OGH 8Ob630/89

OGH8Ob630/897.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse M***, Angestellte, 7412 Wolfau 224, vertreten durch Dr. Gerhard Ochsenhofer, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Erwin M***, Arbeiter, 7412 Wolfau 224, vertreten durch Dr. Rudolf Höfler, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 20. März 1989, GZ. R 87/89-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 4. Jänner 1989, GZ. 1 b C 89/88 -16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 617,70 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin beantragt die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten aus dessen Verschulden, weil er durch andauernden übermäßigen Alkoholgenuß, ordinäre Beschimpfungen, grundlose Eifersucht und mangelnde Unterhaltsleistung die unheilbare Zerrüttung der Ehe herbeigeführt habe.

Dagegen wendete der Beklagte ein, die Ehe sei noch nicht unheilbar zerrüttet, im Falle des Vorliegens einer unheilbaren Zerrüttung sei diese jedoch auf "Entgleisungen" der Klägerin zurückzuführen, welche seit Aufnahme einer Tätigkeit als Vertreterin wiederholt abends nicht nachhause gekommen und sogar bis in die Morgenstunden unterwegs gewesen sei. Hieraus resultierten eheliche Auseinandersetzungen, die Klägerin verletzte auch offenbar die eheliche Treue und sei habgierig. Es treffe sie daher jedenfalls ein Mitverschulden an der Ehezerrüttung.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus deren beiderseitigem gleichteiligem Verschulden. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die am 6. Mai 1964 geschlossene Ehe der Streitteile, der zwei großjährige Kinder entstammen, verlief zunächst durchaus harmonisch. Im Jahre 1978 begann die Klägerin als Vertreterin zu arbeiten. Der Beklagte war gegen eine berufliche Tätigkeit seiner Frau, fand sich jedoch schließlich damit ab, weil sie aus der Mitversicherung bei ihm ausgeschieden war. Die Vertretertätigkeit der Klägerin brachte es mit sich, daß sie öfters erst spät in der Nacht nach Hause kam, was dem Beklagten mißfiel und weshalb er ihr Vorwürfe machte. Auch wenn die Klägerin auf einer Veranstaltung mit jemandem tanzte oder mit einem ihrer Kunden ein Gespräch führte, war der Beklagte unbegründet eifersüchtig. Nachdem er sich im Jahre 1985 einer Herzoperation unterzogen hatte verschlechterte sich das Eheleben der Streitteile soweit, daß zwischen ihnen sehr häufig teils auch lautstarke Auseinandersetzungen stattfanden, weil sie offensichtlich nicht mehr imstande waren, allfällige Konfliktpunkte zu bereinigen. Im Zuge dieser Streitigkeiten beschimpften die Streitteile einander und es kam auch zu Tätlichkeiten zwischen ihnen. Solcherart lebten sie sich immer mehr auseinander.

Das Erstgericht kam zu der Schlußfolgerung, daß die Ehe unheilbar zerrüttet sei und die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Es wertete die auf die mit der Berufstätigkeit der Klägerin verbundenen Umstände und die unbegründete Eifersucht des Beklagten zurückgehenden gegenseitigen Beschimpfungen der Ehegatten und die häufigen, auch tätlichen Auseinandersetzungen als beiderseitige schwere Eheverfehlungen; das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe keinen der Ehegatten erheblich schwerer als den anderen. Das Berufungsgericht hielt weder die Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung noch die Rechtsrüge des Beklagten für gerechtfertigt und gab seiner Berufung demgemäß nicht Folge. Es verwies darauf, daß eine Zerrüttung der Ehe bereits dann vorliege, wenn die geistig-seelisch-körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die sittliche Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens auf einer Seite auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat, daß die Zerrüttungswirkung auch allmählich eintreten könne und die Ehegatten zur anständigen Begegnung, also zur Vermeidung von Beleidigungen, Kränkungen und Mißhandlungen, von Verdächtigungen, von Verleumdungen und Bedrohungen verpflichtet seien. Vorliegendenfalls hätten beide Ehegatten schuldhaft derartige Verhaltensweisen gesetzt und durch das beiderseitige ehewidrige Verhalten sei das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ehegatten erloschen und die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft der Streitteile nicht mehr zu erwarten. Da auf der gegebenen Feststellungsgrundlage auch die Verwirkungsklausel des § 49 zweiter Satz EheG nicht zum Tragen komme, müsse das Rechtsmittel erfolglos bleiben.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung wendet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Klageabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Soweit der Revisionswerber die vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen als unrichtig bekämpft, ist er darauf zu verweisen, daß ein berufungsgerichtliches Urteil vor dem Revisionsgericht nur aus den im § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO taxativ aufgezählten Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angefochten werden kann.

Die Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ist daher unzulässig und demgemäß sind sämtliche hierauf bezogenen Revisionsausführungen unbeachtlich. Soferne der Revisionswerber hierin die Feststellung des Beginnes der Berufstätigkeit der Klägerin mit dem Jahre 1978 als Aktenwidrigkeit rügt, ist hierauf schon wegen rechtlicher Unerheblichkeit dieses Umstandes nicht weiter einzugehen.

