Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die am 7. Juli 1970 geborene Verena A*** ist ein eheliches Kind der Ursula A*** und des Wolfgang A***. Die Ehe der Eltern wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. September 1971 geschieden. Anläßlich der Scheidung ihrer Ehe schlossen die Eltern am 10. September 1971 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie unter anderem vereinbarten, daß die mj. Verena in Pflege und Erziehung der Mutter bleibt (Bd. I ON 1). Dieser Vergleich wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9. Dezember 1971 in Ansehung des Kindes pflegschaftsbehördlich genehmigt (Bd. I ON 4). Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 16. Jänner 1974 wurde die Pflege und Erziehung der mj. Verena (mit Zustimmung beider Eltern) den Großeltern mütterlicherseits Viktor und Johanna G*** überlassen und angeordnet, daß das Kind ohne Zustimmung des Gerichtes nicht von ihnen entfernt werden darf (Bd. I ON 36). Seither lebt das Kind nach der Aktenlage bei seinen Großeltern. An dieser Regelung wurde bisher nichts geändert. Der Vater wurde zuletzt ab 1. Oktober 1983 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von DM 600,-- für das Kind verpflichtet (Bd. II ON 157).
Am 27. September 1985 stellte die Mutter den Antrag, die dem Vater für das Kind obliegende monatliche Unterhaltsleistung ab 1. Oktober 1985 auf DM 800,-- zu erhöhen (Bd. II ON 158). Das Erstgericht gab diesem Antrag statt. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß es nach wie vor die alleinige Verpflichtung des Vaters sei, für den "finanziellen Unterhalt" des Kindes aufzukommen, da die Mutter "die Versorgungsleistung" für das Kind erbringe. Bei einem Monatsdurchschnittseinkommen von rund S 84.000,-- sei eine Unterhaltsleistung von monatlich DM 800,-- für das 16-jährige Kind von der Bedarfsseite her gerechtfertigt und dem Vater trotz seiner sonstigen Sorgepflichten wirtschaftlich zumutbar.
Das Rekursgericht änderte mit dem angefochtenen Beschluß diese Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Unterhaltserhöhungsantrag der Mutter abwies.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, daß sich nach dem Akteninhalt das Kind praktisch seit der am 10. September 1971 erfolgten Scheidung der Ehe der Eltern bei den Großeltern mütterlicherseits in Judenburg befinde, in deren Haushalt es aufwachse und von denen es betreut werde. Den Großeltern mütterlicherseits stehe auch die Pflege und Erziehung des Kindes zu. Bei Anwendung der Vorschrift des § 140 Abs. 2 ABGB sei davon auszugehen, daß sich das Kind weder im Haushalt der Mutter noch im Haushalt des Vaters, sondern in Drittpflege bei den Großeltern mütterlicherseits in Judenburg befinde, sodaß nicht gesagt werden könne, daß die Mutter dadurch, daß sie den Haushalt führe, in dem sie das Kind betreue, ihrer Unterhaltsverpflichtung nachkomme und nicht zum Geldunterhalt herangezogen werden könne. Der den Haushalt führende Elternteil genüge seiner Beitragspflicht nur dann, wenn er das Kind tatsächlich betreue. Es sei dabei unmaßgeblich, ob der haushaltsführende Elternteil ausschließlich oder - besonders wenn er berufstätig sei - nur während bestimmter Tageszeiten oder überhaupt nur an bestimmten Tagen sich der Betreuung des Kindes widme. Er könne solche Betreuungsleistungen auch an dritte Personen delegieren, wenn er sich nur die Oberaufsicht über die Pflege und Erziehung des Kindes bewahre und vorbehalte. Diese anteilige Unterhaltspflicht leiste der haushaltsführende Elternteil aber nur dann, wenn sich das Kind zumindest zeitweise in seinem Haushalt befinde und er für das Kind tatsächlich Betreuungsleistungen erbringe.
