Spruch:
Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung (darin 308,85 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 6. Juli 1953 geborene Peter P*** und die am 12. Oktober 1955 geborene Leopoldine P*** haben am 23. Dezember 1976 vor dem Standesamt Melk ihre beiderseits erste Ehe geschlossen, der die beiden Kinder Rene, geboren am 2. Jänner 1979, und Bianca, geboren am 23. Dezember 1980, entstammen. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Pöchlarn. Spätestens seit dem Jahr 1982 unterhielt Peter P*** außereheliche geschlechtliche Beziehungen zur Gertrude P***. 1983 machte er unter dem Vorwand seiner Versicherungstätigkeit diese Frau auch mit der Klägerin bekannt. Gertrude P*** war in der Folge wiederholt in der Ehewohnung zu Besuch und half auch gelegentlich der Klägerin. Eine Zustimmung zu diesem Ehebruch hat die Klägerin nie erteilt. Aber auch Leopoldine P*** unterhielt ehewidrige Beziehungen zu ihrem Nachbarn Josef A***; deshalb kam es zwischen den Streitteilen zu Auseinandersetzungen und am 8. Juli 1984 vor dem Wohnhaus der Streitteile in Pöchlarn zu Mißhandlungen und Verletzungen der Klägerin durch ihren Mann. Wegen dieser Mißhandlungen und weiterer Drohungen des Beklagten verließ die Klägerin die eheliche Wohnung. Bis zum 8. Juli 1984 unterhielten die Streitteile noch mitsammen geschlechtliche Beziehungen. In der Folge trat jedoch wegen dieser Vorfälle eine völlige Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses ein. Nach dem 8. Juli 1984 leistete der Beklagte für seine Frau und die Kinder keinen Unterhalt mehr, obwohl er dazu, zumindest eingeschränkt, (teilweise Arbeitsunfähigkeit nach den Folgen eines Verkehrsunfalles) in der Lage gewesen wäre. Während des Scheidungsverfahrens wurde die Klägerin wiederholt vom Beklagten auch im Straßenverkehr belästigt und verfolgt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß beide Streitteile durch schwere Eheverfehlungen, nämlich durch ehewidrige Beziehungen, der Beklagte darüber hinaus auch noch durch Mißhandlung und Verletzung der Klägerin sowie durch Unterhaltsvernachlässigung die Zerrüttung der Ehe verschuldet hätten. Der Beklagte habe zwar mehr Eheverfehlungen als die Klägerin zu verantworten, es sei aber zu berücksichtigen, daß die Mißhandlung der Klägerin eine Reaktion auf ihre ehewidrigen Beziehungen gewesen sei und die Verletzung der Unterhaltspflicht erst nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft in der Phase völliger Zerrüttung der Ehe erfolgt sei. Von einem überwiegenden Verschulden des Beklagten könne daher nicht gesprochen werden.
Das Gericht zweiter Instanz gab keiner der von beiden Streitteilen erhobenen Berufungen Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete auch die von beiden Teilen erhobene Rechtsrüge als unberechtigt. Von den Feststellungen ausgehend, habe der Beklagte neben anderen Eheverfehlungen auch einen Ehebruch zu verantworten, sodaß die Ehe der Streitteile jedenfalls nach den §§ 47 und 49 EheG zu scheiden gewesen sei. Da der Beklagte aber auch einen Mitschuldantrag erhoben und die behaupteten ehewidrigen Beziehungen seiner Frau zu Josef A*** bewiesen habe, sei gemäß § 60 Abs. 3 EheG über das Ausmaß des Verschuldens der beiden Streitteile an der Zerrüttung der Ehe abzusprechen gewesen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile komme es auf das Gesamtverhalten der Ehegatten während der ganzen Ehe und darauf an, wessen Verfehlungen die erste Ursache für die weiteren gewesen seien und inwieweit sie allenfalls andere bedingt und schließlich zum Scheitern der Ehe geführt hätten. Dabei sei entscheidend, welche Eheverfehlung Ursache für die Zerrüttung der Ehe gewesen sei und wodurch die Zerrüttung unheilbar geworden sei. Nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung begangene Eheverfehlungen kämen aber bei der Beurteilung der Frage, welchen der beiden Ehegatten das überwiegende Verschulden treffe, keine entscheidende Rolle zu. Der Beklagte habe zwar mit Gertrude P*** bereits Jahre