OGH 8ObA203/95

OGH8ObA203/9520.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dipl.Ing.Raimund Tschulik als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bankhaus K***** AG, ***** 8010 Graz, vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alfred Novak, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Elke Hule, Rechtsanwältin in Wien, wegen 2,594.714,77 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.September 1994, GZ 34 Ra 78/94-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19.Oktober 1993, GZ 14 Cga 201/93t-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 26.März 1992 eingelangten Klage begehrte die klagende Partei vom Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 2,862.401,77 S samt 10 7/8 % Zinsen seit 4.September 1990 und brachte vor, der Beklagte habe zum Ankauf von Wertpapieren (Aktien und Optionen auf Aktien) Bevorschussungen (Darlehen) in Anspruch genommen und sich am 4. September 1990 verpflichtet, den an diesem Tag offenen Betrag von 2,862.401,77 S bis 15.Dezember 1990 zurückzuzahlen. Bei Unterfertigung der Urkunde seien dem Beklagten der ausständige Saldo, die vorhandenen Wertpapiere und der damalige Kurswert dieser Wertpapiere bekannt gewesen.

In der Tagsatzung vom 9.September 1992 schränkte die klagende Partei das Klagebegehren auf 2,594.714,77 S sA ein. Die Einschränkung betreffe jenen Betrag, der auf die Wertpapiere entfalle, bezüglich derer ein Auftrag des Beklagten zum Kauf nicht nachgewiesen werden könne. Der Beklagte habe Kenntnis von der Dienstanordnung gehabt, daß Optionen gar nicht und Aktien nur zu 50 % bevorschußt werden dürften und habe dennoch Bevorschussungen in Anspruch genommen. Die Klage werde auch darauf gestützt, daß der Beklagte zum Ankauf von Wertpapieren Bevorschussungen in Höhe des Klagsbetrages in Anspruch genommen habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei bei der klagenden Partei von Jänner 1987 bis Anfang September 1990 als Chauffeur mit einem Bruttogehalt von ca 13.500 S beschäftigt gewesen. Als er auch zu Botengängen und anderen Hilfsdiensten in der Wertpapierabteilung herangezogen worden sei, sei er von den damaligen Wertpapierhändlern, die selbst unter Ausnützung ihrer Stellung spekuliert hätten, eingeladen worden, auch mitzumachen. Als einzige Voraussetzung sei ein Betrag von 80.000 S als Sicherstellung für die Eröffnung eines anonymen Wertpapierkontos gefordert worden. Der Beklagte habe nur bis zur Höhe dieses Betrages spekulieren wollen und sei davon ausgegangen, daß er maximal einen Verlust in dieser Höhe erleiden könne. Einen Kreditantrag habe er nie gestellt. Da der Beklagte nicht im Wertpapierhandel beschäftigt gewesen sei, sei ihm die Dienstanordnung der klagenden Partei über die Grenzen der Bevorschussung nicht bekannt gewesen. In der Folge sei eine Reihe von Transaktionen, größtenteils ohne Wissen und Zustimmung des Beklagten, durchgeführt worden. Als Anfang September anläßlich der Überprüfung der Wertpapierabteilung Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden seien, sei der Beklagte vor den Vorstand zitiert und durch die Drohung, ihn unverzüglich durch die Wirtschaftspolizei abführen zu lassen, unter Druck gesetzt worden, das Losungswort seines Wertpapierkontos bekanntzugeben. Die Überziehung des Wertpapierkontos habe der Beklagte nicht zu vertreten, da er keine einzige Behebung vorgenommen habe und die Transaktionen zum größten Teil ohne Wissen und Willen des Beklagten erfolgt seien. Durch die Drohung mit der strafgerichtlichen Verfolgung eingeschüchtert, sei der Beklagte bereit gewesen, auf jeden Vorschlag der klagenden Partei einzugehen, obwohl er selbst Opfer und Geschädigter der Transaktionen der Wertpapierabteilung der klagenden Partei gewesen sei. Darüber hinaus sei dem Beklagten infolge eines von der klagenden Partei veranlaßten wesentlichen Irrtums die Höhe der damit übernommenen Verpflichtung nicht bewußt gewesen. Den Einwänden des Beklagten, dem eine Einsichtnahme zur Überprüfung der Zusammensetzung des Saldos verwehrt worden sei, und der sich zunächst strikt geweigert habe, die Bestätigung zu unterfertigen, sei lediglich dadurch Rechnung getragen worden, daß in die Bestätigung der Vermerk aufgenommen worden sei, daß eine gewisse Zahl von Wertpapieren gegen seinen Willen gekauft worden sei; die klagende Partei sei aber nicht bereit gewesen, diesbezüglich auch den Saldo zu berichtigen. Als der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß es ihm nicht möglich sei, einen Betrag von 2,862.401,77 S bis 15.Dezember 1990 zurückzuzahlen, sei ihm erklärt worden, man werde ihm ohnedies behilflich sein, er müsse sich keine weiteren Sorgen machen.

