Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß das Urteil unter Einbeziehung des bestätigten und des mangels Anfechtung unberührt gebliebenen Teiles insgesamt lautet:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 101.253,98 brutto samt 4 % Zinsen seit 26.9.1993 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere S 16.766,33 brutto samt 4 % Zinsen seit 26.September 1993 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.172,-- bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (ausschließlich Barauslagen) sowie der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien deren mit S 5.736,-- bestimmten Aufwand im Verfahren 1. und 2. Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.217,66 (darin S 202,49 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, jedoch abzüglich ihrer mit S 1.158,50 bestimmten und von der klagenden Partei zu ersetzenden Barauslagen (anteilige Pauschalgebühr), somit insgesamt S 59,16 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei, einem Beförderungsunternehmen, als Kraftfahrer beschäftigt. Er begann sein Dienstverhältnis am 5.9.1990. Der vereinbarte Stundenlohn betrug zuletzt S 65,-- brutto; die vereinbarte Sonderzahlung betrug S 12.000,-- brutto jährlich. In den letzten drei Jahren vor Klagseinbringung (seit 1.5.1991) leistete der Kläger 841,5 Überstunden. Er war seit 12.7.1993 im Krankenstand und erhielt knapp nach dem 6.9.1993, zu einer Zeit, in der er sich noch im Krankenstand befand, eine "Bestätigung", in der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 31.8.1993 angeführt war.
Der Kläger begehrte nach Ausdehnung des Klagebegehrens die Bezahlung eines Gesamtbetrages von S 118.020,31 brutto sA, bestehend aus der Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 1. bis 26.9.1993 von S 16.592,33 brutto, dem Urlaubszuschuß für 1993 von S 12.000,-- brutto, der Weihnachtsremunaration für 1993 von S 9.000,-- brutto, den Überstundenzuschlägen für 841,5 Überstunden von S 27.348,75 brutto, der Abfertigung von S 39.555,-- brutto und der restlichen Urlaubsentschädigung von S 13.524,23 brutto.
Die beklagte Partei beantragte die gänzliche Klagsabweisung.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 98.427,98 brutto sA zu und wies ein Mehrbegehren von S 19.592,33 brutto sA ab.
Infolge Berufung beider Teile änderte das Berufungsgericht die Entscheidung dahingehend ab, daß es dem Kläger weitere S 17.320,56 brutto sA zusprach.
Das Berufungsurteil bekämpft nur mehr die beklagte Partei und zwar lediglich hinsichtlich eines Zuspruchs von S 41.669,91 brutto sA (S 27.348,75 brutto sA betrifft den 50 %igen Überstundenzuschlag, beruhend auf 841,5 geleisteten Überstunden, und S 14.320,56 brutto sA betrifft den Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 5.9. bis 26.9.1993) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, es dahingehend abzuändern, daß dieser Teilbetrag abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise, und zwar hinsichtlich S 14.320,56 brutto sA im Sinn der Abänderung im klagsabweisenden Sinn berechtigt; im übrigen (hinsichtlich S 27.348,75 brutto sA) kommt der Revision der beklagten Partei keine Berechtigung zu.
1. Zum Entgeltfortzahlungsanspruch:
Der Kläger erhielt erst knapp nach dem 6.9.1993 eine "Bestätigung", in der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 31.8.1993 angeführt war, hieraus ergibt sich, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erst nach Beginn des neuen Arbeitsjahres am 5.9.1993 wirksam geworden ist.
Da der Kläger mehr als 14 Tage, aber weniger als fünf Jahre bei der beklagten Partei beschäftigt war, hatte er gemäß § 2 Abs 1 EFZG im Krankheitsfall einen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts auf die Dauer von vier Wochen. Dieser Anspruch bleibt gemäß § 5 EFZG auf die vorgesehene Dauer auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer während seiner Krankheit gekündigt wurde, auch wenn das Arbeitsverhältnis früher endet.
Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, was rechtens sein soll, wenn ein durchlaufender Krankenstand vorliegt, der über das Arbeitsjahr hinaus andauert, die Entgeltfortzahlungspflicht infolge Ausschöpfung der Frist nach § 2 Abs 1 EFZG aber bereits vor Beginn des neuen Arbeitsjahres erschöpft war; oberstgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Problem kann nicht aufgefunden werden.
