Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.092,50 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 348,75 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Beklagte war Hauptlieferantin der nunmehrigen Gemeinschuldnerin und neben der Hausbank deren Hauptgläubigerin. Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation der Gemeinschuldnerin ersuchte diese beide Gläubiger um einen Forderungsverzicht. Die Beklagte und die Hausbank der Gemeinschuldnerin vereinbarten jedoch, dass die Beklagte eine Nachrangigkeitserklärung abgeben solle, wofür die Hausbank im Gegenzug der Gemeinschuldnerin entgegenkommen werde. Zweck der Nachrangigkeitserklärung war es, die Überschuldung der nunmehrigen Gemeinschuldnerin zu beseitigen. Die von einem Rechtsvertreter der Beklagten erstellte Nachrangigkeitsvereinbarung wurde am 20. 6. und 26. 6. 2008 von der Hausbank und der Beklagten unterfertigt. Sie hatte folgenden Wortlaut:
„Nachrangigkeitsvereinbarung
Die Unterzeichnete zu 1), die S***** Bank AG hat aus laufender Geschäftsbeziehung gegen K***** GesmbH & Co KG (im Folgenden: „Schuldnerin“) Forderungen in Höhe von 1.384.300 EUR.
Die Unterzeichnete zu 2), die P ***** SA, hat aus laufender Geschäftsbeziehung gegen K***** GesmbH & Co KG Forderungen in Höhe von ca 1.844.000 EUR.
Durch ihre Unterschrift erklärt die Unterzeichnete zu 2) sich ausdrücklich damit einverstanden, dass 1.300.000 EUR der Forderungen gegen die Schuldnerin im Insolvenzfall nachrangig behandelt werden, sodass sämtliche übrigen Gläubiger zuerst zu befriedigen sind und eine Zahlung auf diesen Teil der Forderungen der Unterzeichneten zu 2) nur für den Fall erfolgt, als danach noch ausreichende Mittel vorhanden sind.
…
Vorstehende Nachrangigkeitserklärung gilt für das laufende, am 30. 6. 2008 endende Geschäftsjahr, das Geschäftsjahr 2008/2009 (1. 7. 2008 bis 30. 6. 2009) und das Geschäftsjahr 2009/2010 (1. 7. 2009 bis 30. 6. 2010). ...“
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 18. 11. 2008 das Konkursverfahren eröffnet. Am 30. 12. 2008 meldete die Beklagte im Konkursverfahren eine Forderung in der Höhe von 1.921.818,43 EUR an. In der Forderungsanmeldung bezifferte die Beklagte ihre Gesamtforderung mit 2.006.592,43 EUR und gab gleichzeitig folgende Aufrechnungserklärung ab:
„2. Aufrechnungserklärung
2.1 Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung standen der Forderung der Gläubigerin folgende Forderungen der Gemeinschuldnerin aufrechenbar gegenüber:
Marketingbeitrag Juli 2007
(Rechnung … vom 10. 1. 2008) 30.494 EUR
Marketingbeitrag September 2008
(Rechnung … vom 30. 9. 2008) 16.492 EUR
Marketingbeitrag Oktober 2008
(Rechnung … vom 31. 10. 2008) 37.788 EUR
gesamt: 84.774 EUR
2.2 Die Gläubigerin rechnet mit ihrer Forderung (2.006.592,43 EUR …) gegen die Forderung der Gemeinschuldnerin auf, so dass sich die Forderung der Gläubigerin auf 1.921.818,43 EUR reduziert. ...“
Der Kläger (als Masseverwalter im Konkurs der Gemeinschuldnerin) begehrt die Zahlung einer inhaltlich unstrittigen Forderung aus einer zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten geschlossenen Marketingvereinbarung.
Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass sie mit ihren drei ältesten Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin zulässig die Aufrechnung gegen die nunmehr vom Kläger begehrte Forderung erklärt habe. Im Laufe des Verfahrens brachte die Beklagte ergänzend vor, sie mache für den Fall, dass die Aufrechnung mit den ursprünglich genannten Forderungen nicht wirksam sein sollte, weitere offene Forderungen zum Gegenstand ihrer Aufrechnungserklärung.
Das Erstgericht wies das eben wiedergegebene ergänzende Vorbringen der Beklagten als verspätet zurück und gab dem Klagebegehren statt.
