Spruch:
Dem (Revisions)Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt 1. ersatzlos behoben und in seinem Punkt 2. dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
In dem, vor dem Pflegschaftsgericht Bezirksgericht Liesing geführten Unterhaltsfestsetzungsverfahren 1 P 163/02g verpflichtete das Bezirksgericht Liesing mit Beschluss vom 18. Mai 2005 ON 37 den Vater der Minderjährigen Sergej P*****K***** (auch K*****), russischer Staatsangehöriger, Opernsänger, der Minderjährigen ab 1. 10. 1999 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 500,-- zu bezahlen. Mit Beschluss vom 27. 10. 2005 (ON 56) wurde für den „derzeit unbekannten Aufenthaltes befindlichen Kindesvater" ... ein öffentlicher Notar in 1230 Wien für das gesamte Pflegschaftsverfahren zum Zustellkurator bestellt. Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss (ON 37) wurde dem Zustellkurator am 28. 10. 2005 zugestellt und erwuchs (formell) in Rechtskraft.
Am 22. 11. 2005 stellte die Minderjährige vertreten durch ihre Mutter den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG, da die Exekutionsführung gegen den Vater der Minderjährigen in Russland aussichtslos erscheine. Mit Beschluss vom selben Tag gewährte das Bezirksgericht Liesing der Minderjährigen vom 1. 11. 2005 bis 30. 4. 2007 gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG einen monatlichen Unterhaltsvorschuss von EUR 500,--, jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen gemäß §§ 293 Abs 1 Buchstabe c bb 1. Fall 108 f des ASVG und ersuchte - unter anderem - den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien um die Auszahlung der Vorschüsse an den Zahlungsempfänger. Als Begründung führte das Erstgericht an, dass der Unterhaltsschuldner zu einer monatlichen Unterhaltsleistung in Höhe von EUR 500,-- gegenüber dem Kind verpflichtet worden sei und die Exekutionsführung in Russland aussichtslos erscheine.
Das Rekursgericht erachtete zwar die im Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes angeführten „formellen Defizite" des Unterhaltsbemessungsverfahrens als nicht vorliegend, führte jedoch aus, dass „aus anderen Gründen noch kein vollstreckbarer Unterhaltstitel" vorliege. In Punkt 1. des Beschlusses hob es die - im Unterhaltsfestsetzungsverfahren erfolgte - Kuratorbestellung als nichtig auf; in Punkt 2. des Beschlusses wies es den Unterhaltsvorschussantrag ab.
Mit ausführlicher, auf § 121 ZPO und die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes betreffend Zustellungen an Russland (6 Ob 190/05t) gestützter Begründung, erachtete das Rekursgericht die Voraussetzungen für die - im Unterhaltsfestsetzungsverfahren erfolgte Kuratorbestellung - als nicht gegeben. Das Vorschussverfahren sei als Fortsetzung des Unterhaltsverfahrens zu sehen. Das Rekursgericht sei daher an die (aktenmäßig rechtskräftige) aber unter Verletzung des § 121 ZPO zustandegekommene Kuratorbestellung nicht gebunden, sondern habe diese aus Anlass des zulässig erhobenen Rechtsmittels als nichtig aufzuheben (Pkt 1 des Beschlusses). Aus diesem Grund sei der Unterhaltsbemessungsbeschluss ON 37 als dem Vater nicht zugestellt angesehen, sodass im vorliegenden Verfahren ein notwendiger Bestandteil für die Vorschussgewährung, nämlich ein vollstreckbarer Unterhaltstitel im Sinn des § 3 Z 1 UVG fehle (Pkt 2 des Beschlusses).
Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil es soweit überblickbar an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Fragen fehle
a) wie weit die amtswegige Wahrnehmung nicht geltend gemachter Rekursgründe nach dem neuen Außerstreitgesetz reiche,
b) ob die unzulässige Zustellung im Ausland eine dennoch erfolgte Kuratorbestellung nach § 121 ZPO nichtig mache, und
c) ob die im Unterhaltsbemessungsverfahren unterlaufene Nichtigkeit der Kuratorbestellung im Unterhaltsvorschussverfahren von Amts wegen aufzugreifen sei.
Gegen diesen Beschluss erhob die Minderjährige vertreten durch das Amt für Jugend und Familie Revisionsrekurs mit der wesentlichen Begründung, dass entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes sehr wohl ein vollstreckbarer Unterhaltstitel (ON 37 des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens) vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und aus nachstehenden Erwägungen - ohne dass es eines Eingehens auf die übrigen vom Rekursgericht aufgezeigten Fragen bedürfte - auch berechtigt.
Erfolgt eine Kuratorbestellung ohne dass deren Voraussetzungen tatsächlich vorgelegen sind, ist nach ständiger Rechtsprechung auch die - nach dem Akt rechtskräftige - Kuratorbestellung nichtig (Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 § 116 ZPO Rz 18). Diese Nichtigkeit kann nur in jenem Verfahren wahrgenommen werden, in dem die Bestellung erfolgt ist (Stumvoll aaO Rz 18 und Rz 40). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich beim Unterhaltsvorschussverfahren lediglich um eine Fortsetzung des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens, somit um dasselbe Verfahren handelt. So mangelt es bereits an der Parteienidentität. „Gegner" des mj Kindes im Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist der/die Unterhaltsverpflichtete, im Unterhaltsvorschussverfahren hingegen der Bund (§ 1 UVG), vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien (§ 15 Abs 1 UVG). Der Unterhaltsschuldner ist im Unterhaltsvorschussverfahren überhaupt nur unter den in § 12 UVG angeführten Voraussetzungen zu hören.
Der Umstand, dass es sich beim Unterhaltsvorschussverfahren nicht um eine bloße Fortsetzung des Unterhaltsbemessungsverfahrens handelt, ergibt sich zwanglos auch daraus, dass zwar grundsätzliche Voraussetzung nach § 3 Z 1 UVG ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel ist, dieser aber nicht unbedingt im Inland geschaffen sein muss, vielmehr auch im Ausland geschaffene Titel als im Inland vollstreckbare Exekutionstitel gelten, sofern nicht die österreichische Rechtsordnung die Vollstreckbarkeit im Inland mangels einer Anerkennungs- und Vollstreckungsnorm versagt (Neumayr in Schwimann ABGB3 Bd I § 3 UVG Rz 12 mwH). Dieser Beurteilung steht auch die letztlich getroffene gesetzgeberische Entscheidung nicht entgegen, im Hinblick auf den organisatorischen Zusammenhang mit der Unterhaltsbemessung und der exekutiven Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen das Unterhaltsvorschussverfahren bei den Pflegschaftsgerichten (§ 10 UVG) zu konzentrieren, wurden doch zwei Alternativentwürfe, die Vollziehung den Finanzbehörden zu übertragen, verworfen (Neumayr aaO § 1 UVG Rz 10).
Das Rekursgericht war daher nicht befugt aus Anlass eines im Unterhaltsvorschussverfahren erhobenen Rechtsmittels, den in einem anderen Verfahren, nämlich dem Unterhaltsbemessungsverfahren ergangenen Beschluss auf Kuratorbestellung für den Vater der Minderjährigen als nichtig aufzuheben.
Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ON 37 ist daher infolge ordnungsgemäßer Zustellung an den Kurator und Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig und somit im Inland vollstreckbar. Gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass wegen der Notwendigkeit der Exekutionsführung in Russland die Voraussetzungen des § 4 Z 1 vorliegen, bestehen keine Bedenken. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung widersprechen längere Zeit in Anspruch nehmende Erhebungen hinsichtlich der Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung dem Zweck des UVG, dem Kind möglichst rasch zu einem Unterhalt zu verhelfen (Neumayr aaO § 4 UVG Rz 4 mwH). Es ist daher der erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen.
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