In seiner Rechtsrüge verweist der Revisionswerber darauf, daß das Gericht das gegenseitige ehewidrige Verhalten genau gegenüberzustellen und die Schwere der Eheverfehlungen genau abzuwägen habe und daß Krisen in jeder Ehe vorkämen, so daß deswegen noch nicht der Mangel einer geistig-seelischen und körperlichen Gemeinschaft angenommen werden dürfe. Der Beklagte habe ernsthafte, wenn auch unrichtige "Kittungsversuche" zur Rettung der Ehe unternommen und es wäre erst nach einer länger andauernden Zeit "die Scheidung der Ehe infolge unheilbarer Zerrüttung" auszusprechen gewesen. Das Berufungsgericht hätte das erstgerichtliche Urteil deswegen aufheben müssen, weil es in seiner Beweiswürdigung "nicht auf das Beweisergebnis" eingegangen sei. Die Scheidung nach § 49 EheG setze die Feststellung von Eheverfehlungen voraus. Hier stehe nicht fest, in welcher Form Verdächtigungen, Verleumdungen und Bedrohungen erfolgt seien.

Diese Ausführungen, die teilweise inhaltlich eine Verfahrensrüge darstellen, sind im Ergebnis nicht stichhältig.

Das Berufungsgericht hat auf Seite 3 seiner Entscheidung zwar nur allgemein zur erstrichterlichen Beweiswürdigung Stellung genommen, es hat diese aber insgesamt als lebensnah und nachvollziehbar gewertet und erklärt, daß es keine Bedenken dagegen hege. Nach ständiger Rechtsprechung kann selbst eine unzureichende Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befaßt hat, ist sein Verfahren mangelhaft geblieben (7 Ob 37/67, 6 Ob 553/82, 7 Ob 808, 809/82 uva.). Selbst eine knapp gehaltene Begründung, die erkennen läßt, daß eine Überprüfung stattgefunden hat, genügt demnach gerade noch (8 Ob 132, 133/79, 6 Ob 586/82 ua.). Auch der Vorwurf, die Tatsacheninstanzen hätten keine Eheverfehlungen festgestellt, ist unbegründet. Das Erstgericht hat auf der Grundlage der Aussagen der beiden vernommenen Zeugen und der Streitteile (siehe Urteil Seite 3 f.) die sodann vom Berufungsgericht übernommene Feststellung getroffen, daß im Jahre 1985 eine Verschlechterung des Ehelebens der Streitteile eintrat, zwischen diesen sehr häufig und teils auch lautstarke Auseinandersetzungen stattfanden, die Ehegatten im Zuge dieser Streitigkeiten sich jeweils gegenseitig mit Schimpfwörtern belegten und daß auch Tätlichkeiten erfolgten. Der Beklagte machte der Klägerin wegen ihrer berufsbedingten abendlichen

Abwesenheit - hinsichtlich dieser gesteht er in der Berufung (AS 57) aber selbst zu, daß die Klägerin wegen seines krankheitsbedingten geringen Einkommens zur Erweiterung ihrer Vertretertätigkeit gezwungen war - und auch aus Eifersucht immer wieder unbegründet Vorwürfe.

Wiederholte, nicht milieubedingte Beschimpfungen, insbesondere aber mit Beschimpfungen und Tätlichkeiten verbundene Streitigkeiten über einen langen Zeitraum stellen grundsätzlich schwere Eheverfehlungen dar (3 Ob 138/74, 6 Ob 503/81, 5 Ob 662/81, 8 Ob 672, 673/86 uva.). Diesen Charakter verlieren sie auch nicht deswegen, weil dem anderen Ehegatten etwa ein gleiches Verhalten zur Last fällt (EFSlg 8513). Auch in ständiger unbegründeter Eifersucht liegt eine Eheverfehlung, die geeignet ist, die eheliche Gemeinschaft zu zerrütten.

Die Vorinstanzen haben dem Beklagten in ihrer rechtlichen Beurteilung somit zutreffend schwere Eheverfehlungen angelastet, die objektiv zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe beigetragen haben, wobei sie in tatsächlicher Hinsicht und demnach für den Obersten Gerichtshof unüberprüfbar zugrundelegten, daß auch in subjektiver Hinsicht jedenfalls die Klägerin jegliche eheliche Gesinnung verloren hat. Dies genügt nach ständiger Rechtsprechung aber für die Annahme der bereits tatsächlich eingetretenen unheilbaren Zerrüttung einer Ehe (EFSlg 33.958, 36.333, 41.241, 7 Ob 718/88 uva.). Die Revisionsausführungen über das Vorliegen einer bloßen Krise in der Ehe der Streitteile und den Mangel einer unheilbaren Ehezerrüttung gehen daher nicht von der für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungsgrundlage aus und sind insoweit unbeachtlich. Die vom Revisionswerber geforderte genaue förmliche Gegenüberstellung der gegenseitigen Eheverfehlungen und eine genaue Abwägung des jeweiligen Gewichtes erübrigte sich hier, weil einerseits von beiderseitigen gleichartigen ehewidrigen Verhaltensweisen ausgegangen wurde und andererseits nur ein erheblich unterschiedliches Verschulden an der Ehezerrüttung zu einem Ausspruch überwiegenden Verschuldens eines Gatten führen kann, der in der Revision aber gar nicht behauptet und gefordert wurde. Ob das Berufungsgericht bei der Aufzählung einzelner Verhaltensweisen, welche gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung verstießen, mit der vom Revisionswerber gerügten Anführung auch von "Verdächtigungen, Verleumdungen und Bedrohungen" nur einen allgemeinen beispielsweisen Hinweis auf die erforderliche Schwere der Verfehlungen geben oder z.B. auch auf die mit der Eifersucht des Beklagten verbundenen ungerechtfertigten Vorwürfe und auf die festgestellten Tätlichkeiten verweisen wollte, kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben, so daß sich die vom Revisionswerber insoweit vermißten konkreten Feststellungen erübrigen.

Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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