European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:E42272
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 32.224,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 5.370,75 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger waren bei der beklagten Partei zwischen September 1991 und September 1993 (überwiegend) in der Nachtschicht tätig. Im September 1993 wurde diese Nachtschicht eingestellt, sodaß die Kläger gegenüber ihrer Weiterverwendung im Zweischichtbetrieb Lohnnachteile (Entfall von Zulagen und Prämien nach dem Kollektivvertrag) erlitten. Versetzungen der Kläger hat der (zuständige) Betriebsrat nicht (im vorhinein) zugestimmt.
Am 28.Oktober 1993 wurde zwischen der beklagten Partei und dem Betriebsausschuß (Angestellten‑ und Arbeiterbetriebsrat) eine Betriebsver- einbarung aus Anlaß von Kündigungen im Zusammenhang mit Betriebsänderungen (Rationalisierungs- maßnahmen) geschlossen, in der auf versetzungsabhängige Ansprüche der Kläger nicht Bedacht genommen wurde.
Das Berufungsgericht hat zutreffend die Zahlungspflicht der beklagten Partei aus der entgelt- verschlechternden dauernden, sich als Versetzung darstellenden Änderung des Arbeitsverhältnisses der Kläger, der der Betriebsrat nicht zugestimmt hat, bejaht (§ 101 ArbVG) und Forderungen der beklagten Partei gegenüber den Klägern infolge "treuwidrigen" Verschweigens bei Abschluß der Betriebsvereinbarung verneint. Eine Schadener- satzforderung aus dem Handeln der Betriebsräte könne den Klägern nicht entgegengesetzt werden. Es genügt daher, auf die zutreffende Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 48 ASGG).
Rechtliche Beurteilung
Ergänzend ist den Revisionsausführungen zu erwidern:
1.) Eine Versetzung kann sowohl gegen den Arbeitsvertrag, als auch ‑ davon unabhängig (vgl sogenannte "Zwei - Ebenen - Theorie", Fischer in Anm zu ZAS 1975/1) ‑ gegen die Arbeitsverfassung (§ 101 Arbeitsverfassungsgesetz) verstoßen, wobei in beiden Fällen hinsichtlich einer Entgeltverschlechterung eine Schaden- ersatzpflicht des Arbeitgebers begründet wird. Eine Kompensation von weggefallenen Arbeitserschwernissen (hier Nachtschicht) mit entfallenem Entgelt tritt dabei nicht ein (8 Ob A 232 bis 234/94 = ARD 4585/25/94, unter Hinweis auf Schrammel, Die Verschlechterung der Entgelt‑ und der sonstigen Arbeitsbedingungen, ZAS 1978, 203, bes 209; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5, 266 mwN in FN 24). Eine Verschlechterung der Entgeltbedingungen tritt durch den Entfall von Nachtzuschlägen ein (Arb 7739; Schwarz/Löschnigg, aaO, 265), sodaß die gleichbleibende Tätigkeit (in der Glühlampenerzeugung) unter geänderten zeitlichen Rahmenbedingungen (Übergang vom Drei‑Schicht auf Zwei‑Schichtbetrieb) als Versetzung der von dieser Veränderung betroffenen Arbeitnehmer im Sinne des § 101 ArbVG zu verstehen ist. Unter einer Versetzung ist nämlich nicht etwa nur, wie der zu enge Ausdruck nahelegen könnte, eine Änderung des Arbeitsortes oder Arbeitsinhaltes zu verstehen, sondern jede wesentliche Verschlechterung von Bestimmungsmerkmalen des Arbeitsverhältnisses.
2.) Für die Beurteilung der Versetzung im Sinne des § 101 ArbVG tritt der Arbeitsvertrag in den Hintergrund; maßgeblich ist die Veränderung gegenüber der vor der "Versetzung" (im weiteren Sinn) mehr als 13 Wochen ausgeübten Tätigkeit, wodurch der (frühere) Arbeitsplatz zu einem dauernden wird. Wenn der Betriebsleiter der beklagten Partei die Meinung vertrat, man könne einen Betrieb nicht führen, wenn man zu einer derartigen Änderung die Zustimmung des Betriebsrates einholen müsse (AS 119), so ist ihm zu erwidern, daß für vorübergehende Versetzungen bis zur Dauer von 13 Wochen eine Zustimmung des Betriebsrates nicht erforderlich ist, wodurch eine kurzfristige Reaktion auf personelle Veränderungen (zB Vertretung von erkrankten Arbeitnehmern, von im Urlaub befindlichen ua) ohnedies ermöglicht wird. Bei voraussichtlich dauernden Versetzungen hingegen ist die (Voraus‑)Zustimmung des Betriebsrates unabdingbar; sie wird auch nicht dadurch hinfällig, daß es auf diese Art gelingen könnte, Kündigungen (aus Rationalisierungsgründen) zu vermeiden oder doch hinauszuzögern. Solche "Sozialmaßnahmen" machen eine zustimmungspflichtige Versetzung nicht zustimmungsfrei; bei Vorliegen sachlich gerechtfertigter Gründe kann lediglich die Zustimmung des Betriebsrates durch das Gericht ersetzt werden (Zustimmungsrecht mit gerichtlicher Mißbrauchskontrolle).
3.) Die Nichtberücksichtigung der versetzungs- abhängigen Ansprüche der Kläger bei der nach Einstellung der Nachtschicht abgeschlossenen Betriebsvereinbarung kann den Klägern nicht zugerechnet werden. Eine nachfolgende Zustimmung des Betriebsrates hätte die bereits zuvor erfolgte Versetzung von der Nachtschicht in einen Zweischichtbetrieb (während des Tages zwischen 6.00 und 22.00 Uhr) nicht mehr rechtfertigen können (EvBl 1993/208, 850 = WBl 1993, 258 = ecolex 1993, 404 = DRdA 1993/56, 485). Es wäre vielmehr Sache der Organe der beklagten Partei gewesen, diese Ansprüche bei dem für den Sozialplan aufgewendeten Gesamtbetrag entsprechend zu veranschlagen. Eine "Generalklausel" in der Betriebsvereinbarung hätte von den Betriebsratsmitgliedern mit Bereinigungswirkung für die Kläger ohne ausdrückliche Bevollmächtigung durch die Kläger nicht wirksam vereinbart werden können. Der Betriebsrat ist nicht kraft seiner Funktion (rechtsgeschäftlicher) Vertreter der einzelnen Arbeitnehmer (SZ 54/49 = Arb 10.024 = EvBl 1981/198, 576); er kann zwar rechtsgeschäftlich einzelne oder alle Arbeitnehmer berechtigen (durch Verträge zugunsten Dritter in Form des Abschlusses einer "freien Betriebsvereinbarung"), nicht aber diese verpflichten. Eine solche Vereinbarung wäre als Vertrag zu Lasten Dritter (Verzicht auf bereits entstandenen Ansprüche Dritter) rechtsunwirksam. Für eine Verpflichtung des Betriebsrates, den Arbeitgeber bei Abschluß einer Betriebsvereinbarung auf allenfalls bestehende Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer aufmerksam zu machen, besteht schon wegen des unterschiedlichen Personenkreises für den der Betriebsrat tätig wird (als Organ der Arbeitnehmerschaft im Gegensatz zur Ausübung des Überwachungs‑ und Interventionsrechtes für einzelne Arbeitnehmer) kein Rechtsgrund.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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