Im vorliegenden Fall sei die Pflege und Erziehung des Kindes den Großeltern mütterlicherseits übertragen, in deren Haushalt in Judenburg das Kind aufwachse und von denen es auch betreut werde. Das Kind befinde sich nicht im Haushalt seiner Mutter, die in der BRD wohne. Ihr stehe auch nicht die Oberaufsicht über die Pflege und Erziehung ihrer Tochter zu, weil diese rechtskräftig den Großeltern mütterlicherseits übertragen worden sei, die hiefür auch die alleinige Verantwortung zu tragen hätten.
Das Rekursgericht könne daher seine in früheren Entscheidungen vertretene Rechtsansicht, daß die Mutter ihrer anteiligen Unterhaltspflicht dadurch entspreche, daß sie von ihrem Wohnort in der BRD mindestens zweimal im Monat nach Judenburg zureise, sich dort mehrere Tage im Haushalt ihrer Eltern aufhalte und während dieser Zeit sowie in den Schulferien ihre Tochter betreue, nicht mehr aufrecht erhalten.
Befinde sich das Kind aber weder im Haushalt der Mutter noch in dem des Vaters, sondern in Drittpflege, dann hätten beide Elternteile anteilig im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zum Unterhalt des Kindes finanziell beizutragen. Bei Inanspruchnahme nur des Vaters sei auf die anteilige Verpflichtung der Mutter zur Leistung von Geldunterhalt auch ohne ausdrückliche Antragstellung und unabhängig davon, ob von dem Kind gegen die Mutter ein Unterhaltsfestsetzungsantrag gestellt worden sei, Bedacht zu nehmen. In welchem Verhältnis der Geldunterhalt von beiden Elternteilen zu leisten sei, könne in der Regel erst beurteilt werden, wenn die Lebensverhältnisse beider Elternteile festgestellt seien. Im vorliegenden Fall könne aber schon auf Grund der Aktenlage davon ausgegangen werden, daß ein Geldunterhalt des Vaters in der bisher geleisteten Höhe von DM 600,-- im Monat nicht unter jenem Betrag gelegen sei, den er bei Heranziehung auch der ebenfalls gut verdienenden Mutter für seine Tochter zu bezahlen hätte. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Dieser Revisionsrekurs ist zulässig. Die Mutter macht in ihrem Rechtsmittel im wesentlichen geltend, daß sie im Sinne des § 140 Abs. 2 ABGB ihren Beitrag zum Unterhalt des Kindes dadurch leiste, daß sie den Haushalt führe, in dem sie das Kind betreue; sie sei daher nicht zur Leistung von Geldunterhalt für das Kind verpflichtet. Dabei handelt es sich um keine Bemessungsfrage im Sinne des § 14 Abs. 2 AußStrG. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Grundes des Anspruches, wenn als Vorfrage für die Bemessung des vom anderen Elternteil zu erbringenden Geldunterhaltes zu beurteilen ist, ob ein Elternteil seinen Beitrag zur Deckung der den Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes schon dadurch leistet, daß er den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut (EFSlg. 47.177). Hingegen handelt es sich bei der Beurteilung, inwieweit sich eine bestehende Unterhaltspflicht des einen Elternteiles auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des anderen auswirkt, um eine Bemessungsfrage im Sinne des § 14 Abs. 2 AußStrG (EFSlg. 44.591, 47.159 ua.).
Rechtliche Beurteilung
Sachlich ist der Revisionsrekurs aber nicht berechtigt. Daß das Rekursgericht an seine in früheren Entscheidungen über andere Anträge vertretene Rechtsansicht nicht gebunden war, bedarf keiner näheren Begründung.
Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Gemäß § 140 Abs. 2 ABGB leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Beitrag. In den Gesetzesmaterialien (AB 587 BlgNR 14. GP, abgedruckt in Klang 2 Erg.Bd. 45) wird dazu unter anderem ausgeführt:
"Während die Regierungsvorlage darauf abstellt, daß das Kind in dem - von einem Elternteil geführten - Haushalt aufwächst, soll nach Ansicht des Justizausschusses maßgeblich sein, daß das Kind in dem Haushalt betreut wird. Damit wird die Regel nicht nur auch auf bereits erwachsene - aber noch nicht selbsterhaltungsfähige - Kinder anwendbar, sondern es wird auch deutlich ausgedrückt, daß der betreffende, den Haushalt führende Elternteil nur dann seiner Beitragspflicht nach Abs. 1 genügt, wenn er das Kind tatsächlich betreut. Mit diesem Ausdruck wird auf die Obsorge abgestellt, die ein Kind im Rahmen eines Haushalts im allgemeinen erfährt; hiezu zählen besonders die Zubereitung der Nahrung, die Instandhaltung und Reinigung der Kleidung und Wäsche sowie die Pflege im Krankheitsfall. Unmaßgeblich ist dabei, ob der haushaltsführende Elternteil ausschließlich oder, besonders weil er berufstätig ist, nur während bestimmter Tageszeiten oder überhaupt nur an bestimmten Tagen sich der Betreuung des Kindes widmet. Es leistet daher auch z. B. der geschiedene Elternteil, dem die Elternrechte zustehen, seinen Beitrag im Sinne dieser Bestimmung, wenn er das Kind tagsüber in einem Hort, bei den Großeltern oder einem Dritten unterbringt. Auch wenn das Kind während der Woche in einem Internat untergebracht ist und sich nur an Wochentagen, zu den Feiertagen und während der Ferien bei diesem Elternteil befindet, leistet er einen vollen Beitrag zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes."
Im Hinblick darauf kann kein Zweifel daran bestehen, daß nach der Absicht des Gesetzgebers der Elternteil, dem die Pflege und Erziehung des Kindes als Teil der Elternrechte zusteht (§§ 144, 177 ABGB), seinen Beitrag im Sinne des § 140 Abs. 2 erster Satz ABGB dann leistet, wenn er zur Betreuung des Kindes, das sich zumindest zeitweise in einem von ihm geführten Haushalt befindet, tatsächlich Betreuungsleistungen erbringt (vgl. EFSlg. 35.276). Unter diesen Umständen ist aber für den Standpunkt der Mutter auch dann nichts zu gewinnen, wenn man von der Richtigkeit ihrer im Revisionsrekurs aufgestellten Behauptungen ausgeht, daß sie in Judenburg einen eigenen (von ihren Eltern getrennten) Haushalt führt, in dem sie sich nach ihren beruflichen Möglichkeiten (sie ist in der BRD als Stewardeß berufstätig und hat nach eigenen Angaben dort auch einen Wohnsitz) aufhält und in dem sie - gleichfalls nach Maßgabe ihrer beruflichen Möglichkeiten - Betreuungsleistungen für ihre Tochter erbringt. Denn die Mutter ist im Hinblick auf den rechtskräftigen Beschluß des Erstgerichtes vom 16. Jänner 1974 (Bd. I ON 36) zur Pflege und Erziehung ihrer Tochter nicht berechtigt; diese Pflege und Erziehung steht allein den Großeltern mütterlicherseits zu und es kann daher auch keine Rede davon sein, daß die Mutter die ihr zustehende Pflege und Erziehung ihres Kindes nur tatsächlich dritten Personen übertragen und sich selbst die Oberaufsicht vorbehalten hätte.
Unter diesen Umständen kann sich aber die Mutter, auch wenn sie - nach ihren beruflichen Möglichkeiten - tatsächliche Betreuungsleistungen für ihre Tochter erbringen sollte, nicht darauf berufen, daß sie dadurch im Sinne des § 140 Abs. 2 erster Satz ABGB ihren Beitrag zum Unterhalt dieses Kindes leiste.
Wie weit sich die demnach zu bejahende Unterhaltspflicht der Mutter auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des Vaters auswirkt, ist, wie bereits oben ausgeführt, eine der Kognition des Obersten Gerichtshofes entzogene Bemessungsfrage im Sinne des § 14 Abs. 2 AußStrG; diesbezüglich wird im Rechtsmittel der Mutter auch nichts ausgeführt.
Dem Revisionsrekurs der Mutter mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
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