OGH 8ObA305/94

OGH8ObA305/9426.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Zeiler und Gerald Kopecky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopold K*****, vertreten durch Dr.August Wippel, Dr.Andreas Wippel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer, Dr.Wolfram Themmer, Dr.Andreas Peyrer‑Heimstätt, Dr.Marcella Prunbauer, Dr.Martin Prunbauer, Dr.Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 159.299,90 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13.Juni 1994, GZ 33 Ra 24/94‑14, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits‑ und Sozialgerichtes vom 6.Dezember 1993, GZ 3 Cga 123/93‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:008OBA00305.940.0126.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat das Verhalten des Klägers zu Recht als ungerechtfertigten Austritt qualifiziert, sodaß gemäß § 48 ASGG auf die zutreffende Urteilsbegründung verwiesen werden kann. Ergänzend ist folgendes anzumerken:

Der auf die Parteien anzuwendende Kollektivvertrag für die eisen‑ und metallerzeugende und ‑verarbeitende Industrie regelt in seinem Art.XVI Punkte 16 bis 20 die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers im Falle der Notwendigkeit der gänzlichen oder teilweisen Stillegung des Betriebes, einzelner Abteilungen oder einzelner Arbeitsplätze aufgrund von Umständen, die weder in der Person des Arbeitnehmers liegen noch von ihm zu vertreten sind. Danach hat der Arbeitnehmer bis zur Höchstdauer von 21 Tagen Anspruch auf 75 % seines Lohnes (Punkt 16.). Bei länger andauernden Arbeitsausfällen entfällt nach 21 Tagen jede Verdienstfortzahlung durch den Arbeitgeber (Punkt 19.). Eine derartige Klausel stellt eine normativ wirkende Inhaltsnorm dar, die von der Regelungsbefugnis des § 2 Abs.2 Z 2 ArbVG umfaßt und daher zulässig ist (vgl Runggaldier, Grenzen und Möglichkeiten der Aussetzung des Arbeitsvertrages DRdA 1986, 274, hier: 286 f). Sie ist weder gesetz‑ noch sittenwidrig. Die Entgeltfortzahlungspflicht des § 1155 ABGB ist abdingbar (Arb 10.603; Krejci in Rummel2 Rdz 1 zu § 1155). Eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen der Arbeitnehmer (vgl Arb 10.447), wie dies der Revisionswerber vermutet, ist nicht gegeben. Der Dienstgeber kann nämlich die Arbeit nicht beliebig aussetzen, sondern es bedarf einer durch die Umstände erzwungenen zumindest teilweisen Betriebsstillegung. Durch diese Bedingung, deren Vorliegen der nachprüfenden Kontrolle der Gerichte unterliegt, findet eine ausreichende Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen statt (Runggaldier aaO). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die in den ersten 21 Tagen vorzunehmende Lohnkürzung nicht zu beanstanden. Auch für die daran anschließende Zeit kann in Anbetracht der Möglichkeit des Bezuges von Arbeitslosengeld nicht von einer unzulässigen gänzlichen Überwälzung des Unternehmerrisikos gesprochen werden (Arb 11.074).

Das Mittel der "Aussetzung" von Arbeitsverträgen wird zur Überbrückung von Zeiten der Beschäftigungslosigkeit eingesetzt. Solche "Aussetzungen" beruhen auf dem wirtschaftlichen Grundgedanken, daß die Arbeitnehmer Leistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten, ohne ihre Bindung an den Betrieb zu verlieren. Rechtlich wird der Zweck solcher "Aussetzungen" entweder durch die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrages, verbunden mit der Abrede zu einem bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitpunkt einen neuen Dienstvertrag einzugehen oder dadurch erreicht, daß mittels Karenzierung bei Weiterbestehen des Arbeitsvertrages die Arbeits‑ und Entgeltpflicht zum Ruhen gebracht wird. Selbst wenn der Arbeitsvertrag gelöst, jedoch nicht oder nur zum Teil abgewickelt und ein neues Arbeitsverhältnis unter Anrechnung der Dienstzeiten und Anwartschaften ins Auge gefaßt wird, liegt in Wahrheit eine Karenzierung vor. An einer Abwicklung des Arbeitsvertrages fehlt es dann, wenn dem Arbeitnehmer die Endabrechnung nicht ausgehändigt wird und die fälligen Zahlungen, so etwa die allfällige Urlaubsentschädigung, die allfällige Abfertigung und die anteiligen Sonderzahlungen nicht geleistet werden (SZ 61/94). Die Abmeldung bei der Sozialversicherung und die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung, welche nur Wissenserklärungen sind, steht der Annahme eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen (SZ 61/94; SZ 62/46).

Das Gericht zweiter Instanz hat daher zutreffend die Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse und die von der Beklagten ausgestellte Arbeitsbescheinigung aufgrund des gegebenen Sachverhaltes nicht als äußeres Zeichen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewertet. Es ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß für den Kläger der Erklärungswille des Dienstgebers eindeutig erkennbar gewesen ist. Die teilweise Betriebsstillegung für insgesamt 25 Arbeitnehmer bis auf Widerruf wurde schriftlich bekanntgegeben. Alle betroffenen Dienstnehmer, ausgenommen der Kläger, erklärten sich während des karenzierten Dienstverhältnisses zur Absolvierung eines Weiterbildungskurses bereit. Dem Kläger wurde, als er sich nach Ablauf der 21 Tage arbeitsbereit meldete, vom Geschäftsführer ausdrücklich die Freistellung bis auf Widerruf mitgeteilt. In Anbetracht dieser nach dem Kollektivvertrag zulässigen Anordnung konnte der Kläger auch durch sein Schreiben, mit welchem er die unveränderte Fortsetzung des Dienstverhältnisses bei ungekürztem Entgelt begehrte, die Rechtslage nicht zu seinen Gunsten ändern. Sowohl die dem Kläger zugegangene Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse als auch die Arbeitsbescheinigung weisen als Abmelde‑ bzw Beendigungsgrund aus: "Kein Entgeltanspruch laut KV". Der Kläger konnte daher nach der klaren Sachlage nur davon ausgehen, daß die Abmeldung im Rahmen der aufgrund der Bestimmungen des Kollektivvertrages angeordneten Aussetzung des Dienstverhältnisses erfolgte. Er hatte keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß eine Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung oder Entlassung beabsichtigt war. Das Schreiben des Klägers vom 7.5.1993, mit welchem er die Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse als vorzeitige Entlassung ohne wichtigen Grund deutete, war somit nicht in einem Verhalten des Dienstgebers begründet, sodaß es diesem nicht schaden kann, daß er daraus erst durch das telefonische Anbot vom 17.5.1993, bei einem anderen Dienstgeber die Arbeit aufzunehmen und sodann am 1. und 3.6.1993 mit der Aufforderung, die Arbeit bei der Beklagten zu beginnen, reagierte.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt auch kein Widerspruch in den Feststellungen des Erstgerichtes, daß der Kläger einerseits aufgefordert worden sei, am 7.6.1993 die Arbeit wieder aufzunehmen, und daß er andererseits bei der Beklagten ab 21.6.1993 hätte wieder arbeiten können, da die letztere Feststellung, wie sich insbesondere aus der Beweiswürdigung (S.8 der Urteilsausfertigung) klar ergibt, lediglich auf den hypothetischen Fall des Besuches des Weiterbildungskurses, der am 19.6.1993 endete, abstellt.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

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