Das EFZG enthält in § 2 Abs 4 nur eine Regelung für den Fall wiederholter Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder Unglücksfalles innerhalb eines Arbeitsjahres. Danach besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insofern, als die Dauer des nach § 2 Abs 1 EFZG berechneten Anspruches noch nicht erschöpft ist. Für Arbeitsverhinderungen infolge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit besteht nach § 2 Abs 5 EFZG eine Sonderregelung, die nicht auf das Arbeitsjahr, sondern auf den jeweiligen Arbeitsunfall abstellt.
Hieraus hat der Oberste Gerichtshof in Arb 9475, jeweils unter Vergleich mit der abweichenden Regelung im Krankheitsfall nach Abs 4 dieser Bestimmung, geschlossen, daß der Beginn eines neuen Arbeitsjahres im Falle der Arbeitsverhinderung infolge eines Arbeitsunfalles keinen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung begründet (näheres siehe dort). In der Entscheidung Arb 10.077 hatte sich der Oberste Gerichtshof mit einem mit dem vorliegenden mittelbar zusammenhängenden Problem zu befassen und kam dort unter Hinweis auf die vergleichbare Regelung des § 2 EFZG zum Ergebnis, daß einem Angestellten nach § 8 AngG der längere Entgeltausspruch auch dann zustehe, wenn erst während der Dauer der (Wieder)Erkrankung das Dienstverhältnis den hiefür maßgeblichen Zeitraum übersteige, weil nicht einzusehen wäre, daß Dienstnehmer, welche die längere Dienstzeit unmittelbar vor dem Eintritt der Erkrankung erfüllt haben, besser gestellt sein sollen als jene, bei denen dies erst während des (vielleicht sogar kürzeren) Krankenstandes eintrete.
Ausdrücklich mit dem vorliegenden Problem befaßt sich P 3 der Auslegungsempfehlung Zl 5-4356 vom 29.7.1974, ARD 2664/1, (zustimmend zitiert in Scherff, Hb der Entgeltfortzahlung 42 und 64): Da - abgesehen von der Sonderregelung für Arbeitsunfälle nach § 2 Abs 5 EFZG - der Entgeltfortzahlungsanspruch auf das Arbeitsjahr abstelle, was sich insbesondere aus § 2 Abs 4 EFZG ergäbe, sei daraus abzuleiten, daß dann, wenn eine ununterbrochene krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung von einem Arbeitsjahr in das nächste hineinreiche, mit Beginn des nächsten Arbeitsjahres ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe (so auch Cerny, EntgeltfortzahlungsG, § 2 Erl 13).
Dieser Auslegung kann für den Fall, daß der Entgeltfortzahlungsanspruch - wie hier - vor Beginn des neuen Arbeitsjahres geendet hat nicht beigetreten werden.
Sofern sich der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht zulässigerweise gemäß § 2 Abs 8 EFZG nach dem Kalenderjahr richtet, richtet er sich nach dem Arbeitsjahr. Dem Arbeitnehmer steht pro Arbeitsjahr ein nach § 2 Abs 1 EFZG zu bestimmender Entgeltfortzahlungsanspruch zu. Dieser Anspruch entsteht mit dem Beginn jedes Arbeitsjahres neu.
Voraussetzung ist allerdings, daß zu diesem Zeitpunkt noch ein Entgeltanspruch besteht. Ist der Entgeltfortzahlungsanspruch bereits im alten Arbeitsjahr zur Gänze (hier am 7.8.1993) verbraucht worden und im neuen Arbeitsjahr (noch) kein neuer Entgeltanspruch entstanden, weil sich der Arbeitnehmer noch immer in einem fortdauernden Krankenstand befindet, entsteht nicht mit Beginn des neuen Arbeitsjahres automatisch ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch, sondern erst dann, wenn dem Arbeitnehmer infolge Wiederaufnahme der Arbeit ein neuer Entgeltanspruch zusteht. Dies ergibt sich sowohl aus dem Begriff "Entgeltfortzahlung" als auch aus dem Wort "behält" in § 2 Abs 1 EFZG und aus der Wortfolge "bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen" in § 5 EFZG. § 8 Abs 2 AngG spricht ebenfalls für diese Auslegung, da nicht anzunehmen ist, daß der Angstellte, der im übrigen hinsichtlich der Entgeltfortzahlung insgesamt günstiger als andere Arbeitnehmer gestellt ist, gerade in dem hier strittigen Punkt ungünstiger gestellt sein sollte ("tritt innerhalb eines halben Jahres nach Wiederantritt des Dienstes .......").