hindurch die Ehe gebrochen, das entscheidende Ereignis sei jedoch die Auseinandersetzung am 8. Juli 1984 gewesen, als der Beklagte die Klägerin wegen ihrer ehewidrigen Beziehungen zu Josef A*** mißhandelt und in der Folge bedroht habe, sodaß sie den ehelichen Haushalt verlassen habe. Wenn es auch nicht für den Beklagten spreche, daß er, der selbst die Ehe gebrochen habe, bei einem ähnlichen Verdacht die Klägerin brutal mißhandelt habe, so ändere dies doch nichts daran, daß es diese ehewidrigen Beziehungen der Klägerin gewesen seien, die schließlich zum Auszug der Klägerin und damit zur Unheilbarkeit der Zerrüttung ihrer Ehe geführt hätten. Die weiteren Eheverfehlungen des Beklagten, die Unterhaltsverletzung sowie die Belästigung der Klägerin, seien erst nach der Zerrüttung der Ehe erfolgt, sodaß ihnen entscheidendes Gewicht nicht mehr zukomme. Der Klägerin müsse wohl zugebilligt werden, daß die Eheverfehlungen ihres Mannes zahlreicher und schwerwiegender seien. Trotzdem könne aber nicht davon gesprochen werden, daß der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile so augenscheinlich sei, daß neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teiles das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund trete, sodaß ein Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines der Streitteile im Sinne des § 60 Abs. 1 EheG unmöglich sei.
Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richten sich die Revisionen beider Teile.
Die Klägerin bekämpft das Berufungsurteil in Ansehung des Verschuldensausspruches aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs. 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne des Ausspruches des alleinigen oder doch zumindest überwiegenden Verschuldens des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte macht in seiner Revision den Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag geltend, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung der Scheidungsklage abzuändern; hilfsweise stellt auch er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.
Der Beklagte erstattete keine Rechtsmittelgegenschrift.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind zulässig, keiner kommt jedoch Berechtigung zu.
Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Rechtssache durch die Vorinstanzen liege nach Ansicht des Beklagten darin, da beide Instanzen nicht berücksichtigt hätten, daß die Klägerin seinem Ehebruch mit Gertrude P*** zugestimmt und diesen geradezu ermöglicht bzw. aktiv an sexuellen Beziehungen zu dritt teilgenommen habe. Das Berufungsgericht habe es unterlassen, die für die richtige rechtliche Beurteilung notwendigen Feststellungen zu treffen. Aus der Aussage der Zeugin P*** und der Parteienaussage des Beklagten selbst ergäbe sich bei richtiger Würdigung der übrigen Indizien eindeutig, daß die Klägerin diesen Ehebruch ermöglicht, erleichtert, ihm zugestimmt und an ihm auch teilgenommen habe, bzw. daß durch Fortsetzung des ehelichen Verkehrs eine Verzeihung dieses Scheidungsgrundes eingetreten sei. Mit diesen Ausführungen bringt der Beklagte den geltend gemachten Revisionsgrund jedoch nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Der Beklagte geht bei diesen Ausführungen nämlich nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus. Er zeigt dabei auch keinen der Rechtsrüge zuzuordnenden konkreten Feststellungsmangel auf, er versucht vielmehr allein in einer auch im Eheverfahren unzulässigen Weise (EFSlg. 6951/7 uva) die Beweiswürdigung und Feststellungen der Vorinstanzen über die von ihm gesetzten Eheverfehlungen und das Verhalten seiner Frau dazu zu bekämpfen.
Der Revision des Beklagten konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
Dem von der Klägerin in ihrer Revision geltend gemachten Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit wurde durch den Berichtigungsbeschluß des Berufungsgerichtes vom 30. Juli 1987 (ON 80 dA), mit welchem der in der Revision gerügte Schreibfehler berichtigt wurde, die Grundlage entzogen.
