Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger wurde über Initiative des AMS im Juli 2005 als IT-Techniker bei der T***** Ges.m.b.H. angestellt. Sein Arbeitsplatz befand sich im Bundeskanzleramt und seine Aufgabe bestand darin, am „Help-Desk“ einlangende Anrufe oder E-Mail-Anfragen zu beantworten.
Vertragspartner des Bundeskanzleramtes war allerdings nicht die Arbeitgeberin des Klägers, sondern die S***** GmbH, welche aufgrund einer Ausschreibung der Bundesbeschaffungsgesellschaft den bis spätestens November 2009 befristeten Auftrag zur Bereitstellung von Technikern zwecks Betreuung einer EDV-Hotline für das Bundeskanzleramt und für Bundesministerien erlangt hatte. Die Qualifikationen der Techniker wurden vom Bundeskanzleramt im Vorfeld geprüft und auch die Arbeitszeiten festgelegt.
Die S***** GmbH konnte die vereinbarten Dienstleistungen nicht mit eigenen Technikern erbringen und wandte sich deswegen an die Beklagte. Diese tritt als „Plattform und Netzwerk“ für IT-Techniker auf und „sammelt Lebensläufe“ solcher Personen. Firmen können bei ihr anfragen, wenn sie einen IT-Techniker suchen. Die Beklagte beschäftigt außer ihrem Geschäftsführer nur noch drei Buchhaltungsmitarbeiter. Der Pool an IT-Technikern, der von der Beklagten verwaltet wird, umfasst etwa zwischen 30 bis 40 Personen, die auf selbstständiger Basis tätig sind. Die IT-Techniker bezahlen der Beklagten nichts dafür, in den Pool aufgenommen zu werden. Die Beklagte übernimmt zumeist für ihren Vertragspartner die Abrechnung mit den vermittelten Technikern und erzielt ihr Einkommen durch eine Marge beim Stundensatz. Eine Provision für die Vermittlung erhält sie nicht.
Die im gegenständlichen Projekt selbstständig beschäftigten Techniker legten ihre Rechnungen an die Beklagte, die deren Leistungen ihrerseits anhand der vom Beschäftiger kontrollierten Stundenlisten an ihren Vertragspartner S***** GmbH mit einem Aufschlag auf den Stundenlohn weiterverrechnete. Die S***** GmbH stellte danach die Arbeitsstunden mit weiterem Aufschlag dem Bundeskanzleramt in Rechnung.
Die Abrechnung der Leistungen des Klägers gegenüber der S***** GmbH erfolgte schon während seines Dienstverhältnisses zur T***** Ges.m.b.H. über die Beklagte, die dem Dienstgeber Überlassungsentgelt bezahlte und die Arbeitszeiten mit Aufschlag an die S***** GmbH weiterverrechnete.
Urlaube, Krankenstände oder sonstiges Fernbleiben meldete der Kläger sowohl im Bundeskanzleramt, als auch dem „Teamleiter“ der Beklagten. Um eine Vertretung musste sich der Kläger nicht kümmern, Arbeitsanweisungen gab es lediglich von Seiten des Bundeskanzleramtes, wobei sein Aufgabengebiet aber von vornherein klar umrissen war.
Das Dienstverhältnis des Klägers zur T***** Ges.m.b.H. endete am 26. 3. 2006. Über Vermittlung eines Herrn E***** traf sich der Kläger mit dem Projektleiter bei der S***** GmbH, der sich nach seinen beruflichen Qualifikationen und Referenzen erkundigte und mit ihm seine weitere Tätigkeit als IT-Techniker im Bundeskanzleramt besprach. Bereits E***** - von dem das Erstgericht nicht festzustellen vermochte, welchem der beteiligten Unternehmen er zuzuordnen war - hatte den Kläger darauf hingewiesen, dass er für eine weitere Tätigkeit einen Gewerbeschein benötigen würde. Der Kläger war „sich im Klaren darüber, dass er als Selbstständiger arbeiten würde“. Mit E***** hatte der Kläger „im Vorfeld“ auch den Stundensatz von 13,00 EUR netto zuzüglich USt für seine Arbeit „besprochen“. Der Kläger löste einen Gewerbeschein für Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und verrichtete ab 27. 3. 2006 seine Tätigkeit im Bundeskanzleramt inhaltlich unverändert weiter.