Auch aus der Novellierung des Urlaubsgesetzes kann nichts gegenteiliges geschlossen werden. Dort wurde zwar durch die Novelle BGBl 1995/382 in § 2 Abs 2 UrlG dahingehend - die oberstgerichtliche Rechtsprechung insofern "korrigierend" - ausdrücklich festgelegt, daß der Urlaubsanspruch durch Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgelt besteht, nicht verkürzt wird, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird; obwohl die Problematik der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durchaus vergleichbar ist, hat es der Gesetzgeber unterlassen, aus diesem Anlaß auch das EFZG und das AngG in diesem Sinn anzupassen. Es kann nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofes sein, derartige Versäumnisse - dem Wortlaut (Entgeltfortzahlung) widersprechend - durch Interpretation zu schließen, zumal keinesfalls eindeutig ist, daß der Gesetzgeber anläßlich der Novellierung des UrlG eine Novellierung des EFZG bloß übersehen und es sich nicht um eine bewußte Unterlassung gehandelt hat.
Hieraus ergibt sich, daß das Berufungsurteil insoweit abzuändern ist, als dem Kläger für die Zeit vom 5.9. bis 26.9.1993 kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zuzubilligen ist.
2. Zum Überstundenzuschlag:
Diesbezüglich genügt es, auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Revisionsausführungen zu erwidern:
Die Normalarbeitszeit beträgt gemäß § 3 Abs 1 AZG 40 Stunden pro Woche. Überstundenarbeiten, die gemäß § 10 Abs 1 AZG mit einem 50 %igen Zuschlag zu entlohnen sind, liegen gemäß § 6 Abs 1 lit a AZG vor, wenn die Grenzen der in §§ 3 oder 5 AZG zugelassenen Wochenarbeitszeit überschritten sind. Da die beklagte Partei lediglich behauptet, für sie gelte kein Kollektivvertrag und sie habe innerbetrieblich eine 60 Wochenstundenarbeitszeit angeordnet, jedoch nicht vorgebracht oder unter Beweis gestellt hat, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verlängerung der Normalwochenarbeitszeit auf 60 Stunden gemäß §§ 5, 5a AZG vorliegen, weil es sich um eine Tätigkeit des Klägers handle, bei der im erheblichen oder überwiegenden Ausmaß (§§ 5, 5a AZG) Zeiten der Arbeitsbereitschaft anfallen, noch, daß die §§ 13 ff AZG betreffend die Sonderbestimmungen für Lenker von Kraftfahrzeugen Anwendung fänden und danach eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 60 Stunden zulässig wäre, die keine Verpflichtung zur Zahlung eines Überstundenzuschlages auslöse (was sich im übrigen auch aus dem Gesetz nicht ergibt), ist die Revision hinsichtlich des dem Kläger zugesprochenen 50 %igen Überstundenzuschlages in der Gesamthöhe von S 27.348,75 brutto, beruhend auf 841,5 geleisteten Überstunden, die sich aus der Lohnabrechnung der beklagten Partei ergeben, nicht berechtigt: Eine "innerbetriebliche Anordnung" einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden macht eine solche Arbeitszeit nicht zur zuschlagsfreien Normalarbeitszeit (vgl Cerny AZR**2 42 ff, 67 ff, 115; Grillberger AZG 38 ff, 58 ff).
Die Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO und § 58a ASGG. Die klagende Partei ist im Endergebnis mit rund 15 % (im ausschließlich aus der Klage bestehenden 1. Verfahrensabschnitt mit rund 20 %) unterlegen. Die beklagte Partei hat daher deren Interessensvertretung gemäß § 1 des Aufwandersatzgesetzes BGBl 1993/28 pauschalierten Aufwandersatz zu leisten, und zwar im Ausmaß von 60 % für die Klage und von 70 % für das weitere Verfahren einschließlich des Berufungsverfahrens, in dem aber der Pauschalbetrag nur einmal zusteht (vgl Kuderna ASGG**2 S 370), nicht aber - wie vom Berufungsgericht der Verzeichnung folgend fälschlich angenommen wurde - sowohl für die Berufung als auch für die Berufungsbeantwortung. Außerdem hat die beklagte Partei ihrem Gegner die verzeichneten Gerichtsgebühren (Pauschalgebühr) im Ausmaß des Obsiegens zu ersetzen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die beklagte Partei ist nur mit rund 35 % ihres Revisionsbegehrens durchgedrungen und hat deshalb der klagenden Partei 30 % der Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, doch steht ihr gemäß § 43 Abs 1 3.Satz ZPO der Ersatz der von ihr getragenen Pauschalgebühr im Ausmaß ihres eigenen Obsiegens zu.
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