Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß das Urteil lautet:
Die gerichtliche Aufkündigung der Wohnung top. 25 im Haus Wien 10., Leebgasse 54, vom 6.Oktober 1989 wird aufgehoben. Das entsprechende Räumungsbegehren wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.896,72 (eingeschlossen 2.769,12 Umsatzsteuer und S 2.282,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des gesamten Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Seit 1956 war Ignaz S***** Hauptmieter der verfahrensbetroffenen Wohnung. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1980/1981 wohnte er dort mit seiner Ehegattin, der Beklagten, und dem gemeinsamen Sohn Ewald S*****. Es wurde ein gemeinsamer Haushalt geführt und gemeinsam gewirtschaftet; seit Ewald S***** berufstätig war, gab er seinen Eltern unregelmäßig Kostgeld. Nach der Pensionierung zog Ignaz S***** gemeinsam mit der Beklagten nach Güssing in ein eigenes Haus; die Beiden beabsichtigten nicht mehr, in die Mietwohnung zurückzukehren. Ewald S***** blieb in der Mietwohnung. Er wohnt sohin seit 1956 durchgehend in dieser Wohnung, eine andere Wohnung besitzt er nicht. Die Wohnungsüberlassung wurde dem Vermieter (Rechtsvorgänger des Klägers) weder von Ignaz S***** noch von der Beklagten angezeigt. Auch als Ignaz S***** am 7.8.1984 in Güssing starb, teilte die Beklagte, der sein Nachlaß eingeantwortet wurde, dies dem Vermieter nicht mit. Siewar wie ihr Sohn Ewald S***** der (Rechts-)Meinung, daß nach dem Tod ihres Mannes die Mietrechte automatisch auf sie übergingen. Sie zahlte auch nach dem Auszug aus der Mietwohung (seit 1980/81) und selbst nach dem Tod ihres Gatten stets unter dessen Namen den Mietzins, sodaß in den Zinslisten Ignaz S***** nach wie vor als Mieter aufschien.
Der Kläger kündigte der Beklagten die Mietwohnung aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4, 5 und 6 MRG auf.
Die Beklagte erhob gegen die gerichtliche Aufkündigung vom 6.10.1989 Einwendungen, bestritt das Vorliegen der Kündigungsgründe sowie ihre passive Klagslegitimation, weil ihr Sohn Ewald S***** gemäß § 19 Abs 4 MietG nach Überlassung der Wohnung Hauptmieter geworden sei.
Nachdem das Erstgericht im ersten Rechtsgang die Kündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen, das Gericht zweiter Instanz in des dieses Urteil zur nähreren Prüfung des Einwands der (vom Erstgericht verneinten) Passivlegitimation der Beklagten ohne Rekurszulassung aufgehoben hatte, gab das Erstgericht im zweiten Rechtsgang (ohne ausdrückliche Aufrechterhaltung der Aufkündigung) dem Räumungsbegehren statt. Es stellte weiter fest, daß Ignaz S***** beim Auszug im Jahr 1980/81 mit seinem Sohn Ewald keine Vereinbarung über die Überlassung der Wohnung und damit der Mietrechte getroffen, ihm aber die weitere Benützung der Wohnung gestattet habe. Es folgerte daraus rechtlich, daß auch keine konkludente Willensübereinstimmung über die Übertragung der Mietrechte vorgelegen sei, zumal Ewald S***** (wie die Beklagte) der Meinung gewesen sei, daß die Beklagte nach dem Tod des Ignaz S***** Mieterin werde, und die Mietzinszahlungen weiterhin durch die Beklagte unter dem Namen des Ignaz S***** vorgenommen worden seien. Es bestünden sohin die im § 863 ABGB für die Ablehnung stillschweigender Übereinkunft normierten Zweifel am Rechtsfolgewillen des Iganz und des Ewald S***** hinsichtlich der Wohnungsüberlassung. Da im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters keine eintrittsberechtigten Personen mit ihm in der aufgekündigten Wohnung gelebt hätten, sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG erfüllt.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes zur Passivlegitimation der Beklagten als Alleinerbin des seinerzeit verbliebenen Hauptvermieters, nahm allerdings nicht den Kündigungsgrund der Z 6, sondern jenen der Z 5 des § 30 Abs 2 MRG als gegeben an.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist berechtigt.
Gemäß dem im Zeitpunkt des Auszuges des Ignaz S***** und der Beklagten 1980/81 geltenden § 19 Abs 4 MietG gilt nicht als Weitergabe im Sinne des Abs 2 Z 10, wenn der Mieter die Wohnung verläßt und sie Verwandten in gerader Linie überläßt, falls diese mindestens die letzten zwei Jahre mit ihm im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben; der bisherige Mieter hat die Überlassung dem Vermieter anzuzeigen; von da an sind die bezeichneten zurückgebliebenen Angehörigen als Mieter anzusehen und für den Mietzins zahlungspflichtig.
Die Rechtsprechung hat unter dem Verlassen der Wohnung einen tatsächlichen Vorgang verstanden, bei dem der weichende Mieter die Benützung der Wohnung aufgibt und der zurückbleibende Angehörige die Benützung der Wohnung übernimmt; dabei kommt es auch auf die Absicht der Parteien an, die Überlassung muß vom Willen beider Parteien umfaßt sein; der Konsens kann auch in Form des § 863 ABGB "erklärt" werden; dabei ist der Wille aus dem gesamten Verhalten der Parteien zu erschließen (MietSlg. 29.383; 29.384; 31.447 uva; Zingher, MietG18 124 f). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wollten Ignaz S***** und die Beklagte die Benützung der Wohnung endgültig aufgeben und diese dem zurückbleibenden Sohn, der die Voraussetzungen des § 19 Abs 4 MietG in zeitlicher Hinsicht erfüllt, allein überlassen. Der Umstand, daß nun alle Beteiligten als juristische Laien der offenbar irrigen Rechtsmeinung waren, Ignaz S***** bleibe Mieter und nach dessen Tod werde die Beklagte automatisch Mieterin, und sich bei der Zahlung des Mietzinses dieser irrigen Rechtsmeinung gemäß verhielten, muß bei der Beurteilung des tatsächlichen, vom Willen des Gatten und des Sohnes der Beklagten getragenen Vorgangs der Überlassung und Übernahme der Wohnungsbenützung außer Betracht bleiben (vgl. MietSlg. 29.384), weil nach der genannten Gesetzesbestimmung die Rechtsfolge des Mietrechtsüberganges automatisch eintritt. Die Prüfung, ob durch bestimmte Handlungen eine konkludente Mietrechtsübertragung erfolgt ist, fällt aber in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung (MietSlg. 31.447 mwH). Die Absicht des weichenden Mieters (Ehegatten der Beklagten und Vaters des Ewald S*****), die Benützung der Mietwohnung endgültig aufzugeben, und die tatsächliche Überlassung der Wohnung zur alleinigen Benützung an den dort verbleibenden Sohn bringt den Überlassungswillen des Vaters nach Ansicht des erkennenden Senates ausreichend schlüssig zum Ausdruck. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Anzeigeverpflichtung des § 19 Abs 4 aE MietG nur eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht den Mietrechtsübergang hindert, sondern lediglich bewirkt, daß der bisherige abtretende Mieter weiterhin zinszahlungspflichtig bleibt (MietSlg. 29.386;
31.449 ua).
Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich der (vom Erstgericht schon im ersten Rechtsgang zutreffend beurteilte) Einwand der Beklagten, daß ihre passive Klagelegitimation fehle, als berechtigt. Das Klagebegehren bleibt daher schon aus diesem Grunde erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50, 41 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)