OGH 8ObA268/01x

OGH8ObA268/01x16.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch ua, Rechtsanwälte in Voitsberg, wider die beklagte Partei Martin A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Riesemann, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 26.641,38 brutto sA (Revisionsinteresse der klagenden Partei EUR 18.940,28 brutto sA; der beklagten Partei EUR 3.459,21 sA), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Juli 2001, GZ 7 Ra 133/01k-53, mit dem infolge Berufung beider Teile das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. August 2000, GZ 34 Cga 102/97a-43, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 801,47 (darin EUR 133,58 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war im Angestelltenverhältnis für das Service und die Instandsetzung aller technischen Anlagen der beklagten Partei, die eine Großbäckerei betreibt und ausschließlich in den Nachtstunden produziert, verantwortlich. Der Beginn seiner Normalarbeitszeit war wunschgemäß zwischen 7 und 8 Uhr früh festgelegt worden. Nachdem der Kläger bereits mehrfach wegen Pflichtverletzungen verwarnt und ihm die Entlassung angedroht worden war, wurde er von der beklagten Partei wegen eines Vorfalls am 8. 4. 1997 entlassen. Ein Ofen, mit dem Semmeln produziert wurden, arbeitete ungleichmäßig, wodurch teilweise wesentlich zu dunkle Semmeln erzeugt wurden. Der Kläger konnte vorerst keinen Fehler finden und meinte, dass ein Bedienungsfehler vorliege. Er sollte sich hierauf gemeinsam mit dem Arbeiter, der den Ofen bediente, den Backvorgang ansehen; dies konnte jedoch nur zu einem Zeitpunkt, in dem die Semmelproduktion auf Hochtouren läuft - das war während der Nachtzeit - geschehen und sodann der Ofen entsprechend eingestellt werden. Dem Kläger, der behauptete, über kein Fahrzeug zu verfügen, wurde die Beistellung eines Firmenautos zugesagt. Es wurde auch erörtert, dass er nach der Fertigstellung der Einstellungsarbeiten in der Früh wieder nach Hause fahren könne, um seine Arbeit erst später wieder anzutreten. Der Kläger sagte jedoch, dass er das nicht wünsche und die restlichen Stunden am 9. 4. "Durcharbeiten" wolle. Am Nachmittag des 8. 4. 1997 wurde ihm vom Büro der beklagten Partei mitgeteilt, dass er den Firmenbus verwenden könne. Obwohl der Firmenbus, mit dem der Kläger auch schon öfters gefahren war, eigens für ihn nochmals gereinigt worden war, erklärte er, dass ihm der Bus zu schmutzig sei und er nicht damit fahre und deshalb auch in der Nacht nicht zur Arbeit komme. Am Abend teilte die für das Personalwesen zuständige Angestellte der beklagten Partei der Gattin des Klägers telefonisch mit, dass dieser bei Nichterscheinen in der Nacht entlassen werden würde. Als der Kläger am nächsten Tag in der Früh zur Arbeit erschien, wurde er entlassen. Die beklagte Partei beauftragte hierauf ein Unternehmen mit der Überprüfung des Ofens, die am 11. 4. 1997 durchgeführt wurde. Dabei wurde ein Defekt der leicht zugänglichen Abgasbremse festgestellt. Bei einer einigermaßen gewissenhaften Prüfung und Bereitschaft des Klägers hiezu hätte er innerhalb einiger Minuten die Bremse prüfen und deren Defekt feststellen können. Am Tag des streitgegenständlichen Vorfalls wurden 32.440 Semmel produziert, wovon wegen des ungleichen Backvorganges rund 10.000 Stück Gebäck als Schweinefutter entsorgt werden mussten. Für die beklagte Partei entstand ein erheblicher finanzieller Verlust.

Das Berufungsgericht erachtete die Entlassung des Klägers für berechtigt, weil er unbegründet einer gerechtfertigten Überstundenanordnung, deren Befolgung er noch dazu zugesagt habe, nicht nachgekommen sei. Die Ruhezeitenregelung des § 12 AZG sei gemäß § 20 Abs 1 lit b AZG in außergewöhnlichen Fällen nicht anzuwenden, also etwa bei Arbeiten, die zur Behebung einer Betriebsstörung erforderlich seien. Der Kläger habe den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit sowie der beharrlichen Dienstverweigerung iSd § 27 Z 1 dritter Tatbestand und Z 4 zweiter Tatbestand AngG verwirklicht, weshalb seine entlassungsabhängigen Ansprüche zu verneinen seien. Es sprach ihm jedoch S 105.969,39 brutto sA als entlassungsunabhängige aliqote Sonderzahlungsansprüche, eine Urlaubsentschädigung für 30 Werktage betreffend das Vorjahr und eine aliquote Urlaubsabfindung für das laufende Jahr zu.

