änderungskündigungen mit Versetzungscharakter neben den allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen auch der Versetzungsschutz nach § 101 ArbVG einzuhalten sei.
Die von der Klägerin beantwortete Revision der beklagten Partei, die sich gegen die Notwendigkeit einer kumulativen Mitwirkung des Betriebsrats gemäß §§ 101 und 105 ArbVG richtet, ist im Sinne des Ausspruchs des Berufungsgerichts zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die über den Einzelfall hinausreichende Frage des Versetzungsschutzes bei einer Änderungskündigung noch nicht explizit zu behandeln hatte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof erachtet die auf begründete Lehrmeinungen ( Reissner in ZellKomm², § 101 ArbVG Rz 45 mwN; Schrammel , Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Versetzung und Änderungskündigung, ZAS 1975, 203) gestützten Rechtsausführungen des Berufungsgerichts grundsätzlich für zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) und die dagegen von der Beklagten ins Treffen geführten Einwände für nicht stichhältig.
2. Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:
Nach § 101 ArbVG bedarf eine Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz, die mit einer Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden ist, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung nicht, so kann sie durch Urteil des Gerichts ersetzt werden. Das Gericht hat die Zustimmung zu erteilen, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt ist.
Es entspricht der herrschenden Lehre, dass auch die mit einer Änderungskündigung argumentativ verstärkte Versetzungsanordnung dann, wenn der Arbeitnehmer ihr zustimmt und es daher zur Kündigung nicht kommt, der Mitwirkung des Betriebsrats nach § 101 ArbVG unterliegt ( Reissner aaO; Schrammel , Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Versetzung und Änderungskündigung, ZAS 1975, 203; Dungl in FS Floretta , 365 f; Marhold/Friedrich , Arbeitsrecht², 83 f Friedrich , ASoK 2005/48; vgl auch EA Eisenstadt ARD 3377/11/82).
Die Beklagte kritisiert diese Rechtsmeinung vor allem mit dem Argument, dass sie nicht zu Ende gedacht erscheine. Es gehe nicht an, dass der Betriebsrat auf diese Weise bewirken könne, dass die Kündigung ausgeräumt, die Versetzung jedoch ebenfalls verhindert werde. Wäre die Versetzung wegen Versagung der Zustimmung des Betriebsrats nicht möglich, dann werde das Dienstverhältnis nämlich beendet, weil die Bedingung für die Aufhebung der Kündigung dann nicht eingetreten sei.
Diese Ausführungen übergehen, dass die Beklagte die hier zu beurteilende Änderungskündigung ausschließlich unter die auflösende Bedingung gestellt hat, dass die Klägerin schriftlich der Vertragsänderung zustimmt („ tritt außer Kraft, wenn Sie bis 26. 3. 2014 schriftlich erklären ...“). Andere Bedingungen wurden nicht gestellt.
Die Beklagte wusste dabei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der vorab eingeholten Stellungnahme bereits, dass der Betriebsrat „ der geplanten Änderung “ seine Zustimmung versagt hatte. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Beklagte bei Ausspruch der Änderungskündigung deren Aufhebung – wider besseres Wissen – auch an die Bedingung der Zustimmung des Betriebsrats zur Änderung des Tätigkeitsbereichs geknüpft hätte.
3. Soweit die Revision argumentiert, die Einwirkungsbefugnis des Betriebsrats gehe zu weit, wenn dieser gegen den Willen des Arbeitnehmers letztlich eine Beendigung des Dienstverhältnisses provozieren könnte, lässt sie außer Acht, dass die Zustimmung des Betriebsrats durch das Gericht ersetzt werden kann, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt erscheint (vgl Födermayr in Jabornegg/Resch ArbVG § 101 Rz 64). Eine sachliche Begründung kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer aus betrieblichen oder persönlichen Gründen an seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden kann und gekündigt werden müsste, wenn die – von ihm selbst gewollte – Versetzung verhindert würde ( Födermayr aaO Rz 90 mwN).