Zur Auslegung der wiedergegebenen Nachrangigkeitserklärung stellte es folgende Überlegungen an:
Aus dem Wortlaut der Erklärung und dem Parteiwillen ergebe sich, dass durch die Erklärung die Verpflichtung zur Passivierung der aushaftenden Schulden in der Bilanz vermieden werden sollte (was allerdings im Hinblick auf § 67 Abs 3 KO nicht gelungen sei). Andererseits sei aber die vereinbarte Regelung ausdrücklich nur für den Insolvenzfall getroffen worden, sodass sich im Fall der Insolvenz das gesamt aushaftende Obligo um 1,3 Mio EUR verringert hätte und die übrigen Gläubiger eine höhere Quote erwarten konnten. Eine Stundungsvereinbarung oder gar ein Verzicht sei aus der Erklärung nicht abzuleiten. Im Insolvenzfall sollte der von der Nachrangigkeitserklärung umfasste Teil der Forderungen nur unter der Bedingung bedient werden, dass sämtliche übrige Gläubiger befriedigt und noch ausreichende Mittel vorhanden sind. Dies sei als zunächst aufschiebend bzw nach Eintritt des Insolvenzfalls auflösend bedingter Verzicht der Beklagten zu qualifizieren. Er sei mit Konkurseröffnung wirksam geworden. Grundlage des Verzichts sei eine entgeltliche Vereinbarung der beiden Hauptgläubigerinnen; im Austauschverhältnis seien der Verzicht der Beklagten und die Einräumung einer besseren Position für die Gemeinschuldnerin durch die Hausbank gestanden. Entscheidend sei, welche Forderungen vom wirksam gewordenen Verzicht umfasst seien. Darüber enthalte die Vereinbarung keine eindeutigen Regelungen. Zwar werde der zum Zeitpunkt der Unterfertigung aushaftende Betrag mit ca 1.844.000 EUR festgehalten, sodass naheliegend wäre, dass davon ein Teil von 1,3 Mio EUR gemeint sei. Dies wäre aber nur im Fall der Vereinbarung einer Stundung sinnvoll. Beide Parteien seien aber offenbar davon ausgegangen, dass weitere Zahlungen auf die jeweils ältesten Rechnungen und damit gerade auf jene Forderungen anzurechnen seien, die im festgestellten Betrag der Forderungen von 1.844.000 EUR enthalten seien. Die Zahlung auf die jeweils älteste Rechnung würde daher gerade jenen Teil der Forderungen, der vom aufschiebend (und auflösend) bedingten Verzicht erfasst sei, bereits vor Ablauf der Geltungsdauer der Vereinbarung durch Erfüllung zum Erlöschen bringen, sodass die Nachrangigkeitserklärung mit jeder Zahlung an Wert verloren hätte. Gerade dies hätten die Parteien aber offensichtlich nicht erreichen wollen. Die Vereinbarung könne aber auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Bestimmung, welche Forderungen nachrangig zu behandeln seien, der Beklagten obliege. Naheliegend sei hier ein Rückgriff auf die §§ 1416 ff ABGB. Dass sich die Nachrangigkeitserklärung, die sich nur auf den Insolvenzfall beziehe, primär auf - soweit noch vorhanden - anfechtungsfeste Forderungen zu beziehen habe, stehe auch in Einklang mit dem Zweck der Nachrangigkeitsvereinbarung. Entscheidend sei daher das Fälligkeitsdatum. Dabei seien aber gerade die ältesten bei Konkurseröffnung aushaftenden Forderungen der Beklagten (und damit gerade jene, die Gegenstand der Aufrechnungserklärung seien) von der Nachrangigkeit erfasst. Die Beklagte könne daher mit diesen Forderungen nicht aufrechnen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil nicht Folge.
Es billigte die Zurückweisung des ergänzenden Vorbringens der Beklagten und führte im Übrigen - soweit für die Entscheidung von Bedeutung - Folgendes aus:
Für die Auslegung von Nachrangigkeitsvereinbarungen sei die konkrete Formulierung maßgebend. Bei den in der Vereinbarung angeführten 1,3 Mio EUR handle es sich um einen Teilbetrag des als insgesamt aushaftend angeführten Betrags von 1.844.000 EUR. Aus der in der Forderungsanmeldung der Beklagten enthaltenen Auflistung ihrer Forderungen errechne sich die Summe der Forderungen der Beklagten mit einem Rechnungsdatum bis zum 20. 6. 2008 mit einem jedenfalls unter 1,3 Mio EUR liegenden Betrag. Somit seien aber die von der Beklagten zur Aufrechnung herangezogenen ältesten drei Forderungen zwingend im als nachrangig zu behandelnden Teilbetrag von 1,3 Mio EUR enthalten. Auf die weitere Überlegung des Erstgerichts, zur Vermeidung der offenbar nicht beabsichtigten Verringerung des Werts der Nachrangigkeitsvereinbarung durch Zahlungen müsse die Wirkung der Vereinbarung iSd § 1416 ABGB auf sukzessive erst nach dem 20. 6. 2008 begründete Forderungen bezogen werden, komme es für die Entscheidung daher nicht an, sodass diese Überlegung nicht zu überprüfen sei.
Der Aufrechnung mit den von der Beklagten herangezogenen Forderungen stehe daher die Wirkung der Nachrangigkeitsvereinbarung so lange entgegen, als nicht nach Befriedigung aller übriger Gläubiger noch ausreichende Mittel vorhanden seien.