In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Klägerin gegen den Schuldausspruch der Vorinstanzen; ihrer Ansicht nach hätten die Vorinstanzen das überwiegende Verschulden des Beklagten an der Scheidung aussprechen müssen. Insoweit die Klägerin dabei meint, der Beklagte hätte sie am 8. Juli 1984 letztlich "auf einen bloßen Verdacht hin" geschlagen und bedroht, im Verfahren seien keine Anhaltspunkte für Eheverfehlungen hervorgekommen, die sie vor diesem Zeitpunkt gesetzt hätte, und sie daraus ein Überwiegen des Verschuldens ihres Mannes an der Scheidung ableiten möchte, ist auch ihre Rechtsrüge nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt. Den dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Ausführungen sowohl des Erstgerichtes im Rahmen der Beweiswürdigung als auch des Berufungsgerichtes im Zuge der Erledigung der von der Klägerin in der Berufung erhobenen Beweisrüge ist nämlich zu entnehmen, daß die Vorinstanzen zu der Überzeugung gelangt sind, diese ehewidrigen Beziehungen der Klägerin zu A*** hätten bereits vor dem 8. Juli 1984 bestanden (vgl. Ersturteil S 5, Berufungsurteil S 6). Die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden des Beklagten kommt daher nicht in Frage.
Der Revisionswerberin ist allerdings beizupflichten, daß die vom Beklagten am 8. Juli 1984 gesetzte Eheverfehlung, nämlich die Mißhandlung der Klägerin, keineswegs als entschuldbare Reaktion des Beklagten auf Eheverfehlungen der Klägerin gewertet werden kann, sondern eine schwere Eheverfehlung des Beklagten darstellt; damit ist aber für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, weil die Vorinstanzen dem Beklagten dieses Verhalten ohnedies als Eheverfehlung angelastet haben.
Das überwiegende Verschulden eines Teiles im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 2 EheG kann aber nur dann angenommen werden, wenn der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensteile so augenscheinlich ist, daß neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teiles das Verschulden des anderen Teiles fast völlig in den Hintergrund tritt (vgl. Schwind2 251; Schwind in Klang2 I/1 837; EFSlg. 31.704 ff, 38.787, 41.281, 43.692 uva). Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß bei der Beurteilung der Verschuldensfrage Eheverfehlungen, die nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurden, keine entscheidende Rolle spielen (EFSlg. 29.625, 31.711, 41.277, 43.688 ua). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile im Juli 1984 mit dem Auszug der Klägerin aus der Ehewohnung eingetreten. Kommt aber den nach Juli 1984 dem Beklagten anzulastenden Eheverfehlungen, nämlich der Unterhaltsverletzung der Klägerin und den Kindern gegenüber sowie den wiederholten Belästigungen der Klägerin im Straßenverkehr für die Frage, welchen der beiden Streitteile das überwiegende Verschulden an der Scheidung trifft, keine entscheidende Bedeutung zu, so bleiben für die Verschuldensabwägung allein die beiderseitigen ehewidrigen Beziehungen der Streitteile, nämlich des Beklagten zu Gertrude P*** und der Klägerin zu Josef A***, sowie die Mißhandlungen der Klägerin durch den Beklagten aus Anlaß der Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen am 8. Juli 1984 übrig. Bei Beurteilung der Verschuldensfrage ist auch eine Wertung der Eheverfehlungen mit Rücksicht auf die Grundsätze der Ehe vorzunehmen (EFSlg. 34.047, 36.386 ff, 41.276 ua). Von diesem Gesichtspunkt ausgehend halten die Verstöße beider Streitteile gegen die eheliche Treue einander im wesentlichen die Waage. Wenngleich das ehewidrige Verhalten des Beklagten aus Anlaß der Auseinandersetzung am 8. Juli 1984 nicht bagatellisiert werden darf, so muß den Vorinstanzen doch darin beigepflichtet werden, daß das Verschulden des Beklagten auch bei Berücksichtigung dieser Eheverfehlung kein solches Gewicht erreicht, um sagen zu können, es dränge die eheliche Untreue der Klägerin völlig in den Hintergrund. Damit erweist sich aber auch die Revision der Klägerin als unberechtigt, weshalb auch ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Der Erfolglosigkeit beider Revisionen entsprechend haben die Parteien deren Kosten selbst zu tragen. Dem Abwehrerfolg der Klägerin entsprechend gebührt ihr der Ersatz der Kosten der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)