4. Die von der Revisionswerberin als praxisfern kritisierte Blockadesituation kann dagegen nur eintreten, wenn der Arbeitgeber es verabsäumt hat, die Stellungnahme des Betriebsrats vorweg nicht nur zur Kündigung, sondern auch zu der alternativ angebotenen Versetzung einzuholen. Die gleichzeitige Einholung beider Stellungnahmen ist ohne zusätzlichen Aufwand möglich und zweckmäßig, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überhaupt kein ernsthaftes Änderungsangebot unterbreiten kann, bevor er sich nicht überzeugt hat, ob die Änderungsbedingung rechtlich erfüllbar ist.
Eine nachträgliche Zustimmung zu einer bereits vollzogenen Versetzung ist überhaupt nicht möglich ( Födermayr in Jabornegg/Resch , ArbVG § 101 Rz 58; RIS‑Justiz RS0107426; so auch schon VfGH 1383/79, ARD 3342/9/81 = ZAS 1982/5).
Stimmt der Betriebsrat der beabsichtigten Versetzung vorweg zu, kann die Änderungskündigung vom Arbeitgeber ausgesprochen werden, ohne dass es zu der von der Revision befürchteten Blockade kommen kann.
5. Richtig ist der Einwand der Revisionswerberin, dass der Fall der Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zum Änderungsangebot im Regelfall eine unbedingte Dienstgeberkündigung zur Folge haben wird. Die Möglichkeit, dass es zu divergierenden Entscheidungen des Arbeitnehmers und des Betriebsrats und in der Folge zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen kann, ist bei verschlechternden Versetzungen jedoch systemimmanent und keine Besonderheit der Variante der Änderungskündigung
Nach der herrschenden und von der Revision nicht in Frage gestellten „Zwei-Ebenen‑Theorie“ sind die arbeitsvertraglichen und die betriebsverfassungsrechtlichen Aspekte der verschlechternden Versetzung getrennt zu prüfen und müssen beide erfüllt sein, um die Versetzung wirksam werden zu lassen. Die Zustimmung des Arbeitnehmers allein genügt nicht; als rechtliches Korrektiv gegen eine unsachliche Entscheidung des Betriebsrats steht aber die Klage auf Ersetzung seiner Zustimmung zur Verfügung.
6. Das Argument der Revisionswerberin, die Mitwirkungsbefugnis des Betriebsrats bei Versetzungen beziehe sich nach der Gesetzessystematik nur auf das aufrechte Arbeitsverhältnis, ist richtig, erlaubt aber nicht die Schlussfolgerung, dass deswegen Versetzungen aufgrund einer Änderungskündigung vom Mitwirkungsrecht nicht erfasst wären.
Die Frage der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Versetzung stellt sich auch bei der Änderungskündigung nur dann, wenn es zur Beendigung des Dienstverhältnisses gerade nicht kommt, weil der Arbeitnehmer das Änderungsangebot wählt. Einen sachlichen Grund, weshalb eine beabsichtigte verschlechternde Versetzung deswegen, weil ihr mit einer konkreten Kündigung besonderer Nachdruck verliehen wurde, vom betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutz ausgenommen sein sollte, vermag die Revision nicht darzulegen.
Der Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG hat, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, andere Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Im Kündigungsanfechtungsverfahren ist die sachliche Berechtigung einer nicht zustandegekommenen Versetzung kein Thema. Allenfalls kann ein Änderungsangebot bei der Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung sowie bei der Prüfung von betriebs- oder personenbedingten Rechtfertigungsgründen eine Rolle spielen und hier – wenn das Angebot rückwirkend als zumutbar beurteilt wird – zum Ergebnis der Klagsabweisung führen.
Wäre der Arbeitnehmer aber auf den Umweg angewiesen, sich erst kündigen zu lassen und die Kündigung anzufechten, um das Änderungsangebot auf seine Sachlichkeit prüfen zu lassen, könnte von einem wirksamen Kündigungs- und Versetzungsschutz keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG iVm §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)