European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00075.24Y.0114.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Insolvenzrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
2. Die Revisionsrekursbeantwortung der Schuldnerin wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Über das Vermögen der M* GmbH wurde mit Beschluss vom 24. 3. 2017 ein (noch anhängiges) Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 20. 10. 2020 wurde W* R*, der auch der geschäftsführende Alleingesellschafter der Schuldnerin des gegenständlichen Verfahrens ist, ua wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB verurteilt, weil er als geschäftsführender Alleingesellschafter der M* GmbH das Vermögen dieser Gesellschaft um einen Betrag von zumindest 43.206,01 EUR verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert und/oder vereitelt hat, indem er insbesondere nur einen Betrag von 7.755,62 EUR statt der laut Rechnung vom 18. 8. 2016 und 31. 1. 2017 geschuldeten 52.390 EUR für den von der Schuldnerin des gegenständlichen Verfahrens angekauften Warenbestand bezahlte.
[2] Über Antrag des im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M* GmbH zum Insolvenzverwalter bestellten Rechtsanwalts (kurz Insolvenzverwalter der Gläubigerin) eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom 18. 10. 2023 das gegenständliche Insolvenzverfahren.
[3] Die Schuldnerin unterbreitete einen (verbesserten) Sanierungsplanvorschlag mit einer Gesamtquote von 35 %.
[4] Der Insolvenzverwalter der Gläubigerin beantragte in seiner Stellungnahme vom 2. 4. 2024 unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung des Geschäftsführers der Schuldnerin die Zurückweisung dieses Sanierungsplans.
[5] Das Erstgericht wies den Sanierungsplanvorschlag als gemäß § 141 Abs 2 Z 2 IO unzulässig zurück.
[6] Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der Schuldnerin im Sinne der Abweisung des Zurückweisungsantrags des Insolvenzverwalters der Gläubigerin ab. Es trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Insolvenzverfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Die Schuldnerin sei durch die Straftat begünstigt worden. Diese habe zu keinem Vermögensverfall der Schuldnerin geführt, für die Einleitung des Insolvenzverfahrens sei vielmehr der Anspruch des geschädigten Unternehmens auf Kaufpreiszahlung ursächlich. Es fehle daher ein Konnex zwischen der Kridahandlung des verurteilten Alleingeschäftsführers und dem gegenständlichen Insolvenzverfahren.
[7] Mit seinem von der Schuldnerin beantworteten Revisionsrekurs strebt der Insolvenzverwalter der Gläubigerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses an.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist wegen fehlender Rechtsmittellegitimation unzulässig.
[9] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist im Insolvenzverfahren nur der zum Rekurs legitimiert, der durch die angefochtene Entscheidung in einem Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht (RS0065135).
[10] 2. Zu 8 Ob 70/11v hat der Senat bereits ausgesprochen, dass mit einem Beschluss des Rekursgerichts, der dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrags des Schuldners auf Abschluss eines Sanierungsplans unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund (damals: § 141 Abs 2 Z 1 IO: flüchtiger Schuldner) aufträgt, in die Rechtsstellung eines einzelnen Gläubigers noch überhaupt nicht eingegriffen wird. Dies führte in jenem Fall zur Zurückweisung des (auch) von einer Gläubigerin erhobenen Revisionsrekurses wegen fehlender Rechtsmittellegitimation.
[11] 3. Gleiches gilt im gegenständlichen Fall, zumal der Umstand, dass der Insolvenzverwalter der Gläubigerin einen ausdrücklichen Zurückweisungsantrag gestellt hat, insofern ohne Bedeutung bleiben muss:
[12] Die Beschlüsse der Vorinstanzen ergingen im Vorprüfungsverfahren zu einem Sanierungsplan nach den §§ 140–142 IO. Im Rahmen seiner Vorprüfung hat das Insolvenzgericht die Unzulässigkeitsgründe von Amts wegen wahrzunehmen (Nunner‑Krautgasser/Anzenberger in KLS2 § 141 Rz 29 f). Die Stellung eines Zurückweisungsantrags durch einen Insolvenzgläubiger sehen die Vorschriften der §§ 140 ff IO über den Sanierungsplan nicht vor. Insolvenzgläubiger sind darauf beschränkt, unter der Voraussetzung dass sie dem Sanierungsplan nicht ausdrücklich zustimmten, gegen seine Bestätigung Rekurs zu erheben (§ 155 Abs 1 Z 1 IO) und dabei die Unzulässigkeit gemäß § 141 IO geltend zu machen (8 Ob 70/11v; Konecny, Die Zulässigkeit des Rekurses gegen Beschlüsse der Insolvenzgerichte, ÖJZ 2012, 1035 [1040]). Diese Gesetzessystematik verhindert, dass – wie im vorliegenden Fall geschehen – von einem Gläubiger ausgehend verzögernde Rechtsmittelverfahren über die Zulässigkeit eines Sanierungsplans geführt werden, der womöglich ohnehin nicht angenommen (§ 147 IO) oder sogar zurückgezogen werden wird. Jene tatsächlichen und rechtlichen Aspekte, die nach dem Standpunkt des Gläubigers die Unzulässigkeit des Sanierungsplans bewirken, aber vom Insolvenzgericht im Vorprüfungsverfahren nicht beachtet oder anders gesehen wurden, kann der Gläubiger – zumal er im Vorprüfungsverfahren keine Parteistellung bzw parteigleiche Stellung hat und damit hier nicht antrags‑ und rechtsmittellegitimiert ist (Konecny, ÖJZ 2012, 1039 f) – mit Rekurs gegen einen allfälligen Bestätigungsbeschluss ohne Beschränkung ins Treffen führen.
[13] 4. Auch hier ist der Revisionsrekurs daher mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.
[14] 5. Im Insolvenzverfahren ist das Rechtsmittelverfahren grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RS0116129 [T3]). Es besteht auch keine Veranlassung, ausnahmsweise aus Gründen der „Waffengleichheit“ die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung einzuräumen, zumal die Schuldnerin ihren rechtlichen Standpunkt bereits im eigenen Rechtsmittel vor dem Rekursgericht dargelegt hat. Auch die Revisionsrekursbeantwortung ist demnach zurückzuweisen.
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