OGH 8Ob85/67

OGH8Ob85/6725.4.1967

SZ 40/58

Normen

ABGB §364a
ABGB §1313a
ABGB §364a
ABGB §1313a

 

Spruch:

Bei Übernahme von Sprengarbeiten gilt im Zweifel vereinbart, daß Grundnachbarn des Bestellers nicht zu Schaden kommen dürfen.

Entscheidung vom 25. April 1967, 8 Ob 85/67.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck: II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die klagende Partei hat dem Beklagten mit Brief vom 23. März 1961 auf Grund seines Anbotes und des Leistungsverzeichnisses den Auftrag erteilt, einen Wasserleitungsgraben herzustellen und eine Rohrleitung für die Wasserversorgungsanlage der Klägerin zu verlegen. Nach den "allgemeinen Bedingnissen" waren im Einheitspreis u. a. Flurentschädigungen inbegriffen (Z. 11). Der Auftragsnehmer hatte mangels Einigung den vom etwaigen Schätzmann festgestellten Entschädigungsbetrag anzuerkennen und dieser Betrag sollte von der Endsumme abgezogen und den Anrainern von der klagenden Partei direkt überwiesen werden (Z. 12). Bei der Durchführung der Arbeit waren Sprengungen erforderlich; diese hat als Angestellter des Beklagten ein gewisser Josef H., der kein selbständiges Gewerbe ausübte, vorgenommen. Durch die Sprengungen sind auf dem Nachbargrundstück des Josef L. eine Stützmauer, eine Betondecke und ein Zaun beschädigt worden, weil die Sprengungen, nur 1-1.5 m von der Grundstücksgrenze entfernt, vorgenommen worden sind. Die Schäden im angemessene Betrag von 16.905.60 S sind von der Klägerin dem Josef L. ersetzt worden.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Ersatz dieses Betrages.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es hat außer dem oben erwähnten Sachverhalt festgestellt, daß die Bohrlöcher nicht von Josef H. angelegt worden seien und daß der Beklagte, obwohl H. Einwände erhoben habe, darauf bestanden habe, daß H. die Sprengungen in der Straßenmitte ausführe. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Beklagte der Klägerin nach § 1313a ABGB. für den Schaden hafte, da Josef H. Erfüllungsgehilfe des Beklagten gewesen sei und dieser durch seine Anordnungen an H. den Schadenseintritt verursacht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, es führte in rechtlicher Hinsicht aus: Die Frage der Haftung des Beklagten für H. nach § 1315 ABGB. sei nicht zu untersuchen, weil die klagende Partei keine Prozeßbehauptungen in dieser Richtung vorgebracht habe.

Durch die Vereinbarung in Z. 12 der allgemeinen Bedingnisse sei im Verhältnis zwischen den Parteien festgesetzt worden, daß bei Schäden, die ein Anrainer durch Arbeiten erleide, nicht dieser Nachbar, sondern die Klägerin forderungs- und hereinbringungsberechtigt sei. Im internen Verhältnis der Vertragsparteien sei dadurch die unmittelbare Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin begrundet worden, der Ersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten sei daher ein unmittelbarer. Daher habe der Beklagte der Klägerin gegenüber für seinen Erfüllungsgehilfen zu haften. Ob der Beklagte selbst oder sein Erfüllungsgehilfe (H.) den Schaden verschuldet habe, sei gleichgültig. Außerdem hafte der Beklagte nach der ihm obliegenden allgemeinen Gefährdungshaftung. Unter Umständen sei auch ein Bauunternehmen als gefährlicher Betrieb anzusehen, wenn ein solches Unternehmen innerhalb seines Betriebes etwas Gefährliches, wie Sprengungen, wenn auch nur vereinzelt, durchführe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte wendet sich in der Revision vor allem dagegen, daß sein Betrieb vom Berufungsgericht als ein gefährlicher Betrieb angesehen wurde. Außerdem vertritt er die Ansicht, daß das Verschulden an dem eingetretenen Schaden den Sprengmeister H. treffe, für den er nicht hafte. Daher macht die Revision auch verschiedene Feststellungsmängel geltend.