Der Kläger erhielt in weiterer Folge ein E-Mail von „E***** und der beklagten Partei“, worin er aufgefordert wurde, zukünftig Rechnungen samt Stundenlisten an die Beklagte zu schicken. Die Abrechnung dieser Stunden führte die Beklagte sodann nach Rechnungslegung des Klägers anhand der vorgelegten, vom Bundeskanzleramt kontrollierten Stundenlisten durch und verrechnete sie mit eigenem Aufschlag weiter.
Spätestens „bei der Weihnachtsfeier“ (wohl gemeint: 2006) erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass das Bundeskanzleramt Kunde der S***** GmbH war, ebenso war jedem Techniker bewusst, dass und wann dieses befristete Projekt enden würde.
Ab 2007 erhöhte sich der „Stundenlohn“ des Klägers für die Normalarbeitszeit auf 14,00 EUR. Ab Juni 2008 erhielten die Techniker 15,17 EUR pro Stunde ausbezahlt, nachdem das Bundeskanzleramt gegenüber der S***** GmbH eine Inflationsanpassung vorgenommen und sich der Kläger daraufhin an die Beklagte wegen einer Erhöhung seines Stundensatzes gewandt hatte.
Im Juli 2009 wurden die Techniker im Bundeskanzleramt darauf hingewiesen, dass die S***** GmbH nicht mehr an der neuen Ausschreibung teilgenommen habe, im Oktober 2009 wurde ihnen in einem „Teammeeting“ in Aussicht gestellt, dass vielleicht noch Möglichkeiten zur Weiterarbeit bestünden. Mit Mail vom 16. 11. 2009 verständigte der Geschäftsführer der Beklagten die Techniker wie folgt:
„Liebe Kollegen, leider haben unsere Bemühungen, Euch in den jeweiligen Ministerien weiterhin zu beschäftigen, nur vereinzelt zum Erfolg geführt. Philipp und ich möchten aber mit jedem Einzelnen über Eure berufliche Zukunft reden (...).“
Der Kläger lehnte es ab, im „Pool“ der beklagten Partei zu verbleiben, weil er nicht mehr selbstständig berufstätig sein wollte. Er hatte neben seiner Tätigkeit beim Bundeskanzleramt nie andere Kunden.
In der Klage wird vorgebracht, der Kläger sei in einem ordentlichen Dienstverhältnis zur Beklagten gestanden, das durch fristwidrige Dienstgeberkündigung geendet habe. Das Klagebegehren setzt sich aus errechneten Entgeltdifferenzen, Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung und Abfertigung zusammen.
Die Beklagte wandte ein, sie habe dem Kläger ein Dienstverhältnis angeboten, er habe jedoch die Selbstständigkeit vorgezogen. Letztlich sei sie daher nur als Vermittlerin bzw Dienstleisterin der S***** GmbH aufgetreten und zum Kläger in überhaupt keinem Vertragsverhältnis gestanden. Hilfsweise erhob die Beklagte auch Einwände gegen die Höhe des Klagebegehrens.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Der Kläger habe nach dem Ende seines Dienstverhältnisses die Fortsetzung seines Einsatzes mit dem Projektleiter der S***** GmbH vereinbart. Diese Gesellschaft sei daher als sein Vertragspartner anzusehen, wogegen die Beklagte nur ihre Funktion als Abrechnungsstelle wie zuvor im Rahmen des früheren Dienstvertragsverhältnisses weitergeführt habe. Nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt sei zwischen den Streitteilen weder ausdrücklich noch schlüssig ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen zustandegekommen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen für nicht zulässig.
