Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Am 23.6.1997 erließ das Erstgericht einen Zahlungsbefehl im Sinne des Klagebegehrens. Dieser Zahlungsbefehl wurde der beklagten Partei, einer GmbH, nicht zugestellt, da diese laut Bericht des Postzustellers verzogen ist. Am 9.7.1997 beantragte der Kläger die neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehles an der bisherigen Anschrift der beklagten Partei und begründete dies damit, die beklagte Partei habe gegen ihre Verpflichtung, jede Änderung ihrer Anschrift im Firmenbuch anzumelden, verstoßen.
Am 18.9.1997 erteilte das Erstgericht dem Kläger einen Verbesserungsauftrag, in welchem dieser aufgefordert wurde, Name und Adresse eines zur Empfangnahme der Klage befugten Vertreters der beklagten Partei bekanntzugeben. Der Kläger entsprach diesem Verbesserungsauftrag nicht und ersuchte um eine beschlußmäßige Erledigung seines Zustellantrages.
Das Erstgericht wies hierauf den Antrag auf neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehles ab. Eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG komme nicht in Betracht. Voraussetzung der Zustellung sei, daß der Zusteller Grund zur Annahme haben müsse, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem Rekurswerber sei zuzubilligen, daß gemäß § 26 Abs 1 zweiter Satz GmbHG die Geschäftsführer jede Änderung der für die Zustellungen an die Gesellschaft maßgeblichen Anschrift unverzüglich anzumelden haben und die gleiche Verpflichtung nach § 10 FBG bestehe. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung mit der Rechtsfolge, daß Zustellungen an die GmbH durch Hinterlegung erfolgen dürften, lasse sich dem Gesetz aber nicht entnehmen. Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht zu, weil die Frage, ob im Falle eines Verstoßes gegen die Meldepflicht nach § 26 Abs 1 GmbHG und § 10 FBG mit Hinterlegung vorgegangen werden dürfe, eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von erheblicher Bedeutung sei, zu der oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist zwar aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen ist zutreffend; der gegenteiligen Ansicht des Senates 7 des Oberlandesgerichtes Wien (7 Ra 127/97s vom 21.5.1997), auf die sich der Kläger beruft, kann nicht gefolgt werden.
Es ist zwar richtig, daß gemäß § 3 Z 4 FBG bei allen Rechtsträgern der Sitz und die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift im Firmenbuch einzutragen ist und gemäß § 10 Abs 1 FBG Änderungen eingetragener Tatsachen beim Gericht unverzüglich anzumelden sind. Gemäß § 26 Abs 1 GmbHG trifft die Geschäftsführer einer GmbH diese Verpflichtung. Daraus folgt aber noch nicht, daß in analoger Anwendung des § 8 Abs 2 ZustG, der sich nur auf anhängige Verfahren bezieht, auch die Einleitung eines Verfahrens durch Hinterlegung ohne Zustellversuch mit den Rechtswirkungen einer solchen bewirkt werden könnte, und daß ausreichende "einfache Erhebungen" iSd § 8 Abs 2 ZustG durch Einsicht in das Firmenbuch - und allenfalls Einholung einer ZMA-Auskunft (die der Revisionsrekurswerber bereits überflüssig hält) - gepflogen werden.
Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, sieht zwar § 26 GmbHG in Verbindung mit § 3 Z 4 und § 10 FBG vor, daß der Geschäftsführer ua zur Anmeldung einer Adressenänderung der GmbH beim Firmenbuchgericht verpflichtet ist. Als Sanktion der Nichteinhaltung normiert das Gesetz aber nicht, daß die Zustellung an die im Firmenbuch zuletzt bekanntgegebene Adresse mit den Wirkungen einer gültigen Zustellung vorgenommen werden könnte, sondern nur einen Schadenersatzanspruch gegen den Geschäftsführer für die durch die schuldhaft verzögerte oder unterlassene Einreichung dieser Angaben.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers mit Graff (RdW 1991, 2 ff) und Schenk (FJ 1991, 41 ff) - dagegen Zib, (WBl 1991, 44 ff FN 16 mwN) - davon ausginge, daß die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift jedenfalls Abgabestelle gemäß § 4 ZustG ist und bis zu einer im Firmenbuch bekanntgegebenen Änderung bleibt, ist zu berücksichtigen, daß gemäß § 13 Abs 3 ZustG bei juristischen Personen die Sendung nur an einen zur Empfangnahme befugten Vertreter gültig zugestellt werden kann (9 ObA 88/90; 3 Ob 22/87) - dieser ist Empfänger im formellen Sinn (vgl Walter/Mayer, ZustR Rz 18 zu § 13) - und gemäß § 17 Abs 1 ZustG eine Hinterlegung nur in Betracht kommt, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß der Empfänger oder der Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustG sich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Dies ist aber hier nicht der Fall; dem Zusteller war bekannt, daß die GmbH verzogen ist. Eine Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch - in analoger Anwendung des § 8 Abs 2 ZustG (vgl Graff aaO 4, der dies vorsichtig in Erwägung zieht) - scheidet aus, weil dadurch eine Verletzung der Vorschrift des § 26 Abs 1 GmbHG einer Verletzung des § 8 Abs 1 ZustG gleichgestellt würde. Eine derartige Sanktion sieht § 26 Abs 1 GmbHG aber nicht vor; er begnügt sich vielmehr mit der schon erwähnten Schadenersatzsanktion gegen den Geschäftsführer. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß § 8 ZustG selbst im Hinblick auf die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des Art 6 MRK keiner analogen Anwendung zugänglich ist (vgl 1 Ob 23/97y). Die Formulierung "während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat" und die Worte "diese Mitteilung" in § 8 Abs 2 sollen offenkundig die Wahrung des rechtlichen Gehörs der betroffenen Prozeßpartei sichern. Ansonsten ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber in § 8 ZustG nur auf eine Meldepflicht in anhängigen Verfahren und nicht auch auf Vorschriften in anderen Gesetzen, die eine Bekanntgabe von in § 4 ZustG als Abgabestelle genannten Orten vorschreiben, abgestellt hat.
Im vorliegenden Fall ist die Klage gemäß § 13 Abs 3 ZustG dem gesetzlichen Vertreter der beklagten Partei, einer in Liquidation befindlichen GmbHG, also deren Liquidator, zuzustellen, der nach der vom Gericht eingeholten Auskunft des ZMA an einem namentlich bekannten Ort im Ausland, aber ohne Angaben der genauen Adresse, verzogen ist.
Kann - wie hier - durch Hinterlegung nicht zugestellt werden, kommt nur ein Vorgehen nach den §§ 115, 116 ZPO iVm § 25 ZustG in Betracht. Eine solche Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ist aber nur zulässig, wenn das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen hiefür glaubhaft gemacht wird; für Personen, an welche eine solche Zustellung nur auf diese Weise geschehen könnte, hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen einen Kurator zu bestellen, wenn diese Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Prozeßhandlung vorzunehmen hätten (hier: Einspruch gegen den Zahlungsbefehl).
Bevor nach den §§ 115, 116 ZPO vorgegangen werden kann, müssen zumutbare, wenn auch nicht sehr umfangreiche Erhebungen durchgeführt werden; ein Postfehlbericht reicht nicht aus. Erhebungen bei Verwandten und sonstigen Personen, die üblicherweise vom Aufenthalt einer Person Kenntnis haben, müssen gepflogen werden (SZ 25/10; 38/45; 5 Ob 767/80). Im Hinblick hierauf ist die Auskunft einer Meldebehörde, daß ihr der tatsächliche Aufenthalt einer Person unbekannt ist, ebenfalls nicht ausreichend (dazu Rassi, RZ 1996, 218). Dies gilt um so mehr, wenn sich - wie hier - aus der Auskunft der Meldebehörde ein konkreter Hinweis auf den nunmehrigen Aufenthaltsort ergibt. Es gehört durchaus noch zu den zumutbaren Erhebungen, beim Meldeamt des genannten Ortes um die genaue Adresse nachzufragen, auch wenn dieses im Ausland liegt, zumal es sich um ein Land handelt, von dem amtsbekannt ist, daß solche Anfragen in angemessener Frist beantwortet werden. Erst wenn derartige Nachforschungen zu keinem positiven Ergebnis führen, steht es dem Kläger frei, nach § 116 ZPO vorzugehen und die Bestellung eines Kurators zu beantragen.
Der Kläger kann aber auch nach § 15a GmbHG vorgehen und in analoger Anwendung dieser Bestimmung die Bestellung eines Notliquidators beantragen, weil der einzig Vertretungsbefugte seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt hat.
Eine Zustellung in der beantragten Form - einfach durch Hinterlegung an der im Firmenbuch eingetragenen Adresse - kommt bei unveränderten Sachverhalt jedenfalls nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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