Aus rechtlichen Gründen ist es für die Entscheidung der Rechtssache aber nicht wesentlich, ob der Betrieb des Beklagten - der sich einmal als Deichgräber bezeichnet (s. die Stampiglie auf Beilage F), ein anderes Mal seinen Betrieb ein Unternehmen für Erdbewegungen und Grabarbeiten nennt (s. Briefpapier Beilage G) - als gefährlicher Betrieb gewertet werden kann und ob den Beklagten selbst oder den Sprengmeister H. ein Verschulden an der Entstehung des dem Josef L. zugefügten Schadens trifft. Die Sprengungen erfolgten unbestritten auf einem der klagenden Partei gehörenden Straßengrund. Die klagende Partei, die auf diesem Grund Arbeiten durchführen ließ, haftet dem Grundnachbarn für Schäden, die durch diese Arbeiten eingetreten sind. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, tritt eine Haftung nach § 364a ABGB. auch dann ein, wenn die Beeinträchtigung durch eine behördlich genehmigte einmalige Unternehmung verursacht wird, sofern die Beeinträchtigung das Maß des Gewöhnlichen überschreitet, was hier außer Frage steht (EvBl. 1957 Nr. 19 u. a., zuletzt 6 Ob 83/63). Die klagende Partei war daher gemäß § 364a ABGB. verpflichtet, dem Josef L. die Schäden, die durch Sprengungen auf dem Straßengrund entstanden sind, zu ersetzen. Für diese Schäden haftet der Beklagte gegenüber der klagenden Partei ohne Rücksicht darauf, ob der Schaden durch sein eigenes Verschulden oder durch das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen Josef H., durch den er die Sprengungen durchführen ließ, entstanden ist, weil jedenfalls im Zweifel als zwischen den Streitteilen vereinbart gelten muß, der Beklagte werde das Werk derart sorgfältig ausführen, daß Grundnachbarn der Klägerin nicht zu Schaden kommen, woraus diese nach § 364a ABGB. ersatzpflichtig werden könnte. Bei Erfüllung dieser seiner Vertragspflicht haftet er gemäß § 1313a ABGB. auch für das Verschulden seiner unselbständigen und selbständigen Erfüllungsgehilfen (EvBl. 1957 Nr. 294, ebenso 8 Ob 99/67). Aus diesem Gründe waren Feststellungen darüber, ob die Lage der Bohrlöcher durch Anweisung des Beklagten oder des Josef H. bestimmt worden ist, nicht erforderlich. Die Unterlassung der Vernehmung der Zeugen Josef F. und Johann M. begrundet daher ebensowenig einen Feststellungsmangel wie die Unterlassung der Aufnahme eines "Sachbefundes" und der Parteienvernehmung des Beklagten, wenn letztere auch deshalb unterbleiben konnte, weil der Beklagte ordnungsgemäß zur Parteienvernehmung geladen war und, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, ohne hinreichende Entschuldigung nicht erschienen ist. Dazu kommt noch, daß sich der Beklagte schon in seinem Anbot verpflichtet hat, der Klägerin solche Schäden zu ersetzen (s. Z. 11 und 12 der allgemeinen Bedingnisse). Die klagende Partei wäre demnach berechtigt gewesen, jene Beträge, die sie Anrainern als Schadenersatz leisten mußte, von dem dem Beklagten zu zahlenden Werklohn abzuziehen. Wenn sie dies nicht getan hat, ist sie berechtigt, den von ihr bezahlten Betrag vom Beklagten mit Klage zu begehren. Die Durchführung der Parteienvernehmung zur Erforschung des Parteiwillens hinsichtlich dieser Vertragsbestimmung, wie sie die Revision für erforderlich hält, war überflüssig, da der Beklagte gar nicht vorgebracht hat, daß diese Vertragsbestimmung nach der Absicht der Parteien eine andere Bedeutung als die aus dem Wortlaut hervorgehende hätte haben sollen.

Der Revision war somit keine Folge zu geben.

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