Der Kläger habe nicht unter Beweis stellen können, dass er mit einer für die Beklagte handlungsberechtigten Person einen Vertrag geschlossen habe, weil die Funktion des Herrn E***** nicht aufgeklärt werden habe können. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger Honorarnoten an die Beklagte gestellt habe und diese die Bezahlung vornahm, könne keine Vertragsbeziehung abgeleitet werden, weil auch schon während des Transitarbeitsverhältnisses eine gleichartige Verrechnung erfolgt sei und die Beklagte damals unstrittig nicht Dienstgeberin des Klägers gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die Auslegung der Vorinstanzen einer Korrektur bedarf. Sie ist folglich im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Ein Dienstvertrag wird nach § 861 ABGB durch übereinstimmende Willenserklärungen von Anbot und Annahme geschlossen. Er kann auch bloß schlüssig zustandekommen. Die Frage der Auslegung schlüssigen Verhaltens der präsumtiven Vertragspartner hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ebenso wie die Fragen, welche Personen Partner eines Vertragsverhältnisses geworden sind (RIS-Justiz RS0042936 [T43]; vgl auch RS0044358; RS0044348). Das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen ist mit dem festgestellten Sachverhalt allerdings unvereinbar.
2. Zwischen dem Kläger als Arbeitnehmer und dem endgültigen Beschäftiger bestand ursprünglich eine Überlassungskette, deren Glieder der Reihe nach aus a) dem Dienstgeber, b) der Beklagten, c) der S***** GmbH und d) dem Bundeskanzleramt bestanden.
Die vormalige Dienstgeberin des Klägers hatte unstrittig unmittelbar mit der Beklagten und nicht etwa mit der S***** GmbH kontrahiert. Von dieser Voraussetzung ausgehend ist aber die Überlegung des Berufungsgerichts, der Kläger habe schon deswegen nicht annehmen dürfen, bei der Beklagten beschäftigt zu sein, weil diese ja auch schon während seines Transitarbeitsverhältnisses die Verrechnung seiner Leistungen an die S***** GmbH besorgt hatte (und damals unstrittig nicht Arbeitgeberin war), unschlüssig.
Mit Beendigung des „Transitarbeitsverhältnisses“ des Klägers ist er in der Überlassungskette an die Stelle seiner vormaligen Dienstgeberin aufgerückt. In den Beziehungen zwischen den Kettengliedern Beklagte - S***** GmbH - Bundeskanzleramt hat sich unstrittig überhaupt nichts verändert. Die vom Kläger nach Wegfall seines Dienstgebers übernommene Position in der Überlassungskette war daher eindeutig die des Partners der Beklagten, deren plötzliche Mutation zum unbeteiligten externen Dienstleister nicht nachvollziehbar wäre.
3. Diesem Ergebnis stehen auch die Feststellungen über ein Gespräch mit dem Projektleiter der S***** GmbH nicht entgegen, dessen Inhalt die wesentlichen Eckpunkte eines unmittelbaren Vertragsverhältnisses mit dem Kläger nicht erkennen lässt. Die wesentlichen Vertragsbedingungen und die Modalitäten der Rechnungslegung wurden mit dem Kläger nämlich „im Vorfeld“ vereinbart. Es steht nicht einmal fest, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt überhaupt wusste, dass die S***** GmbH der unmittelbare Vertragspartner seines Beschäftigers war, hat er doch davon erst „spätestens bei der Weihnachtsfeier“ erfahren.
Auch wenn die Feststellungen der Vorinstanzen darüber, wer wann mit wem welche Inhalte besprochen oder vereinbart hat, über weite Strecken verschwommen geblieben sind, ist jedenfalls unstrittig, dass die Beklagte den Kläger nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zur T***** Ges.m.b.H. unverändert weiter für ihre Unternehmenszwecke eingesetzt und ihn ausdrücklich zur Rechnungslegung an sie selbst aufgefordert hat, ferner, dass sie seine verrechnete Arbeitszeit selbst bezahlt und dann im eigenen Namen, also als Leistung ihres Unternehmens, mit Gewinnaufschlag weiterverrechnet hat. Auf welcher rechtlichen Grundlage die Beklagte die Leistungen des Klägers jahrelang für sich vereinnahmt haben sollte, wenn nicht aufgrund eines mit ihr bestehenden Vertragsverhältnisses, bleibt nachgerade unverständlich.
