Spruch:
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 2.179,81 (darin Umsatzsteuer von S 198,15, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27.November 1984 ereignete sich gegen 10.20 Uhr auf der Andorfer Landesstraße Nr. 514 bei Km 11,4 (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen O 148.772 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges des Erstbeklagten. Der mit seinem PKW in Richtung Andorf fahrende Erstbeklagte stieß den Kläger, der die Fahrbahn - in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen - von rechts nach links überquerte, nieder. Der Kläger wurde verletzt, der PKW des Erstbeklagten beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen den Erstbeklagten zu U 318/84 des Bezirksgerichtes Raab ein Strafverfahren eingeleitet; der Erstbeklagte wurde rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 267.000,-- sA; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten - der Zweitbeklagten im Rahmen des den PKW des Erstbeklagten betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages - für zwei Drittel seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Der Kläger stützte sein Begehren im wesentlichen darauf, daß ihn zwar selbst ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, daß aber das dem Erstbeklagten anzulastende Verschulden mit zwei Dritteln zu bewerten sei. Der Erstbeklagte sei an einem seine rechte Fahrbahnhälfte blockierenden Streckenfahrzeug der Straßenmeisterei, an dem das gelbrote Drehlicht eingeschaltet gewesen sei, mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h vorbeigefahren und habe, obwohl er den hinter diesem Fahrzeug hervortretenden Kläger wahrnehmen und sehen habe können, daß dieser nicht in Richtung des herankommenden PKW des Erstbeklagten blickte, kein Hupsignal gegeben. Im übrigen hafte der Erstbeklagte jedenfalls nach den Bestimmungen des EKHG für die Unfallsfolgen, weil er nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet habe. Der Kläger habe bei dem Unfall Verletzungen erlitten, die den Zuspruch eines Schmerzengeldes von (ungekürzt) S 400.000,-- rechtfertigten.
Das Feststellungsinteresse des Klägers ist nicht mehr strittig. Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger. Für den Erstbeklagten habe es sich um ein unabwendbares Ereignis gehandelt. Der Erstbeklagte habe sich dem im Unfallsbereich abgestellten Fahrzeug der Straßenmeisterei mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h genähert und bei der Vorbeifahrt an diesem Fahrzeug einen Seitenabstand von 1,5 m eingehalten. Der Kläger sei hinter diesem Fahrzeug völlig überraschend auf die Fahrbahn getreten, ohne in Richtung des herankommenden PKW des Erstbeklagten zu schauen. Der Erstbeklagte habe auf dieses Verhalten des Klägers sofort mit einer Bremsung reagiert, habe aber den Unfall nicht mehr verhindern können. Die Verletzungen des Klägers rechtfertigten lediglich ein Schmerzengeld von (ungekürzt) S 100.000,--. Schließlich wendeten die Beklagten eine Schadenersatzforderung des Erstbeklagten aus diesem Verkehrsunfall von S 9.734,80 (Reparaturkosten S 6.734,80, Wertminderung S 3.000,--) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.
Die Höhe dieser Gegenforderung ist mit S 6.734,80 nicht mehr
strittig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am 27.November 1984 gegen 10.15 Uhr stellte Albert H*** den VW-Kombi der Straßenmeisterei R*** auf der Brücke beim Straßenkilometer 11,4 ab. H*** schaltete danach das gelbrote Drehlicht ein. In der Folge räumten er und der gleichfalls bei der Straßenmeisterei R*** beschäftigte Wilhelm P*** den Brückenrand, während der Kläger zuerst die am rechten Straßenrand befindlichen Schneestangen zurechtrückte. Zur gleichen Zeit näherte sich der Erstbeklagte mit seinem PKW der späteren Unfallstelle. Dieses Fahrzeug war mit einem Antiblockiersystem ausgerüstet. Er hielt ungefähr eine Geschwindigkeit von 90 km/h ein.
Die Fahrbahn vor und nach der schon erwähnten Brücke hat eine Asphaltbreite von etwa 6 m, wobei in der Fahrbahnmitte eine Leitlinie aufgetragen ist. Die Asphaltoberfläche ist in einem guten Bauzustand. Im Bereich der Brücke ist die Fahrbahn etwa 6,8 m breit. Die Andorfer Landesstraße verläuft 200 m vor der späteren Unfallstelle und mehrere hundert Meter darüber hinaus geradlinig. Der VW-Bus stand etwa in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte, gesehen in Fahrtrichtung des Erstbeklagten, und zwar so, daß die Vorderfront dieses Fahrzeuges von Kilometer 11,4 etwa 18 bis 19 m entfernt war.
