Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich des mangels Anfechtung unberührt bleibenden und des bestätigenden Teiles insgesamt lautet:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreters S 41.111,30 brutto zuzüglich S 2.800,-- netto samt 4 % Zinsen seit 9. 2. 1994 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen weiteren Betrag von S 97.095,75 brutto samt 4 % Zinsen seit 9. 2. 1994 zu bezahlen, wird abgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.866,67 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen; hingegen ist die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei deren Barauslagen von S 1.988,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.280,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen; hingegen ist die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.100,80 bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schließlich schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.043,20 (darin S 527,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen; hingegen ist die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.655,-- bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war beim Beklagten als "Barmaid" vom 21. 10. 1990 bis 21. 8. 1993 tätig. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden; sie war als Serviererin mit Inkasso ohne Lehrzeit beschäftigt.
Auf ausdrücklichen und während der Beschäftigungszeit mehrfach wiederholten Wunsch der Klägerin vereinbarten die Streitteile, daß sie nicht monatlich nach dem Kollektivvertrag, sondern weiterhin - wie beim Rechtsvorgänger des Beklagten - täglich entlohnt werden sollte. Sie vereinbarten, daß die Klägerin von dem von ihr täglich erzielten Bruttoumsatz 10 % netto erhält, wobei mit diesem täglich auszubezahlenden Lohn auch die Sonderzahlungen und das Urlaubsentgelt abgegolten wurden; zusätzlich beglich der Beklagte die anfallende Sozialversicherung und Lohnsteuer zur Gänze.
Die Verdienste der Klägerin erreichten während des gesamten Zeitraums ihrer Beschäftigung aufgrund der täglichen Akontierung von 10 % des von ihr verdienten Bruttoumsatzes zumindest jene Betragssumme, welche bei einer kollektivvertraglichen Abrechnung der Klägerin unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen und Entgeltfortzahlung während des Urlaubs auszuzahlen gewesen wäre, teilweise überstiegen sie diese. Dies betrifft sowohl eine Abrechnung der Klägerin nach dem kollektivvertraglichen Mindestlohn für Serviererinnen mit Inkasso zuzüglich Sonderzahlung und Urlaubsentgelt, als auch eine Abrechnung nach 10,5 % Bedienungsgeld nach P 7b und c des KV zuzüglich Sonderzahlungen und Urlaubsentgelt (hinsichtlich der detaillierten Beträge, die die Klägerin erhielt und der Bezahlung nach den beiden Varianten des KV siehe S 9 bis 10 des Berufungsurteils).
Die Klägerin begehrte insgesamt S 138.207,05 brutto sA und S 2.800,-- netto sA.
Das Erstgericht sprach der Klägerin unbekämpft S 20.044,-- brutto sA und S 2.800,-- netto sA zu; das Mehrbegehren von S 118.163,05 brutto sA wie es ab.
Diese Abweisung bekämpfte die Klägerin im Umfang von S 116.687,55 brutto sA; die Abweisung von S 1.475,50 brutto sA ließ sie in Rechtskraft erwachsen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, erklärte aber die Revision im Hinblick auf die von der Klägerin in ihrer Berufung aufgezeigten Bedenken gegen die getroffene Vereinbarung für zulässig.
Die Klägerin ließ die Abweisung von S 35.028,-- (rechnerisch richtig S 35.100,--) unangefochten und bekämpft im Revisionsverfahren nur mehr die Abweisung ihres Klagebegehrens im Umfang von S 81.587,55 brutto sA; sie begehrt weitere S 60.520,25 Jahresremuneration und S 21.067,30 brutto sA Urlaubsentgelt für die Jahre 1991 bis 1993.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob die auf Wunsch der Klägerin getroffene, vom Kollektivvertrag abweichende Entgeltvereinbarung bezüglich der Jahresremuneration und des Urlaubsentgelts zulässig war, oder ob der Klägerin noch - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - die der Höhe nach unstrittigen Beträge von S 60.520,25 brutto sA an Jahresremuneration und von S 21.067,30 sA an Urlaubsgeld, jeweils für die Jahre 1991 bis 1993, insgesamt also weitere S 81.587,55 brutto sA zustehen.
Die Revision geht mit dem Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß gemäß § 3 Abs 1 ArbVG Sondervereinbarungen, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig sind, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind. Das Günstigkeitsprinzip kann auch bei Verzicht auf unabdingbare Ansprüche durchgreifen und ermöglicht eine sinnvolle Vertragsgestaltung. Bei der praktischen Anwendung des Günstigkeitsprinzips ist grundsätzlich auf den Einzelfall des betroffenen Arbeitnehmers abzustellen; die Wertung richtet sich aber nicht nach der subjektiven Einschätzung des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers, sondern nach objektiven Kriterien. Demnach können bei der Prüfung der Günstigkeit nicht einzelne Bestimmungen isoliert betrachtet, sondern nur sachlich und rechtlich zusammenhängende Bestimmungen miteinander verglichen werden. Hiebei sind auch sozialpolitische Zwecke zu berücksichtigen; Kompensationen, die konkreten sozialpolitischen Zwecken der Mindestnorm widersprechen, sind unzulässig, wie etwa eine Kompensation der kollektivvertraglich geregelten Haushalts- und Kinderzulage mit den im Einzelvertrag vereinbarten Provisionen (ZAS 1989, 87); insofern deckt sich die Revision mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (für alle Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht6 69 ff; Cerny/Haas-Laßnigg/B Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht II, 48 f jeweils mwN; sowie Firlei, Das Problem der Objektivierung des Günstigkeitsvergleichs im österreichischen und deutschen Arbeitsverfassungsrecht, DRdA 1981, 1 [6 ff]).