Der Umstand, dass die Beklagte im Verhältnis zur Kundin S***** GmbH so genannte „Third Party Management“-Leistungen erbrachte, indem sie auf Anforderung gegen Bezahlung technische Fachkräfte beistellte, die entweder eigene Angestellte (Vorbringen ON 10), unselbstständige Leiharbeitskräfte (Kläger bis März 2006) oder Werkvertragsanbieter mit eigener Gewerbeberechtigung waren, steht der Annahme eines Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen nicht nur nicht entgegen, sondern setzt es geradezu notwendig voraus. Dass der fortgesetzte Einsatz des Klägers im Bundeskanzleramt mit einem „Teamleiter“ der S***** GmbH besprochen werden musste (nachdem aber die wesentlichen Konditionen bereits im Vorfeld abgesprochen waren), ist schon aufgrund des Überlassungs- und Managementvertrags naheliegend, ohne dass daraus die Begründung unmittelbarer Vertragsbeziehungen der S***** GmbH zum Kläger ableitbar wäre.
4. Zur rechtlichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses der Streitteile ist festzuhalten, dass ein Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag iSd § 1151 ABGB in erster Linie durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitenden, also durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, gekennzeichnet ist, die sich in organisatorischer Gebundenheit an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle (aber nicht notwendig auch an Weisungen über die Ausführung der Tätigkeit) äußert. Wesentliches Merkmal des Arbeitsvertrags ist eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, der hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist, oder, wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt. Nicht alle Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen gemeinsam vorliegen und sie können in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen.
Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik eines beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (RIS-Justiz RS0021306; RS0021332).
Die Anwendung arbeitsrechtlicher Bestimmungen ist in weiten Teilen zwingendes Recht. Schon aus diesem Grund kommt es auf eine bestimmte Bezeichnung des Vertragsverhältnisses oder abweichende rechtliche Vorstellungen, die die Parteien beim Abschluss gehegt haben, nicht entscheidend an, sondern in erster Linie auf die tatsächliche Handhabung, die im Regelfall den wahren Parteiwillen zum Ausdruck bringt (vgl Rebhahn in ZellKomm², § 1151 ABGB Rz 62 ff).
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger seine inhaltlich vom Auftraggeber definierte Arbeitsleistung grundsätzlich persönlich zu erbringen hatte, zumal über eine allfällige Vertretungsmöglichkeit nichts vereinbart war, und er dabei einen starren Dienstplan einzuhalten hatte. Er wurde kontrolliert, war sachbezogenen Weisungen unterworfen und musste eine etwaige Abwesenheit melden, nicht aber selbst für eine Vertretung sorgen. Inhaltlich war die Tätigkeit des Klägers zeitgebunden, einen bestimmten Erfolg schuldete er nicht.
Unter Zugrundelegung der dargestellten Kriterien liegen daher alle Voraussetzungen für die Annahme persönlicher Abhängigkeit und damit für die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als echten Dienstvertrag vor (zur Abgrenzung insb zum freien Dienstvertrag vgl 8 ObA 55/07g; 9 ObA 118/07d; Rebhahn in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 1151 Rz 97 ff; ders in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 62 ff; Krejci in Rummel³, § 1151 ABGB Rz 83 ff).
5. Ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht haben sich die Vorinstanzen mit den weiteren Rechtsgrundlagen und der Höhe der Klagsforderung noch nicht beschäftigt.
Im weiteren Verfahren wird mit dem Kläger insbesondere zu erörtern sein, ob er sich auf einen bestimmten Kollektivvertrag beruft, andernfalls auf welcher sonstigen Rechtsgrundlage er Sonderzahlungen geltend macht. Beide Streitteile haben einen „IT-Kollektivvertrag“ als Vergleichsmaßstab für die angemessene Entgeltberechnung erwähnt, aber nichts dazu vorgebracht, ob die Beklagte aufgrund ihrer Fachgruppenzugehörigkeit diesem oder allenfalls einem anderen Kollektivvertrag unterworfen ist. Der Kläger wird weiters schlüssig zu stellen haben, worauf er seinen Anspruch auf eine Abfertigung stützt.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 2 ASGG, § 52 ZPO.
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