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Der Revision des Klägers, der die Abänderung im vollklagsstattgebenden Sinn mit der Behauptung begehrt, die Voraussetzungen des § 20 Abs 1 lit b AZG seien mangels "Betriebsnotstandes" nicht vorgelegen - die Tagesproduktion hätte auch auf andere Weise (wenn mit den beiden anderen Öfen öfters gebacken und somit länger produziert worden wäre) erbracht werden können; die Reparatur sei offensichtlich nicht dringend gewesen, weil sie von einer Fremdfirma erst am 11. 4. 1997 durchgeführt worden sei -, sodass seine Entlassung nicht gerechtfertigt sei, ist zu erwidern:

Der Kläger war gerade deshalb von der beklagten Partei als Betriebstechniker angestellt worden, um jederzeit bei allfälligen Störungen jemanden für die Reparatur an der Hand zu haben, weil in den Nachtstunden, in denen die beklagte Partei ausschließlich produziert, fremde Fachkräfte nicht verfügbar sind. Nach den getroffenen Feststellungen kann der Ausfall einer Maschine oder eines Backofens ohne unverzügliche Mängelbehebung für die beklagte Partei einen dramatischen finanziellen Verlust und auch eine Imageeinbuße, die bis zu einem Verlust von Großkunden führen kann, verursachen. Dass es der beklagten Partei erst drei Tage später gelungen war, eine Fremdfirma für die Reparatur zu finden, sagt nichts darüber aus, dass die Arbeit nicht dringlich gewesen wäre. Es lag unzweifelhaft - und für den schon jahrelang bei der beklagten Partei beschäftigten Kläger leicht erkennbar - eine unaufschiebbare Arbeit zur Behebung einer Betriebsstörung, die mit erheblichen Schaden verbunden sein konnte, vor, die durch andere zumutbare Maßnahmen nicht behoben werden konnte, somit ein Betriebsnotstand (dazu Arb 10.449; 10.725 uva; zuletzt 8 Ob 124/99i) vor: Da eine ordnungsgemäße Einstellung nur möglich ist, wenn die Semmelproduktion auf Hochtouren läuft, lässt die grundlose Weigerung des Beklagten, das zur Verfügung gestellte Firmenauto zu benützen und vereinbarungsgemäß zur Reparatur zu Beginn der Nachtschicht zu erscheinen, seine Entlassung gerechtfertigt erscheinen.

2. Die beklagte Partei wendet sich in ihrer Revision gegen den Zuspruch von S 48.012,57 brutto sA (betreffend den Zuspruch der Urlaubsentschädigung für das der Entlassung vorangegangene Jahr) mit der Begründung, der Kläger habe hiezu ein unvollständiges Sachvorbringen erstattet. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, zumindest ansatzweise vorzubringen, dass hier nicht Urlaubsentschädigung, sondern vielmehr Abgeltung für nicht verbrauchten Urlaub aus einem bereits abgeschlossenen Urlaubsjahr begehrt werde, und habe nicht einmal klargestellt, für welches vergangene Urlaubsjahr diese begehrt werde.

Dem ist zu erwidern, dass auf den vorliegenden Fall noch die Fassung des UrlG vor dem ARÄG 2000, das erst mit Jahresbeginn 2001 in Kraft trat, Anwendung findet. Damit ist auch noch nicht von einer Ersatzleistung als Abgeltung für nicht verbrauchten Urlaub (§ 10 UrlG idF ARÄG 2000), sondern von einer Urlaubsentschädigung nach § 9 UrlG und einer Urlaubsabfindung nach § 10 UrlG zu sprechen, wobei eine unrichtige Bezeichnung nicht schaden würde. Der Kläger hat im Übrigen den hier noch strittigen Anspruch betreffend nicht verbrauchten Urlaub für das Vorjahr ohnedies völlig richtig als Urlaubsentschädigung bezeichnet (vgl Arb 10.695 ua). Die sich aus den im § 9 Abs 1 UrlG genannten Voraussetzungen ergebenden Einschränkungen hinsichtlich der Beendigungsform gelten nur für die Urlaubsentschädigung für das letzte Arbeitsjahr. Weiter zurückliegende nicht verbrauchte Urlaube sind - wie im Übrigen auch nach neuen Recht (§ 10 Abs 3 idF ARÄG 2000) - jedenfalls in Form der Urlaubsentschädigung abzugelten, und zwar ohne Rücksicht darauf, auf welche Art und Weise das Arbeitsverhältnis gelöst worden ist. Da der Anspruch auf Urlaubsentschädigung kein Schadenersatz -, sondern ein Erfüllungsanspruch ist, gebührt die Urlaubsentschädigung grundsätzlich auch unabhängig von einem allfälligen Anspruch auf Kündigungsentschädigung (Cerny Urlaubsrecht7 187 f; Kuderna UrlG2 Rz 11 zu § 9; Arb 10.177).

Dass es sich bei den strittigen Tagen um den Urlaub aus dem der Entlassung vorangegangenen Urlaubsjahr handeln muss, ergibt sich schon daraus, dass mit jedem Urlaubsverbrauch zunächst der älteste offene Urlaub aufgebraucht wird, sodass es keines zusätzlichen Sachvorbringens des Klägers bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Den Parteien waren die Kosten ihrer jeweils erfolgreichen Revisionsbeantwortungen zuzusprechen, woraus sich infolge der unterschiedlichen Streitwerte der der beklagten Partei zugesprochene Betrag ergibt.

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