OGH 8ObA3/97t

OGH8ObA3/97t17.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und Amtsdirektor Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei William Bruce Z*****, vertreten durch Dr.Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Peter Raits, Dr.Alfred Ebner, Dr.Walter Aichinger, Dr.Peter Bleiziffer, Dr.Daniel Bräunlich, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 777.700,33 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.September 1996, GZ 11 Ra 153/96s-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.Februar 1996, GZ 20 Cga 143/94w-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.125,60 (darin S 3.687,60 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben das Verhalten des Klägers richtig als den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 27 Z 1 AngG verwirklichend und den Ausspruch der Entlassung als rechtzeitig erfolgt beurteilt. Es kann daher gemäß § 48 ASGG auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Ergänzend ist anzumerken:

Ein Entlassungsgrund ist dem Dienstgeber bekannt geworden, sobald ihm die für die Beurteilung des Vorliegens des Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangten, wobei der Dienstgeber verpflichtet ist, die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen und ihm zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchzuführen. Diese Nachforschungspflicht besteht jedoch nur dann, wenn der Dienstgeber konkrete Umstände, die eine Entlassung rechtfertigen könnten, in Erfahrung gebracht hat. Bloße Verdachtsmomente reichen zur Begründung einer Nachforschungsverpflichtung nicht aus (9 ObA 126/93; 9 ObA 46/94; RdW 1996, 28). Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, läßt sich nur nach den Umständen des Einzelfalles richtig beurteilen. Die Unterlassung der sofortigen Geltendmachung eines Entlassungsgrundes führt dann nicht zur Verwirkung des Entlassungsrechtes, wenn das Zögern in der Sachlage begründet war (ArbSlg 9606; JBl 1981, 161; ArbSlg 10.445; RdW 1988, 52; ArbSlg 11.343 ua). Überall dort, wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, den der Arbeitgeber mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst nicht aufklären kann, muß diesem das Recht zugebilligt werden, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit der Entlassung zuzuwarten (RdW 1988, 52; RdW 1989, 73; RdW 1996, 543). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurde ein Vorstandsmitglied der Beklagten erstmals am 10.3.1994 durch Organe eines vom Kläger beauftragten Druckunternehmens mit dem Verdacht konfrontiert, daß Provisionszahlungen zwischen dem Kläger und einer Vermittlerin "laufen könnten". Es wurde daraufhin der Beklagtenvertreter mit entsprechenden Recherchen beauftragt. Nach diesem Zeitpunkt, nämlich am 24.3.1994, richtete der Kläger das Schreiben Beilage 2 an das Druckunternehmen, mit welchem unter anderem auf die Verdienstlichkeit der Vermittlerin für das Zustandekommen des Druckauftrages und die bestehende Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten verwiesen wurde. In einem Gespräch am 6.4.1994 mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten, in dessen Verlauf ihm die Weisung erteilt wurde, dem Druckunternehmen mitzuteilen, daß keine Bestätigung zugunsten der Vermittlerin ausgestellt werde, verschwieg er die Existenz dieses Schreibens. Bei dieser Sachlage muß der Beklagten zugebilligt werden, den Abschluß der einen weitergehenden Verdacht betreffenden Erhebungen abzuwarten, bevor ihre Vorstandsmitglieder am 20.4.1994 eine Sachverhaltsklärung im direkten Gespräch mit dem Kläger versuchten und sodann unter anderem gestützt auf die beiden genannten Vorfälle die Entlassung aussprachen. Die Entlassung des Klägers erfolgte daher unter Berücksichtigung der Komplexität des Sachverhaltes und der Größe sowie Organisationsform der Beklagten rechtzeitig.

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß das vom Kläger verfaßte Schreiben vom 24.3.1994 nicht unter jene "Routinesachen" eingereiht werden kann, welche ohne Gegenzeichnung des Vorgesetzten erledigt werden durften. Auch konnte dem in der Branche versierten Kläger nicht verborgen bleiben, daß der Inhalt des Schreibens nicht Selbstzweck sein, sondern die Verdienstlichkeit der Vermittlerin - auch wenn diese lediglich als "Druckberaterin" bezeichnet wurde - am Zustandekommen des Auftrages dokumentieren sollte. Damit drängte sich aber für jeden sachkundigen Betrachter der Schluß auf Provisionsforderungen der Vermittlerin gegenüber dem beauftragten Druckunternehmen geradezu auf. Daß auch der Kläger dem Schreiben eine besondere Bedeutung beimaß, ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß er dessen Existenz im folgenden Gespräch mit seinem Vorgesetzten verschwieg. Losgelöst von allen übrigen vom Erstgericht illustrativ angeführten Verdachtsmomenten läßt sich das Verhalten des Klägers dahin zusammenfassen, daß er die von der Beklagten nicht gewünschte Einschaltung dritter Personen in die Auftragsvergabe geduldet und durch sein Schreiben den - auch zu Lasten der Beklagten gehenden - Fluß von Provisionszahlungen gefördert hat, ohne darüber seine Vorgesetzten pflichtgemäß zu informieren. Der Kläger, der nach den Feststellungen des Erstgerichtes über einen Werbeetat von rund 130 Mill S jährlich verfügen konnte, hatte bei der Beklagten zweifellos eine Vertrauensstellung inne, welche zusätzliches Gewicht dadurch gewann, daß sie den besonders sensiblen Bereich der Auftragsvergabe betraf. Bei Angestellten mit einer größeren Vertrauensstellung ist aber ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen als bei Dienstnehmern mit untergeordneter Tätigkeit. Dieser strenge Maßstab rechtfertigt es, solchen Verfehlungen ein erhöhtes Gewicht bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist zu geben (ArbSlg 9431; WBl 1996, 409). In diesem Sinne kann keine Rede davon sein, die Verfehlungen des Klägers wären von der Beklagten lediglich mit einer Abmahnung zu ahnden gewesen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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