Als der Erstbeklagte den VW-Bus sah, reduzierte er seine Geschwindigkeit auf etwa 70 km/h und lenkte sein Fahrzeug auf die linke Fahrbahnhälfte, und zwar so weit, daß zwischen der rechten Flanke seines PKW und der linken Flanke des VW-Busses ein Abstand von ca. 1,5 m verblieb.
Der Kläger wollte auch die Schneestangen auf dem gegenüberliegenden Bankett in Ordnung bringen, weshalb er in einem Abstand von 12 bis 13 m vor dem VW-Bus die Straße zu überqueren begann. Als er ca. 1 m von der gedachten verlängerten Kante des VW-Busses entfernt war, wurde er für den Erstbeklagten sichtbar, der von der gedachten Überquerungslinie des Klägers noch einen Abstand von 33 bis 34 m hatte. Diese Strecke durchfuhr er in etwa 1,8 Sekunden. Da der Kläger nicht in seine Fahrtrichtung schaute, bremste der Erstbeklagte und verlenkte nach rechts, weil er hoffte, damit hinter dem weitergehenden Kläger vorbeikommen zu können. Tatsächlich ging der Kläger auch weiter, und zwar bis 2,8 m von seinem Fahrbahnrand. Dann veranlaßten ihn die Bremsgeräusche des PKW des Erstbeklagten nach links zu schauen und einen Schritt zurück zu machen. Für die Wegstrecke von 1,7 m und einen kleinen Schritt zurück benötigte der Kläger bei normaler Gehgeschwindigkeit (gut 5 km/h) ca. 1,8 Sekunden. Ca. 2,5 m vom rechten Fahrbahnrand, das sind ca. 0,5 m von der Leitlinie entfernt, kam es dann zum Zusammenstoß, wobei die Anstoßgeschwindigkeit des PKW ca. 50 km/h betrug. Nach Ablauf der Reaktionszeit stand dem Erstbeklagten noch Zeit von ca. 0,75 Sekunden bzw. eine Strecke von 14 m zur Verfügung, um bewußt sein Fahrzeug gleichzeitig abzubremsen und zu verlenken. Der Kläger hätte das Fahrzeug des Erstbeklagten jedenfalls auf Höhe der linken Flucht des abgestellten VW-Busses sehen können. Wäre der Kläger mit seiner ursprünglichen Gehgeschwindigkeit weitergegangen, dann hätte er in der Zeit von 1,8 Sekunden 2,7 m zurückgelegt und wäre damit rund 1 m über der Fahrbahnmitte gewesen. Der Unfall wäre nur dann zu verhindern gewesen, wenn der Kläger mit einer Gehgeschwindigkeit von gut 7 km/h geradeaus weitergegangen und der Erstbeklagte sein Fahrzeug abgebremst und nach rechts verlenkt hätte.
Hätte der Erstbeklagte nach Ablauf einer Reaktionszeit von 0,7 bis 0,9 Sekunden ein Hupzeichen gegeben, dann wäre es für den Kläger 0,9 bis 1,1 Sekunden vor dem Zusammenstoß, also praktisch in seiner Reaktionszeit, hörbar geworden.
Das Einhalten einer Geschwindigkeit von ca. 55 km/h hätte dem Erstbeklagten ein Anhalten vor der Überquerungslinie des Klägers ermöglicht.
Der Kläger erlitt bei diesem Unfall eine Kopfprellung (möglicherweise mit leichter Gehirnerschütterung), eine Rißquetschwunde in der linken Scheitelgegend, eine Rißquetschwunde am rechten Ellenhaken mit Eröffnung des Schleimbeutels über dem Ellenhaken, einen Einstauchbruch des inneren rechten Schienbeinkopfes, einen knöchernen Kapselausriß des rechten Kniegelenks an der Innenseite der Kniegelenkskapsel, einen Riß des inneren Seitenbandes, des äußeren Seitenbandes und beider Kreuzbänder des rechten Kniegelenks mit blutigem Gelenkserguß. Der Kläger wurde nach dem Unfall sofort in das Krankenhaus Ried im Innkreis gebracht. Nach einer ersten klinischen Untersuchung wurden die Wunden am Ellenbogen gereinigt und der Schleimbeutel entfernt. Danach wurden die Wunden im Kniebereich gereinigt und genäht und das Kniegelenk punktiert; das Bein wurde in einem Spaltgipsverband ruhig gestellt. Bei der Operation am 30.November 1984 wurde der Einstauchbruch des inneren Schienbeinkopfes behoben und mit Knochenspänen unterfüttert; das Repositionsergebnis wurde mit Schrauben gehalten. Der gerissene Meniskus wurde entfernt, die gerissenen Bänder genäht. Sodann erfolgte eine Ruhigstellung des Beines im Gipsverband. Der Kläger erhielt während dieser Zeit schmerzstillende, abschwellende und thrombosehemmende Mittel bzw. Medikamente. Er wurde dann in der weiteren Folge allmählich mobilisiert und am 17.Dezember 1984 in ambulante Pflege entlassen, in deren Rahmen am Schienbeinkopf eine Fistel auftrat, die dann konservativ behandelt wurde. Am 21.Jänner 1985 wurden der Gipsverband abgenommen und das Kniegelenk bandagiert. Es erfolgten zweimal wöchentlich Bewegungsübungen im Krankenhaus. In der Zeit vom 16. April bis 22.April 1985 wurde das Fixationsmaterial entfernt und dann mit den Bewegungsübungen fortgefahren. Da die Fistel nicht abheilte, wurde in der Zeit vom 13.Mai bis 10.Juni 1985 eine Fistelrevision durchgeführt, an die eine Spül-Saug-Behandlung anschloß. Es erfolgte dann wiederum eine Ruhigstellung mit einem Gipsverband und eine Mobilisierung mit Stützkrücken. Dieser Gipsverband wurde am 16.Juni 1985 abgenommen und es erfolgten wieder Bewegungsübungen und Wundkontrollen. Die Behandlungen besserten die Beweglichkeit im Knie soweit, daß eine weitere Behandlung in einem Rehabilitationszentrum nicht mehr erforderlich wurde. Im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthaltes ab 25.November 1985 wurde eine Gelenkseiterung im Kniegelenk festgestellt und dadurch behandelt, daß die Knieinnenhaut entfernt und eine Spül-Saug-Drainage durchgeführt wurde. Es erfolgte dann wieder die übliche Mobilisierung und die Entlassung am 20.Dezember 1985. Weitere ambulante Behandlungen erfolgten bis 12.März 1986.
Am 30.Juli 1986 ergab sich nachstehendes Gesundheitsbild:
Der Kläger klagte über Schmerzen und verminderte Belastbarkeit im rechten Knie und rechten Bein. Es lag eine Gangstörung am rechten Bein vor. Der Gang wurde rechts hinkend ausgeführt. Es bestand eine geringe Verbiegung und Verdrehung des rechten Beines und eine Verdickung des rechten Kniegelenks als Ausdruck der Infektion. Es bestand auch eine beträchtliche Bewegungseinschränkung des Kniegelenks und auch eine Muskelschwäche des rechten Beines. Die Erwerbsminderung ist mit 30 % am allgemeinen Arbeitsmarkt zu bewerten. Spätfolgen sind wahrscheinlich, und zwar in Form einer verstärkten posttraumatischen Arthrose des rechten Kniegelenks. Starke Schmerzen bestanden beim Unfall selbst und bei jedem operativen Eingriff sowie am Beginn der Infektionen. Der Kläger hatte insgesamt über einen gerafften Zeitraum von 3 bis 4 Wochen an starken Schmerzen zu leiden. Die mittelstarken Schmerzen erstrecken sich über einen gerafften Zeitraum von 8 bis 10 Wochen. Die leichten Schmerzen einschließlich der überschaubaren zukünftigen Schmerzen bis Juli 1987 sind mit einer gerafften Zeitperiode von 5 bis eher 6 Monaten anzusetzen, falls keine weiteren Komplikationen im Heilungsverlauf auftreten. Die Weiterentwicklung der Schmerzen hängt von der Entwicklung der posttraumatischen Arthrose ab. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß dem Erstbeklagten kein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls angelastet werden könne. Der Erstbeklagte habe auf den Kläger, als dieser überraschend hinter dem stehenden Fahrzeug der Straßenmeisterei hervorgetreten sei, sofort reagiert. Die vom Erstbeklagten bei der Vorbeifahrt an dem Fahrzeug der Straßenmeisterei eingehaltene Geschwindigkeit von 70 km/h sei auf Grund der gegebenen Umstände nicht zu beanstanden. Es habe auch für den Erstbeklagten keine Verpflichtung bestanden, bei Annäherung an das abgestellte Fahrzeug der Straßenmeisterei eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Sorgfalt und Aufmerksamkeit anzuwenden. Hingegen habe der Kläger in grober Weise gegen § 76 Abs 4 lit b StVO verstoßen. Das Klagebegehren ist daher abzuweisen.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klagsforderung mit S 65.000,-- als zu Recht und mit S 202.000,-- als nicht zu Recht bestehend und die eingewendete Gegenforderung mit S 5.051,10 als zu Recht und mit S 4.683,70 als nicht zu Recht bestehend erkannte. Es verurteilte daher die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 59.948,90 sA und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 207.051,10 sA gerichtete Leistungsmehrbegehren des Klägers ab. Dem Feststellungsbegehren gab es in Ansehung eines Viertels der künftigen Unfallschäden des Klägers statt, wobei es die Haftung des Erstbeklagten mit den Bestimmungen der §§ 12 bis 16 EKHG und die Haftung der Zweitbeklagten zudem auf den Umfang des Haftpflichtversicherungsvertrages, wie er für den PKW des Erstbeklagten bestanden hat, beschränkte. Das Feststellungsmehrbegehren wies es ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich im wesentlichen aus, ein Kraftfahrer sei regelmäßig nicht verpflichtet, seine Fahrweise darauf einzustellen, daß hinter einem Autobus Fußgänger unachtsam und ohne Rücksicht auf den Fahrzeugverkehr die Fahrbahn zu überqueren suchten; er müsse lediglich damit rechnen, daß Fußgänger hinter einem solchen Omnibus einige Schritte in die Fahrbahn treten, um sich einen Überblick zu verschaffen. Durch den Seitenabstand von ca. 1,5 m, den der Erstbeklagte beim Vorbeifahren am Fahrzeug der Straßenmeisterei eingehalten habe, sei von ihm in durchaus ausreichender Weise gesichert worden, daß ein hinter dem Fahrzeug der Straßenmeisterei hervortretender Fußgänger ohne Gefährdung die Möglichkeit gehabt hätte, sich einen Überblick über die Verkehrslage zu schaffen. Die Geschwindigkeit von 70 km/h sei im Hinblick auf die für den Erstbeklagten damals gegebenen Sichtverhältnissen und den bei der Vorbeifahrt eingehaltenen großen Seitenabstand durchaus angemessen und könne nicht als überhöht qualifiziert werden. Daß es sich bei dem Fahrzeug, an dem der Erstbeklagte vorbeigefahren sei, um ein Fahrzeug des Straßendienstes mit eingeschaltetem gelbroten Drehlicht gehandelt habe, habe den Erstbeklagten zwar zu besonderer Vorsicht gegenüber diesem Fahrzeug verpflichtet, doch habe der Erstbeklagte bei Annäherung an dieses Fahrzeug nicht damit rechnen müssen, daß ein hinter diesem Fahrzeug hervortretender Straßenarbeiter ohne Rücksicht auf den Fahrzeugverkehr die Fahrbahn überqueren werde. Fahrzeugen des Straßendienstes komme abgesehen von der Vorschrift des § 27 Abs 1 StVO keine bevorzugte Stellung im Straßenverkehr zu.
Eine schuldhafte Übertretung von Verkehrsvorschriften und damit ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall sei dem Erstbeklagten demnach nicht anzulasten.
Damit sei aber den Beklagten der ihnen im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG obliegende Entlastungsbeweis noch nicht gelungen. Es handle sich nämlich nicht um einen nach § 11 Abs 1 EKHG zu beurteilenden Ausgleichsanspruch zwischen Beteiligten, sondern um einen nach § 7 Abs 1 EKHG zu beurteilenden Ersatzanspruch eines Dritten.
Gemäß § 9 Abs 1 EKHG sei die Ersatzpflicht des Halters ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden sei. Die Unabwendbarkeit eines Ereignisses im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG setze voraus, daß der Halter und die mit seinem Willen beim Betrieb des Fahrzeuges tätige Person jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hätten. Die Sorgfaltspficht im Sinne dieser Gesetzesstelle umfasse nicht die gewÄhnliche Verkehrssorgfalt, sondern die äußerste nach den Umständen des Falles mögliche Sorgfalt. Als Maßstab sei die Sorgfalt eines besonders umsichtigen und sachkundigen Kraftfahrers heranzuziehen. Die erhöhte Sorgfaltspflicht im Sinne dieser Gesetzesstelle gehe über die bloße Verpflichtung zur Beachtung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen hinaus. Sie setze nicht erst in der Gefahrenlage ein, sondern verlange, daß auch schon vorher vermieden werde, in eine Situation zu kommen, aus der eine Gefahr entstehen könne. Allerdings dürfe diese Sorgfaltspflicht auch nicht überspannt werden; es solle eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung vermieden werden.
Von diesen Grundsätzen ausgehend sei dem Erstbeklagten der ihm obliegende Entlastungsbeweis nicht gelungen. Denn ein besonders umsichtiger und sachkundiger Kraftfahrer hätte ohne jede Überspannung seiner Sorgfaltspflicht der Möglichkeit, daß sich im Bereich des Fahrzeuges der Straßenmeisterei Straßenarbeiter befinden, die durch die von ihnen durchzuführenden Arbeiten von der Beobachtung des Straßenverkehrs soweit abgelenkt sind, daß sie sich auf der Straße unvorsichtig bewegen, durch weitere und ausreichende Herabsetzung seiner Fahrgeschwindigkeit Rechnung getragen, bevor noch ein derartiges Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer für ihn erkennbar gewesen wäre, auch wenn er auf Grund der diesbezüglichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung dazu nicht verpflichtet gewesen sei. Da demnach der Erstbeklagte durch seine Fahrweise zwar nicht gegen eine ausdrückliche Verkehrsvorschrift verstoßen, aber eine bei äußerster Sorgfalt ohne weiteres vermeidbare Gefahrenlage herbeigeführt habe, könne nicht davon gesprochen werden, daß er im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hätte.
Es hafte daher der Erstbeklagte als Halter seines PKW und die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer gemäß § 63 Abs 1 KFG nach den Bestimmungen des EKHG - und damit nur im Rahmen der in diesem Gesetz normierten Haftungshöchstbeträge - für die Folgen der Verletzung des Klägers, wobei im Sinne des § 7 Abs 1 EKHG das Verschulden des Klägers zu berücksichtigen sei.
Die Grundsätze des § 1304 ABGB seien auch bei Zusammentreffen von Verschuldens- und Gefährdnungshaftung anzuwenden. Das Verschulden des Klägers liege in einer groben Verletzung der ihn gemäß § 76 Abs 4 lit b StVO obliegenden Verpflichtung, erst dann auf die Fahrbahn zu treten, wenn er sich vergewissert habe, daß er hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährde. Dieses schuldhafte Fehlverhalten des Klägers überwiege zwar seinem Gewicht nach die den Beklagten zuzurechnende Betriebsgefahr des PKW des Erstbeklagten bei weitem, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, daß es gerechtfertigt erscheine, diese Betriebsgefahr als Zurechnungskriterium überhaupt zu vernachlässigen. Es erscheine vielmehr nach den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt; allerdings sei die Schadenersatzpflicht der Beklagten mit den im EKHG normierten Haftungshöchstbeträgen zu begrenzen.
Die festgestellten Unfallsfolgen rechtfertigten zwar kein dem Kläger gebührendes Schmerzengeld von S 400.000,--, da die Dauerfolgen doch nicht so gravierend seien; es erscheine aber ein Schmerzengeld von S 260.000,-- gerechtfertigt. Infolge der Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers bestehe daher die eingeklagte Schmerzengeldforderung nur mit einem Viertel des Schmerzengeldbetrages von S 260.000,--, demnach mit S 65.000,--, zu Recht.
Die eingewendete Gegenforderung bestehe mit drei Vierteln des Betrages von S 6.734,80, also mit S 5.051,10 zu Recht. Auf Grund der Möglichkeit des Auftretens gesundheitlicher Spätfolgen sei das Feststellungsbegehren des Klägers grundsätzlich gerechtfertigt. Hiebei sei gleichfalls darauf Bedacht zu nehmen, daß die Beklagten dem Kläger nur zu einem Viertel zu haften hätten, wobei die Haftung mit den im EKGH normierten Haftungshöchstbeträgen zu begrenzen sei.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten.
Der Kläger bekämpft sie im Umfang der Abweisung seines Leistungsbegehrens mit einem Betrag von S 116.863,70 sA und seines Feststellungsbegehrens in Ansehung eines Viertels seiner künftigen Schäden (wohl auch, obwohl dies nicht ausdrücklich ausgeführt wird, im Umfang der Beschränkung der Haftung der Beklagten auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG) aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klagsforderung mit S 180.000,--, die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung mit S 3.187,40 festgestellt werde und die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt werden, dem Kläger noch einen weiteren Betrag von S 116.863,70 samt 4 % Zinsen seit dem Klagstag zu bezahlen; "ferner daß festgestellt werde, daß die Beklagten dem Kläger für alle künftigen schädlichen Folgen, die sich aus dem Unfall vom 27. November 1984 ergeben, zur Hälfte solidarisch zu haften haben". Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes in ihrem klagsstattgebenden Teil gleichfalls aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.
I) Zur Frage des Schadensteilung:
Hier stellt sich der Kläger in seiner Rechtsrüge auf den Standpunkt, daß das ihm anzulastende Mitverschulden mit 50 % zu bewerten sei, daß aber den Erstbeklagten ein mit 50 % zu bewertendes Verschulden treffe. Die Beklagten hätten daher - ohne Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG - nach den Bestimmungen des ABGB für die Hälfte der Schäden des Klägers einzustehen. Dem gegenüber vertreten die Beklagten in ihrer Rechtsrüge den Standpunkt, daß sie auch nicht nach den Bestimmungen des EKHG für die dem Kläger zugefügten Schäden einzustehen hätten, weil dem Erstbeklagten der Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG gelungen sei.
Wegen des engen sachlichen Zusammenhanges kann hier zu beiden Rechtsmitteln gleichzeitig Stellung genommen werden. Ein haftungsbegründendes Verschulden des Erstbeklagten, also einen schuldhaften Verstoß des Erstbeklagten gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, haben die Vorinstanzen mit Recht verneint.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß andere Straßenbenützer im Sinne der Vorschrift des § 27 StVO einem Fahrzeug des Straßendienstes gegenüber zu besonderer Vorsicht verpflichtet sind (ZVR 1976/99; ZVR 1982/74; 8 Ob 115/81; 8 Ob 143/81 ua). Allein im vorliegenden Fall handelt es sich nicht darum, daß ein Fahrzeug des Straßendienstes einen Schaden verursacht hätte oder von einem anderen Verkehrteilnehmer beschädigt worden wäre; hier geht es um die Beurteilung der Schadenersatzpflicht der Beklagten gegenüber einem Fußgänger, der hinter einem Fahrzeug des Straßendienstes für den Erstbeklagten überraschend die Fahrbahn überquerte. In gleichgelagerten Fällen - dort Fahrzeuge der Müllabfuhr betreffend - hat der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden, daß ein in der Nähe eines solchen Fahrzeuges tätiger Arbeiter nicht ohne weiteres darauf vertrauen darf, daß ihn andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden werden. Der an einem solchen im Stillstand befindlichen Fahzeug vorbeifahrende Fahrzeuglenker ist daher lediglich verpflichtet, seine Fahrweise darauf einzustellen, daß ein Arbeiter so weit hinter dem Müllfahrzeug hervortritt, daß er sich einen Überblick über die Verkehrslage verschaffen kann. Er darf daher nicht zu knapp an dem Müllfahrzeug vorbeifahren; zu weiteren Vorsichtsmaßnahmen ist er aber nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht verpflichtet (2 Ob 167/72; ZVR 1981/249). Die gleichen Überlegungen haben uneingeschränkt für im Stillstand befindliche Fahrzeuge des Straßendienstes zu gelten. Im vorliegenden Fall hat der Erstbeklagte durch die festgestellte Einhaltung eines Seitenabstandes von ca. 1,5 m beim Vorbeifahren an dem im Stillstand befindlichen Fahrzeug der Straßenmeisterei seiner dargetellten rechtlichen Verpflichtung durchaus hinlänglich Rechnung getragen. Daß aus irgendwelchen sonstigen Gründen die vom Erstbeklagten im Feilandgebiet eingehaltene Fahrgeschwindigkeit einem gesetzlichen Gebot widersprochen hätte, ist nicht hervorgekommen. Eine Verpflichtung zur Abgabe eines Warnsignals beim Vorbeifahren an einem stehenden Fahrzeug besteht allgemein nicht; ein Warnzeichen ist nur abzugeben, wenn es aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist (ZVR 1984/30 ua). Im vorliegenden Fall bestand vor Erkennbarkeit des verkehrswidrigen Verhaltens des Klägers für den Erstbeklagten kein Anlaß zur Abgabe eines Warnzeichens; danach wäre es aber sinnlos gewesen, weil es dem Kläger keine zweckentsprechende Reaktion mehr ermöglicht hätte. Im übrigen hat der Erstbeklagte auf das verkehrswidrige Verhalten des Klägers nach Erkennbarkeit ohne Reaktionsverzug und zweckentsprechend reagiert. Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen dem Erstbeklagten einen schuldhaften Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften nicht angelastet.