Als die klagende Partei in der Tagsatzung vom 19.Oktober 1993 erklärte, sich die Ausdehnung des Klagebegehrens um den Betrag von S

267.687 S, um den eingeschränkt worden sei, vorläufig vorzubehalten, stellte der Beklagte einen Zwischenantrag auf Feststellung dahin, "daß er am 4.September 1990 gegenüber der klagenden Partei kein rechtswirksames Anerkenntnis abgegeben habe und auch sonst an diesem Tag keine Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von 2,862.401,77 S eingegangen sei".

Das Erstgericht gab dem Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten mit Zwischenurteil statt und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Beklagte war beim klagenden Kreditinstitut vom 15.Jänner 1987 bis Anfang September 1990 als Chauffeur sowie mit Botengängen und anderen Hilfsdiensten in der Wertpapierabteilung beschäftigt. Über Aufforderung der damaligen Wertpapierhändler der klagenden Partei nahm der Beklagte einen Gehaltsvorschuß von 80.000 S auf und eröffnete mit diesem Betrag bei der klagenden Partei ein anonymes Wertpapierdepot mit dem Losungswort "Alf". Über dieses Konto wurden Optionen und Wertpapiere angekauft und verkauft, wobei der Beklagte von den Wertpapierhändlern der klagenden Partei beraten und ihm die Orders zum Einsetzen des Losungsworts vorgelegt wurden. Nach anfänglichen Gewinnen geriet das Konto ins Minus. Die Wertpapierhändler der klagenden Partei, an die sich der Beklagte wandte, erklärten ihm, der Saldo auf dem Depot werde sich schon wieder bereinigen. Es wurden weitere Transaktionen vorgenommen, von denen nicht feststeht, ob der Beklagte hiezu Order erteilt hat oder nicht. Als nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait am 2.August 1990 die Wertpapierkurse verfielen, kam es zu Reklamationen von Kunden. Daraufhin wurde bei der klagenden Partei begonnen, die Wertpapierdepots und die dazugehörigen Verrechnungskonten auf Deckung abzustimmen. Hiebei stellte sich heraus, daß bei einigen Konten der Depotwert nicht zur Deckung ausreichte. Die klagende Partei versuchte sodann, die Identität der Depotinhaber zu ermitteln und kam dabei auch auf den Beklagten, der nach anfänglichem Bestreiten zugab, der Inhaber des gegenständlichen Wertpapierdepots zu sein. Von dem Kreditreferenten der klagenden Partei wurde dem Beklagten sodann eine Urkunde mit der Überschrift "Bestätigung" zur Unterschrift vorgelegt, nach der er bis zum 4.September 1990 ein Darlehen von 2,862.401,77 S auf das zum Wertpapierdepot gehörige Verrechnungskonto erhalten habe und sich verpflichte, dieses Darlehen samt Zinsen bis zum 15.Dezember 1990 zurückzuzahlen. Der Beklagte, der aufgeregt war und dem mitgeteilt worden war, daß er erst nach Hause gehen dürfe, wenn er dieses Dokument unterschrieben habe, konnte nur durchsetzen, daß wenigstens hinsichtlich zweier Wertpapierkäufe vermerkt wurde, daß sie gegen seinen Willen erfolgt seien. Nachdem ihm sowohl vom Kreditreferenten als auch von einem Vorstandsmitglied der klagenden Partei erklärt worden war, daß tatsächlich nur ein Betrag von 800.000 bis 900.000 S aushafte, da nur die Differenz zwischen Minussaldo und Depotstand für den Fall des Verkaufes der Wertpapiere die Unterdeckung des Kontos ergebe, unterfertigte der Beklagte die Urkunde in der Meinung, er verpflichte sich durch seine Unterschrift nur zur Deckung jenes Saldos, der nach dem Verkauf der noch auf dem Wertpapierdepot befindlichen Wertpapiere offenbleibe. Hätte der Beklagte gewußt, daß er sich mit seiner Unterschrift zur Zahlung eines höheren Betrages verpflichtete, hätte er die Urkunde nicht unterfertigt. Hingegen konnte nicht festgestellt werden, daß dem Beklagten von der klagenden Partei die strafrechtliche Verfolgung für den Fall angedroht wurde, daß er die Urkunde nicht unterfertigen sollte.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, die der klagenden Partei zuzurechnenden Erklärungen ihrer Angestellten hätten den Irrtum des Beklagten über den Umfang der von ihm mit Unterfertigung der Bestätigung übernommenen Verpflichtung veranlaßt. Der Irrtum sei wesentlich, weil der Beklagte bei Kenntnis, daß er sich damit zur Zahlung des Betrages von 2,862.401,77 S verpflichte, die Erklärung nicht unterfertigt hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm dessen Feststellungen und erachtete die Rechtsrüge teils - mangels Zugrundelegung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes - als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils auf Entscheidung über das gar nicht Gegenstand des Zwischenurteiles bildende Leistungsbegehren gerichtet; im Hinblick auf die Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung und damit des Zwischenurteiles habe das Erstgericht zu Recht von einer Entscheidung über das Leistungsbegehren vorläufig Abstand genommen.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Feststellung abzuändern, daß am 4.September 1990 vom Beklagten gegenüber der klagenden Partei ein rechtswirksames Anerkenntnis und auch sonst eine Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von 800.000 S abgegeben worden sei; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit den im Rahmen der Rechtsrüge der Berufung erstatteten Ausführungen, auch wenn man davon ausgehe, daß sich der Beklagte zur Bezahlung eines Betrages von 800.000 S bis 900.000 S verpflichten wollte, hätte die Klage nicht zur Gänze abgewiesen werden dürfen, sondern zumindest ein Betrag von 800.000 S zuerkannt werden müssen, bekämpfte die klagende Partei - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht das über den Feststellungsantrag des Beklagten gefällte Zwischenurteil, sondern begehrte die Entscheidung über das von ihr gestellte Leistungsbegehren. Eine Umdeutung dieser Ausführungen in Richtung einer Bekämpfung des Zwischenurteils ist auch nicht anhand der Berufungsanträge möglich, weil die klagende Partei darin die Abänderung des Urteils des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens beantragte. Mit diesen Ausführungen begehrte die Berufungswerberin daher die Entscheidung über ein weiteres, gar nicht Gegenstand des angefochtenen Zwischenurteils bildendes Begehren und machte damit den Verfahrensmangel nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO geltend.

