OGH 8Ob686/86

OGH8Ob686/8626.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***

B***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wider die beklagte Partei prot.Fa. K*** & Co., Arsenalweg 1-3, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, wegen 206.170,38 S sA und Räumung, Revisionsstreitwert 561.525,87 S, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 10.September 1986, GZ 48 R 328/86-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.März 1986, GZ 48 C 590/84-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.569,95 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine Umsatzsteuer und keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am 17. August 1984 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 334.742,22 S sA und zur Räumung einer näher bezeichneten Grundfläche im Bereich des Aspangbahnhofes im wesentlichen mit der Begründung, sie habe als Eigentümerin dieser Grundfläche mit der Beklagten darüber einen Bestandvertrag geschlossen, auf Grund dessen die Beklagte zur Bezahlung bestimmter monatlicher Entgelte verpflichtet sei. Für die Zeit von Dezember 1983 bis Juni 1984 bestünden Rückstände an fälligen Bestandzinsen von insgesamt 334.742,22 S. Die Beklagte sei bereits seit mehreren Jahren trotz häufiger Mahnungen mit der ihr obliegenden Bestandzinszahlung ständig im Rückstand. Die Klägerin erkläre daher gemäß § 1118 ABGB ihren Vertrag mit der Beklagten für aufgelöst.

Die Beklagte bestritt das Bestehen von Mietzinsrückständen; sollten solche Rückstände entstanden sein, seien sie von der Klägerin gestundet worden.

Nachdem die Klägerin infolge der Behauptung weiterer Mietzinsrückstände und geleisteter Zahlungen der Beklagten ihr Zahlungsbegehren im Lauf dieses Rechtsstreites mehrfach geändert hatte, begehrte sie zuletzt in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.Juli 1985 (ON 16) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 206.170,38 S sA. Dabei handelte es sich um angeblich rückständige Bestandzinse für die Zeit von März bis Juni 1985.

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 4.September 1985 (ON 17; der Beklagten zugestellt am 11.Oktober 1985) stellte das Erstgericht im Sinne des § 33 Abs 3 MRG den Mietzinsrückstand der Beklagten per 26. Juli 1985 mit 206.170,38 S fest. Nach den in diesem Beschluß getroffenen Feststellungen handelt es sich bei diesem Betrag um die gesamten Bestandzinse für die Monate März bis Juni 1985; die Fälligkeit der monatlichen Bestandzinsforderungen trat mit dem 8. Tag des folgenden Monates ein.

In der folgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. März 1986 gestand die Beklagte zu, den mit dem Beschluß ON 17 festgestellten Rückstand und auch die übrigen in der Zwischenzeit aufgelaufenen Bestandzinse nicht bezahlt zu haben.

Das Erstgericht gab - abgesehen von der unbekämpft gebliebenen Abweisung eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens - dem Klagebegehren statt, wobei es rechtlich im wesentlichen davon ausging, daß im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der mit seinem rechtskräftigen Beschluß ON 17 festgestellte Mietzinsrückstand von 206.170,38 S offen aushafte; dies begründe den Räumungsanspruch der Klägerin.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, daß auch in der Zeit vom 3. bis 8. April 1985 ein Mietzinsrückstand der Beklagten bestanden habe, weil der restliche Mietzinsrückstand für Februar 1985 in der Höhe von 246,43 S nach übereinstimmendem Parteienvorbringen erst am 17. Juni 1985 bezahlt worden sei. Die Rechtsprechung stelle stets darauf ab, daß nur eine gänzliche Tilgung der Mietzinsschuld zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Verfahrens erster Instanz dem Räumungsanspruch nach § 1118 ABGB die Grundlage entziehe. Nahezu vollständige Zahlung bewirke nicht die Tilgung einer Schuld. Die Behauptung schikanöser Rechtsanwendung sei somit keinesfalls gerechtfertigt.

Dazu komme noch, daß die Beklagte im Zuge des Verfahrens nach der behaupteten Tilgung des Mietzinsrückstandes weitere qualifizierte Mietzinsrückstände habe auflaufen lassen, auf die die Klägerin ihr Räumungsbegehren ebenfalls gestützt habe und die in der Folge Gegenstand der Beschlußfassung nach § 33 Abs 3 MRG geworden seien. Selbst wenn also der Restrückstand für Februar 1985 von 246,43 S im Zeitraum 3. bis 8. April 1985 getilgt gewesen wäre, also tatsächlich ein Nullstand erreicht worden wäre, wäre dennoch das Räumungsbegehren wegen der neu aufgelaufenen Rückstände von 206.170,38 S (März bis Juni 1985) gerechtfertigt. Die Rechtsprechung hinsichtlich der gänzlichen Tilgung der Mietzinsrückstände während des Verfahrens und der dadurch möglichen Abwendung des Räumungsbegehrens sei nämlich nur dort anwendbar, wo diese Rückstände als Auflösungsgrund geltend gemacht würden. Für die Entscheidung maßgeblich sei ja nach § 406 ZPO die Rechts- und Sachlage bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Damit sei das Erstgericht zu Recht von einer bindenden Wirkung des Beschlusses nach § 33 Abs 3 MRG hinsichtlich des Räumungsbegehrens ausgegangen, obwohl in diesem Beschluß nur mehr Beträge für Zinszahlungszeiträume enthalten gewesen seien, die auf eine (hier nicht einmal erwiesene) gänzliche Tilgung gefolgt seien. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie (erkennbar nur im Umfang der Entscheidung über das Räumungsbegehren) aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Räumungsbegehrens abzuändern.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigen auch im Zuge eines auf § 1118 ABGB gestützten Räumungsprozesses aufgelaufene Bestandzinsrückstände das Räumungsbegehren, wenn diese Rückstände im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB zu qualifizieren sind (MietSlg 21.230, 30.223, 33.206, 37.185 ua; insoweit zustimmend auch Würth in Rummel, ABGB, Rz 19 zu § 1118 ABGB).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zuletzt die rückständigen vollständigen Mietzinse für die Monate März bis Juni 1985 eingeklagt. Dies kommt einer Einmahnung dieser Mietzinsrückstände im Sinne des § 1118 ABGB gleich. Eine neuerliche Erklärung der Vertragsauflösung war nicht erforderlich, weil die Klägerin ihre diesbezügliche Erklärung ohnehin bereits in der Klage abgegeben hatte und durch die Aufrechterhaltung des Räumungsanspruches eindeutig zum Ausdruck brachte, daß sie wegen der mangelhaften Vertragserfüllung durch die Beklagte die Vertragsauflösung begehrte (MietSlg 18.219 ua). Bei den für diese Monate bestehenden Mietzinsrückständen der Beklagten handelte es sich um solche im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB; die monatlichen Mietzinszahlungen waren jeweils am 8. des folgenden Monates fällig. Diese Mietzinsrückstände wurden von der Beklagten trotz ihrer Geltendmachung (= Einmahnung) spätestens in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.Juli 1985 und ihrer Feststellung im Sinne des § 33 Abs 3 MRG durch den rechtskräftigen Beschluß des Erstgerichtes vom 4.September 1985 (ON 17) bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz (am 3.März 1986) nicht berichtigt. Damit liegen die im § 1118 zweiter Fall ABGB normierten Voraussetzungen für die Aufhebung des Vertrages und damit für die Stattgebung des von der Klägerin gestellten Räumungsbegehrens eindeutig vor. Auf die weiteren Revisionsausführungen braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.

Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte