OGH 8Ob652/85

OGH8Ob652/8511.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder 1.) Ernst A, geboren am 25.12.1968,

2.) Erich A, geboren am 15.1.1971, und 3.) Kurt A,

geboren am 13.7.1974, infolge Revisionsrekurses der ehelichen Mutter Antonia A, Hausbesorgerin, Sautergasse 20/8, 1170 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 29.August 1985, GZ 43 R 529/85-134, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.Mai 1985, GZ 5 P 316/78-129, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die mj.Ernst, Erich und Kurt A sind die ehelichen

Kinder des Erich und der Antonia A; die Ehe der Eltern wurde im Jahr 1978 geschieden. Die drei mj.Kinder befinden sich bei ihrem Vater, dem auch die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten allein zustehen.

Mit Beschluß vom 20.5.1985 (ON 129 d.A.) wies das Erstgericht den am 28.2.1985 vom ehelichen Vater gestellten Antrag auf Erhöhung der der Mutter mit Beschluß vom 9.3.1982 (ON 80 d.A.) auferlegten Unterhaltsbeiträge von 500 S, 600 S und 300 S auf 1.200 S, 1.500 S und 1.000 S zu erhöhen, dem sich das zum besonderen Sachwalter bestimmte Bezirksjugendamt für den 6./7.Bezirk anschloß (ON 122 und 124 d.A.), mit der Begründung ab, daß sich das Einkommen der Mutter seit der letzten Unterhaltsfestsetzung nicht erhöht habe, sie weiterhin als Hausbesorgerin beschäftigt sei und sonst keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehe und es ihr auf Grund der derzeitigen Arbeitsmarktlage auch kaum möglich wäre, mehr als 6.000 S monatlich netto zu verdienen; die bisher festgesetzten Unterhaltsbeträge seien daher der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mutter nach wie vor angemessen. Dem vom Bezirksjugendamt für den 6./7.Bezirk namens der drei mj.Kinder erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz dahin Folge, daß es den angefochtenen Beschluß im Sinne der Erhöhung der monatlichen Unterhaltsbeiträge an die Kinder auf 1.000 S für Ernst A und auf je 800 S für die beiden anderen mj.Kinder abänderte und das Unterhaltsmehrbegehren abwies. Die auf Grund der Aktenlage vom Rekursgericht ergänzend getroffenen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Mutter der Minderjährigen hat nach wie vor einen Hausbesorgerposten und bezieht neben der freien Wohnung ein monatliches Nettoeinkommen von 781 S. In ihrem Haushalt lebt ihre am 29.5.1979 geborene ae.Tochter Manuela B, die einen Ganztagskindergarten besucht, für den die Mutter wöchentlich 105 S bezahlen muß. Antonia A übt sonst keinen Beruf aus, sie betreut eine Tante, von der sie finanziell unterstützt wird und die ihr das Essen und die Wochenkarte bezahlt und bei der sie auch ihre Wäsche waschen kann. Der mj.Ernst besuchte bis Juni 1985 die

4. Klasse Hauptschule; Erich ist mongoloid, Kurt besucht eine Schule für Behinderte. Antonia A hat keinen Beruf erlernt, sie ist voll arbeitsfähig und war bis 1.9.1981 als teilzeitbeschäftigte Bedienerin tätig.

Rechtlich führte das Rekursgericht aus, daß Antonia A im Hinblick auf das Bestehen der Sorgepflichten alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ein angemessenes Einkommen zu erzielen, zu ergreifen habe. Unterlasse ein Unterhaltspflichtiger, eine ihm unter Einsatz seiner Kräfte und Fähigkeiten mögliches Einkommen zu erzielen, so werde in Anwendung dieses Anpassungsgrundsatzes von dem fiktiven erzielbaren Einkommen ausgegangen. Dem erzielbaren Einkommen des Unterhaltspflichtigen seien auch der Geldwert von ihm zukommenden Sachbezügen hinzuzurechnen. Im gegenständlichen Fall sei daher davon auszugehen, daß die Mutter der Minderjährigen unter Einsatz ihrer Kräfte und Fähigkeiten zum Beispiel als Bedienerin oder Hilfsarbeiterin ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen einschließlich Sonderzahlungsanteil von 6.000 S erzielen könnte; dazu komme das monatliche Hausbesorgerentgelt von 781 S sowie die Hausbesorgerwohnung als Sachbezug im Wert von mindestens 500 S monatlich. Es könne somit davon ausgegangen werden, daß Antonia A in der Lage wäre, monatlich zumindest durchschnittlich 7.300 S zu verdienen. Unter Berücksichtigung aller ihr anzulastenden Sorgepflichten sei ihre monatliche Unterhaltsverpflichtung für den mj.Ernst mit 1.000 S und für die beiden anderen Kinder mit je 800 S anzunehmen. Wenn die Betreuung ihrer Tante jene Zeit in Anspruch nehme, die sie sonst zur Ausübung einer Berufstätigkeit benötigen würde, müßte sie entweder von ihrer Tante ein angemessenes Entgelt verlangen oder eine andere angemessen bezahlte Erwerbstätigkeit aufnehmen. Da sich gegenüber der letzten Unterhaltsbemessung im Jahre 1982 sowohl die Bedürfnisse der Kinder als auch die Einkommensverhältnisse erhöht hätten, seien die Voraussetzungen für die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung der Mutter gegeben. Diese Entscheidung des Rekursgerichtes wurde der ehelichen Mutter am 27.9.1985 zugestellt. Am 30.9.1985 gab Antonia A den an das Landesgericht für ZRS Wien gerichteten Revisionsrekurs zur Post, der von diesem Gericht dem Erstgericht übermittelt wurde und dort am 24.Oktober 1985 einlangte. In diesem Revisionsrekurs wendet sich die eheliche Mutter gegen die Erhöhung der ihr auferlegten Unterhaltsbeiträge für die drei Kinder. Dieser Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß zunächst die Zulässigkeit und dann erst die Rechtzeitigkeit eines Rekurses zu prüfen ist (EFSlg 44.433 ua). Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Zur Bemessung gehört die Beurteilung ua der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (Jud.60 neu = SZ 27/177; EFSlg 44.575 uva). Auch die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen nach der sogenannten Anspannungstheorie betrifft dessen Leistungsfähigkeit und gehört damit in den Rahmen des einen Rechtszug an den Obersten Gerichtshof gemäß § 14 Abs 2 AußStrG ausschließenden Fragenkomplexes der Unterhaltsbemessung (EFSlg 30.508, 37.315; RZ 1981/7; EFSlg 44.580 uva). Die Beurteilung dieser Frage kann daher nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Da die Revisionsrekurswerberin in ihrem Rechtsmittel sich lediglich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes wendet, ihr sei es möglich, einer zusätzlichen Beschäftigung nachzugehen und damit ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 7.300 S zu erzielen, wirft sie nur Fragen auf, die in den Bemessungskomplex fallen und daher einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen sind.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs müßte aber auch selbst bei Annahme seiner Zulässigkeit zurückgewiesen werden, weil das Rechtsmittel der Mutter nach Ablauf der im § 11 Abs 1 AußStrG normierten 14tägigen Rechtsmittelfrist eingebracht wurde. Der auch im Außerstreitverfahren anzuwendende Grundsatz, daß die Tage des Postenlaufes in die Rechtsmittelfrist nicht einzurechnen sind, gilt nämlich nur dann, wenn das Rechtsmittel beim zuständigen Gericht, im vorliegenden Fall dem Erstgericht, eingebracht wurde, was hier aber nicht der Fall war. Nach § 11 Abs 2 AußStrG hat das Recht des Gerichtes, auf ein verspätetes Rechtsmittel Rücksicht zu nehmen, zur Voraussetzung, daß sich die angefochtene Entscheidung ohne Nachteil eines Dritten abändern läßt. "Dritter" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist jede am Verfahren beteiligte vom Rechtsmittelwerber verschiedene Person, somit im vorliegenden Fall der Vater und die Kinder. Diese haben durch die angefochtene Entscheidung Rechte erlangt (vgl.EFSlg 30.481; 34.944 uva); eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung wäre somit ohne Nachteil dieser Personen nicht möglich. Es müßte daher das vorliegende Rechtsmittel der Mutter selbst im Falle seiner Zulässigkeit als verspätet zurückgewiesen werden.

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