OGH 8ObA29/97s

OGH8ObA29/97s23.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Brigitte Augustin und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ursula H*****, vertreten durch Dr.Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei C*****-GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 528.489,29 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.Oktober 1996, GZ 8 Ra 228/96z-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Dezember 1995, GZ 9 Cga 144/94z-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.456,-- (darin S 3.576,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben zu Recht das Vorliegen des Entlassungsgrundes des § 27 Z 1 3.Tatbestand AngG angenommen, sodaß es gemäß § 48 ASGG ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Nach der genannten Gesetzesstelle ist es als wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung des Angestellten berechtigt, anzusehen, wenn sich dieser einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt. Bei diesem Entlassungsgrund kommt es nicht darauf an, daß der Dienstgeber tatsächlich geschädigt wurde, sondern darauf, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, daß seine Interessen und Belange durch den Angestellten gefährdet sind (ArbSlg 10.001; ZAS 1986, 49; RdW 1996, 131; 9 ObA 20/97z). Bei der Prüfung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit ist an das Verhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen, der nach den Begleitumständen des Einzelfalles und nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise angewendet zu werden pflegt (ArbSlg 10.212; DRdA 1993, 383). An das Verhalten eines Angestellten in gehobener Stellung ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an das eines mit untergeordneten Tätigkeiten betrauten Dienstnehmers (WBl 1987, 281; ecolex 1991, 324). Der Angestellte, der zum Träger fremder betrieblicher oder geschäftlicher Interessen geworden ist, ist verpflichtet, diese Interessen seines Arbeitgebers wahrzunehmen und alles zu unterlassen, was diese Interessen zu gefährden geeignet ist (RdW 1992, 249; 9 ObA 20/97z).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist sie schon allein aufgrund der Tatsache, daß sie als Vertriebsberaterin allein den Raum Österreich zu bearbeiten hatte, und - wie das Beweisverfahren ergeben hat - dort Großkunden betreute, sowie in Anbetracht des weit überdurchschnittlichen Einkommens als Angestellte in gehobener Stellung zu betrachten. Darauf, ob sie leitende Angestellte im technischen Sinne war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil ungeachtet dieser Tatsache die Klägerin ihren Dienstgeber gegenüber einem großen, wirtschaftlich bedeutenden Kundenkreis repräsentierte. Das Ansehen und die geschäftliche Akzeptanz des Dienstgebers hing daher in weiten Bereichen vom Auftreten und Verhalten der Klägerin ab. Der der Bedeutung der Position der Klägerin Rechnung tragenden überdurchschnittlichen Entlohnung standen daher als Äquaivalent erhöhte Anforderungen an die Einsatzfreude und Loyalität der Klägerin gegenüber, welche sie deutlich von mit bloß untergeordneten Tätigkeiten betrauten Dienstnehmern abhob.

Die Klägerin war sich ihrer besonderen Bedeutung im Verhältnis der Kunden zum Dienstgeber offenkundig auch voll bewußt, da sie es anderenfalls wohl nicht für erforderlich gehalten hätte, sich von 50 Kunden brieflich zu verabschieden. Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, mag vordergründiges Motiv für die Abfassung des Schreibens der Gedanke der Klägerin gewesen sein, die Beendigung des Dienstverhältnisses als nicht von ihr verschuldet darzustellen. Allerdings schoß sie durch die bereits von den Vorinstanzen hervorgehobenen Passagen des Schreibens weit über dieses Ziel hinaus, weil sie - ohne daß dies sachlich begründet gewesen wäre - den Eindruck vermittelte, die Beklagte erfülle gesetzlich zustehende Lohnansprüche nicht, ahnde deren Einforderung mit Kündigung und es herrsche zudem ein für die Klägerin enttäuschendes Betriebsklima. Damit trug die Klägerin aber ohne Notwendigkeit Firmenintera, welche ungeachtet ihres Wahrheitsgehaltes jedenfalls geeignet waren, den geschäftlichen Ruf der Beklagten zu schädigen, nach außen. Wenn die Klägerin eine derartige Herabsetzung ihres Dienstgebers bei wesentlichen Kunden auch nicht geradezu beabsichtigt haben sollte, hätte ihr die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens bei Anwendung der von ihr zu fordernden Sorgfalt bewußt werden müssen. Diese somit gegebene fahrlässige Begehungsform reicht aber nach ständiger Rechtsprechung für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit aus (WBl 1990, 313; SZ 62/214 = ZAS 1991/10 [Resch], RdW 1992, 249 ua). In Anbetracht der bereits beschriebenen besonderen Stellung der Klägerin vermag auch ihr früheres tadelloses Verhalten ihre nunmehrige Pflichtwidrigkeit schon deshalb weder zu mildern noch zu entschuldigen, weil nach dem hier anzulegenden strengen Maßstab ein über bloß unbedachte Äußerungen hinausgehender auf nachhaltige Wirkungen ausgerichteter Loyalitätsbruch vorliegt.

Insoweit die Revisionswerberin die Rechtzeitigkeit des Ausspruches der Entlassung bezweifelt, ist ihr entgegenzuhalten, daß das Erstgericht den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Beklagten vom Entlassungsgrund nicht feststellen konnte. Dies geht aber - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - zu Lasten der Klägerin (9 ObA 20/97z). Insoweit die Klägerin rügt, daß in den Prozeß der Entscheidungsfindung über die Entlassung die deutsche Schwesterfirma der Beklagten eingebunden war, übersieht sie die Feststellung des Erstgerichtes (AS 135), daß deren Geschäftsführer befugt und berechtigt war, Entlassungen von Mitarbeitern der Beklagten vorzunehmen. Der Grundsatz, daß Entlassungsgründe unverzüglich geltend zu machen sind, darf nicht überspannt werden. Ob eine Entlassung rechtzeitig ausgesprochen wurde oder nicht, kann vielmehr nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles richtig beurteilt werden. Es muß dabei den Erfordernissen des Wirtschaftslebens, den Betriebsverhältnissen und insbesondere der Organisationsform des Unternehmens Rechnung getragen werden (RdW 1988, 52; 9 ObA 137/89; 9 ObA 20/97z). Die Klägerin, der die Organisationsform des Unternehmens bekannt war und die zudem wußte, daß der Beklagten der Entlassungsgrund nur durch Informationen dritter Personen bekannt werden konnte, hatte daher keinerlei Anhaltspunkt, aus dem Verhalten des Dienstgebers auf einen Verzicht auf das Entlassungsrecht zu schließen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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