Durchaus zutreffend ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß dem Erstbeklagten der ihm obliegende Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG nicht gelungen ist. Das Berufungsgericht hat die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob im Sinne dieser Gesetzesstelle jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt angewendet wurde, richtig und vollständig dargestellt; diesbezüglich kann auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Es trifft auch durchaus zu, daß von einem besonders umsichtigen und sachkundigen Kraftfahrer ohne jede Überspannung seiner Sorgfaltspflicht vorausgesetzt werden kann, daß er, mag dazu auch keine gesetzliche Verpflichtung bestehen, an einem im Stillstand befindlichen Fahrzeug des Straßendienstes, in dessen Umgebung für ihn erkennbar Straßenarbeiten durchgeführt werden, nicht mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h vorbeifährt, weil für ihn die Überlegung naheliegt, daß sich im Bereich dieses Fahrzeuges weitere Arbeiter befinden könnten, die, durch ihre Arbeit abgelenkt, dem Straßenverkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zuwenden. Mangels Erbringung des Entlastungsbeweises im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG haftet daher der Erstbeklagte als Halter seines PKW (und mit ihm die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer) für die dem Kläger zugefügten Schäden nach den Bestimmungen des EKHG. Gemäß § 7 Abs 1 EKHG ist ein Mitverschulden des Klägers unter Anwendung der Vorschrift des § 1304 ABGB zu berücksichtigen.
Der Kläger stellt nun in seiner Revision gar nicht in Abrede, daß ihn ein Verschulden an dem eingetretenen Unfall (schuldhafter Verstoß gegen § 76 Abs 4 lit b und Abs 5 StVO) trifft. Berücksichtigt man, daß die Beklagten wegen Nichterbringung des Entlastungsbeweises nach § 9 Abs 2 EKHG nur für die Betriebsgefahr des PKW des Erstbeklagten einzustehen haben, während der Kläger für den Fußgänger geltende fundamentale Grundsätze der Straßenverkehrsordnung schuldhaft übertreten hat, dann ist nach den Umständen des vorliegenden Falles in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensteilung ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen (vgl ZVR 1980/225; ZVR 1981/84; ZVR 1982/258 ua).
II) Zum Schmerzengeld:
Hier versucht der Kläger in seiner Rechtsrüge darzutun, daß das ihm gebührende Schmerzengeld mit (ungekürzt) S 360.000,-- zu bemessen sei.
Auch dem kann nicht gefolgt werden.
Es trifft sicher zu, daß der Kläger bei dem Unfall vom 27. November 1984 schwer verletzt wurde. Im Vordergrund steht die Verletzung seines rechten Beines, deren Heilung nicht komplikationslos ablief und die zu nicht unbeträchtlichen Dauerfolgen führte. Betrachtet man aber die bisher überschaubaren Verletzungsfolgen in ihrer Gesamtheit, dann sind sie nicht als so schwerwiegend zu qualifizieren, daß sie im Hinblick auf annähernd vergleichbare Fälle die Bemessung des dem Kläger zustehenden Schmerzengeldes mit dem von ihm verlangeten Betrag rechtfertigen könnten. Es ist vielmehr auch in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schmerzengeldbemessung mit (ungekürzt) S 260.000,-- ein Rechtsirrtum zu Lasten des Klägers nicht erkennbar (vgl die bei Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht5, im Entscheidungsteil unter Nr. 1776 bis 1789 angeführten Fälle).
Den Revisionen beider Streitteile muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel haben beide Streitteile selbst zu tragen. Den Beklagten gebührt der Ersatz der Differenz der Kosten der von beiden Streitteilen erstatteten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Revisionsbeantwortungen.
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