Die Revision zieht aus dem Gesagten im konkreten Fall den Schluß, daß eine Kompensation der kollektivrechtlich normierten Jahresremuneration und des Urlaubsentgelts mit der im Einzelvertrag vereinbarten Umsatzbeteiligung wegen deren sozialpolitischem Zweck unzulässig sei: Die Jahresremuneration trüge vor allem dem Interesse des Dienstnehmers an einer zusätzlichen Versorgung für den Urlaub und Weihnachten Rechnung. Die getroffene Regelung sei für die Klägerin nicht "sinnvoll"; durch die von ihr gewünschte tägliche Auszahlung verstecke sie sich in der laufenden Zahlung und werde typischerweise laufend verbraucht. Dies gelte erst Recht für das Urlaubsentgelt. Die gemäß § 12 UrlG zwingende Regelung des § 6 UrlG solle sicherstellen, daß der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub auch tatsächlich konsumiere. Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt abgegolten werden solle, verstoße gegen den Zweck der am Ausfallsprinzip orientierten Regelung des § 6 UrlG, weil der Arbeitnehmer während des Urlaubs das laufende Entgelt nicht weiter beziehe und damit durch die Inanspruchnahme des ihm gebührenden Urlaubs einen wirtschaftlichen Nachteil erleide, der ihn vom Verbrauch des Urlaubs abhalten könne, weil er dadurch während des Urlaubs einen "radikalen Einkommensabfall" hinnehmen müßte.
Diese Argumentation ist nur teilweise, nämlich hinsichtlich des Urlaubsentgelts berechtigt. Eine solche Kompensation widerspricht tatsächlich den sozialpolitischen Zielen des Urlaubs. Die gemäß § 12 UrlG zwingende Regelung des Urlaubsentgelts in § 6 UrlG soll sicherstellen, daß der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub auch tatsächlich konsumiert. Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einer erhöhten laufenden Zahlung (oder auch mit einem Zuschlag zu diesem Entgelt) abgegolten werden soll, verstößt gegen den Zweck der am Ausfallsprinzip orientierten Regelung des § 6 UrlG, weil der Arbeitnehmer während des Urlaubs das laufende Entgelt nicht weiter bezieht und damit durch die Inanspruchnahme des ihm gebührenden Urlaubs einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, der ihn vom Verbrauch des Urlaubs abhalten könnte und ist daher unwirksam (9 ObA 172/93 = SZ 66/116 = WBl 1994, 127; 9 ObA 24/99s; Cerny, Urlaubsrecht7, 159; Kuderna, Urlaubsrecht2, 196). Der Klägerin steht daher das der Höhe nach unstrittige Urlaubsentgelt für die Jahre 1991 bis 1993 noch zu; im Umfang dieses Zuspruchs ist das angefochtene Urteil abzuändern.
Hingegen ist die Einbeziehung der aliquoten Sonderzahlungsanteile in die laufende Entlohnung zulässig, so hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 121/95 = SZ 68/124 die Einbeziehung der aliquoten Anteile der Sonderzahlungen in das laufende Entgelt (dort Wochenpauschale) für zulässig erklärt; durch eine solche Vereinbarung wird lediglich die Fälligkeit der Sonderzahlungen gegenüber der kollektivvertraglichen Regelung vorverlegt; eine solche Regelung ist für den Arbeitnehmer eher günstig (DRdA 1989/18 [Csebrenyak]) und kann durch Einzelvertrag gemäß § 3 Abs 1 ArbVG zulässig vereinbart werden. Hinsichtlich der begehrten Jahresremunerationen hat es daher bei der Abweisung des Klagebegehrens zu verbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.
Die Klägerin ist in erster Instanz mit rund einem Drittel, im Berufungsverfahren mit rund einem Fünftel und im Revisionsverfahren mit rund einem Viertel durchgedrungen; sie hat daher dem Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren ein Drittel und für das Berufungsverfahren drei Fünftel der Pauschalgebühren nach dem AufwandersatzG zu ersetzen. Für das Revisionsverfahren hat sie ihm die Hälfte seiner tarifmäßig verzeichneten Vertretungskosten zu zahlen. Für die in § 43 Abs 1 dritter Satz ZPO genannten Barauslagen (Pauschalgebühr für alle Instanzen) hat jedoch der Beklagte der Klägerin im Ausmaß ihres Obsiegens, jedoch unter Abzug seiner eigenen anteilsmäßigen Barauslagen (S 238,67 im erstinstanzlichen und S 27,20 im zweitinstanzlichen Verfahren), Ersatz zu leisten. Über die nach den gleichen Grundsätzen zu behandelnde Gebühr des Sachverständigen Dkfm. Josef Böck kann im Rahmen dieser Kostenentscheidung nicht erkannt werden, weil diese vom Erstgericht bisher noch nicht bestimmt wurde, obwohl bereits am 9. und 15. 4. 1996 von beiden Parteien Kostenvorschüsse von je S 30.000,-- erlegt wurden; die Gebührennote des Sachverständigen über S 108.188,-- ist am 12. 7. 1996 eingelangt und dessen Tätigkeit war spätestens mit der Tagsatzung vom 28. 4. 1997 beendet.
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