Die Aufrechenbarkeit später fällig gewordener Forderungen sei nicht zu überprüfen, weil die Beklagte ihre Aufrechnungserklärung nur auf die drei ältesten Forderungen bezogen habe und ihr ergänzendes Vorbringen über die hilfsweise Aufrechnung mit später fällig gewordenen Forderungen zurückgewiesen worden sei.
Dass der Masseverwalter im Konkursverfahren auch die (reduzierte) Forderung der Beklagten im Hinblick auf die 1,3 Mio EUR betreffende Nachrangigkeitserklärung bestritten habe, ändere an diesem Ergebnis nichts. Da die Beklagte nur diesen Teil ihrer Gesamtforderung angemeldet habe, habe der Masseverwalter auch nur dazu Erklärungen abgeben können.
Der gegenteilige Standpunkt der Beklagten würde bedeuten, dass sie selbst es in der Hand habe, die von der Nachrangigkeitsvereinbarung erfassten Forderungen nachträglich selbst zu bestimmen. Dafür enthalte die Nachrangigkeitsvereinbarung aber keine Anhaltspunkte.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Aufrechenbarkeit mit von einer Rangrücktrittserklärung iSd § 67 Abs 3 KO umfassten Forderungen fehle.
Die Beklagte wendet sich in der Revision ausschließlich gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Nachrangigkeitserklärung und führt aus, dass die von ihr abgegebene Aufrechnungserklärung wirksam sei, weil sie sich auf die jeweils ältesten aufrechenbaren Forderungen bezogen habe.
Rechtliche Beurteilung
1) Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden. Entscheidend ist hier ausschließlich die Auslegung der im konkreten Fall zu beurteilenden Nachrangigkeitsvereinbarung. Fragen der Vertragsauslegung stellen regelmäßig nur dann erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS00112106 ua). Eine unvertretbare Auslegung der Vereinbarung durch das Berufungsgericht zeigt die Beklagte in ihrer Revision jedoch nicht auf.
2) Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist das Berufungsgericht nicht von den erstinstanzlichen Feststellungen abgegangen. Abgesehen davon, dass sich die Auslegung der Nachrangigkeitsvereinbarung durch die Vorinstanzen im hier entscheidenden Punkt gar nicht unterscheidet, stellt eine andere Auslegung einer Vereinbarung durch die zweite Instanz kein Abgehen von den erstgerichtlichen Feststellungen dar. Dass das Berufungsgericht seiner Auslegung einen anderen als den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt habe, trifft nicht zu.
3) Mit ihren auf die Forderungsanmeldung gestützten Ausführungen zum Umfang der von ihr erklärten Aufrechnung übersieht die Beklagte ihr Prozessvorbringen, mit dem sie sich unmissverständlich auf die Aufrechnung mit ihren ältesten drei Forderungen gestützt hat. Ihr späteres Vorbringen, mit dem sie sich hilfsweise auch auf später fällig gewordene Forderungen gestützt hat, wurde von den Vorinstanzen zurückgewiesen. Diese von ihr selbst vorgenommene Begrenzung des Prozessstoffs lässt die Beklagte in ihrem Rechtsmittel außer Acht.
4) Die grundsätzlichen Ausführungen der Revisionswerberin zur Rechtsnatur einer Nachrangigkeitsvereinbarung und zur Abgrenzung solcher Erklärungen zum Forderungsverzicht sind für die Entscheidung nicht relevant. Dass die Beklagte auf Forderungen verzichtet hat, hat das Berufungsgericht ohnedies nicht angenommen.
5) Mit dem Argument der Revisionswerber, dass der Masseverwalter ohnedies den von der Nachrangigkeitsvereinbarung erfassten Betrag von 1,3 Mio EUR in der Prüfungstagsatzung bestritten hat (bzw bestreiten konnte), sodass die vereinbarte Wirkung des Rangrücktritts gesichert sei, hat sich das Berufungsgericht ohnedies auseinandergesetzt. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz vermag die Revisionswerberin auch in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen. Zu Recht hat das Berufungsgericht insbesondere darauf verwiesen, dass die diesem Einwand zugrunde liegende Argumentation der Beklagten auf dem Standpunkt aufbaut, dass die Bestimmung der von der Nachrangigkeitserklärung erfassten Forderungen ihr selbst obliege. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Nachrangigkeitsvereinbarung nicht in diesem Sinn ausgelegt werden könne, ist keineswegs unvertretbar.
5) Welche Forderungen von der Nachrangigkeitsvereinbarung erfasst sind, ist - ebenso wie die Frage, wann ihre Wirkungen eintraten - eine Frage der Auslegung der hier konkret getroffenen Vereinbarungen. Die Auslegung durch das Berufungsgericht ist gut vertretbar. Dass allenfalls auch eine andere Auslegung möglich wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.
6) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger wies in der Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hin (RIS-Justiz RS0035979).
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