Neben der Geltendmachung dieses angeblichen, nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Mangels des Verfahrens erster Instanz (siehe RZ 1992/57; RZ 1989/16 ua) erstattete die klagende Partei im Rahmen der Rechtsrüge ihrer Berufung nur Ausführungen, deren sachliche Behandlung das Berufungsgericht unter Hinweis auf die nicht gesetzmäßige Ausführung ablehnte.

Hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung der Sache abgelehnt, weil die Berufung seiner Meinung nach eine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge nicht enthielt, so muß dies in der Revision als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO bekämpft werden. Das Urteil des Berufungsgerichtes kann in einem solchen Fall nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruhen, weshalb der Revisionsgrund nach § 503 Z 4 nicht in Betracht kommt (5 Ob 706/81; 8 Ob 578/82; 6 Ob 695/85; 6 Ob 560/87; 4 Ob 553/88; 7 Ob 554/90; SSV-NF 5/18 ua).

Da die klagende Partei eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens in diesem Zusammenhang nicht geltend machte, ist auf ihre Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nicht weiter einzugehen.

Dennoch ist darauf hinzuweisen, daß im Rahmen der Entscheidung über den vom Beklagten gestellten Zwischenantrag auf Feststellung, daß er kein rechtswirksames Anerkenntnis abgegeben habe und keine Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von 2,862.401,77 S eingegangen sei, die von der Revisionswerberin angestrebte positive Feststellung eines rechtswirksamen Anerkenntnisses bzw einer Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von 800.000 S nicht erfolgen konnte. Ohne Überschreitung des Feststellungsbegehrens wäre lediglich eine bloß teilweise Stattgebung dahin möglich gewesen, daß der Kläger keine Verpflichtung zur Zahlung eines 800.000 S übersteigenden Betrages eingegangen sei. Soweit überblickbar, hat der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit der teilweisen Stattgebung einer negativen Feststellungsklage bisher lediglich in der Entscheidung 3 Ob 269/60 bejaht. Wäre eine derartige Möglichkeit nicht gegeben, müßte man dem anderen Teil das Recht zubilligen, ungeachtet der Abweisung des einen bestimmten Betrag nennenden negativen Feststellungsbegehrens aus dem Gegenstand dieser Entscheidung bildenden Rechtsverhältnis die Leistung eines etwas geringeren Betrages zu begehren, was dem Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu bereinigen und damit künftige Rechtsstreitigkeiten zu verhindern (siehe RZ 1980/34; RZ 1984/80; Fasching ZPR2 Rz 1073), zuwiderliefe. Daraus ergibt sich aber, daß mit der Stattgebung des vorliegenden negativen Zwischenfeststellungsantrages eine rechtswirksame Verpflichtung des Beklagten aufgrund der am 4.September 1990 mit der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung überhaupt - auch hinsichtlich eines geringeren als des im Feststellungsantrag genannten Betrages - verneint wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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