OGH 8Ob612/91

OGH8Ob612/9118.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1.) Alois E*****, und

2.) Melitta H*****, beide vertreten durch Dr. Anton Waltl und Dr. Peter Krempl, Rechtsanwälte in Zell am See, wider die Gegner der gefährdeten Parteien 1.) Thomas P*****, und 2.) Mag. Rupert S*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Dr. Josef

W. Aichlreiter und Dr. Wilhelm Sluka, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 8.August 1991, GZ 22 R 434/91-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mittersill vom 27.Juni 1991, GZ 2 C 700/91 t-2, abgeändert und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß der erste Absatz zu lauten hat:

"Zur Sicherung des durch Klage geltend zu machenden Anspruches der gefährdeten Partei auf Unterlassung von Eingriffen gegen ihr Fahrniseigentum und gegen das Objekt ihres behaupteten Naturalersatzanspruches (Haus W*****weg ***** in M*****), in dem sich diese Fahrnisse befinden, wird den Gegnern der gefährdeten Parteien bis zur rechtskräftigen Beendigung des einzuleitenden Rechtsstreites verboten, das Haus W*****weg ***** in M***** zu betreten."

Die gefährdeten Parteien haben ihre Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen; den Gegnern der gefährdeten Parteien fallen die Kosten des Rekurses und der Revisionsrekursbeantwortung selbst zur Last.

Text

Begründung

Die gefährdeten Parteien beantragten am 26.6.1991 beim Erstgericht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der den Antragsgegnern bis zur rechtskräftigen Beendigung eines anzustrengenden Prozesses das Betreten des Hauses W*****weg ***** in M***** verboten werden solle, und brachten vor: Sie hätten gemeinsam mit Gertrude L***** vor einigen Jahren von Fernanda K***** dieses Haus gemietet und bewohnten dessen obere Stockwerke; Garage und Garten seien ihnen mitvermietet worden. Zwischen ihnen und der Vermieterin sei es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten vor dem Erstgericht gekommen. Im Zuge des zur AZ 2 C 1201/90 des Erstgerichtes anhängigen Prozesses habe ihnen die Vermieterin in der Streitverhandlung vom 6.3.1991 bezüglich dieser Liegenschaft ein verbindliches Verkaufsanbot gestellt, das sie am 18.3.1991 schriftlich innerhalb der Bindungsfrist wirksam angenommen hätten. Die Gegner der gefährdeten Parteien hätten am 10./11.4.1991 mit der Vermieterin in Kenntnis dieses Kaufvertrages ebenfalls einen Kaufvertrag über die Liegenschaft geschlossen. In Ausnutzung einer Rangordnungsanmerkung sei ihnen die Verbücherung ihres Kaufvertrages (vor jenem der Antragsteller) gelungen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits eine einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes für ZRS Graz der Vermieterin untersagt habe, das Objekt an die Antragsgegner zu veräußern. Auf Grund dieser Doppelveräußerung sei beim Landesgericht Salzburg zur AZ 13 Cg 133/91 ein Prozeß zwischen den Antragstellern und den Antragsgegnern sowie andererseits beim Landesgericht für ZRS Graz ein solcher zwischen den Antragstellern und der Liegenschaftseigentümerin anhängig. Die Antragsgegner hätten in der Zwischenzeit verschiedene Eingriffe in die Liegenschaft vorgenommen, die zu mehreren Prozeßverfahren beim Bezirksgericht Mittersill geführt hätten: Am 24.6.1991 hätten ihre Gegner das versperrte Tor aufgebrochen und im Inneren des Hauses Verwüstungen angerichtet. Zu beiden Seiten des Treppenaufganges im Parterre und im ersten Stock seien von ihnen Vorhänge herabgerissen worden, und es sei von ihnen auch eine Schiebetür zum ersten Stock aus der Verankerung gerissen und in den Hof geworfen worden. Weiters hätten sie auch den Holzverbau zwischen Stiegengeländer und Schiebetür abgerissen. Schließlich sei die minderjährige Tochter der Zweitantragstellerin aufgrund der Äußerung des Erstantragsgegners, er werde ihren ihn verbellenden Hund erschießen, wenn sie ihn nicht wegtue, in ihrer Sicherheit beeinträchtigt. Die Antragsteller beabsichtigten, eine "entsprechende Unterlassungsklage" beim Landesgericht Salzburg einzubringen.

Das Erstgericht erließ auf Grund vorgelegter Bescheinigungsmittel ohne Anhörung der Gegenseite die beantragte einstweilige Verfügung, mit der den Gegnern der gefährdeten Parteien bis zur rechtskräftigen Beendigung des anzustrengenden Prozesses, worüber bis zum 20.Juli 1991 die Klagseinbringung nachzuweisen sei, das Betreten des Hauses verboten wurde. Es wurde als bescheinigt angenommen: Die gefährdeten Parteien hätten das Verkaufsanbot der Liegenschaftseigentümerin innerhalb der Bindungsfrist angenommen. Die Liegenschaftseigentümerin habe die Liegenschaft danach den Antragsgegnern verkauft. Vor diesem Kauf habe sich der Erstantragsgegner diesbezüglich beim Erstgericht erkundigt und dort die Auskunft des Richters erhalten, daß die Liegenschaft nicht an die Antragsgegner verkauft werden könne. In der Folge sei es zu mehreren Besitzstörungsklagen der Antragsteller gegen den Erstantragsteller gekommen, weil dieser bereits Arbeiten auf der Liegenschaft verrichtet habe. Die Antragsgegner hätten am 24.6.1991 im Haus Vorhänge abgerissen und eine Tür im Innenbereich des Hauses herausgerissen. Das Erstgericht erachtete die Voraussetzungen für die beantragte einstweilige Verfügung als gegeben.

Infolge Rekurses der Antragsgegner änderte das Gericht zweiter Instanz die erstgerichtliche Entscheidung derart ab, daß es den Sicherungsantrag abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Rekursgericht an:

Die gefährdeten Parteien hätten einen zu sichernden Anspruch nicht bescheinigt. Die - bereits angestrengte - Klage gegen die angeblich schlechtgläubigen "Zweiterwerber" bezwecke Schadenersatz durch Herausgabe der Liegenschaft und Zustimmung zur Eigentumseinverleibung. Die Verletzung eines dinglichen Rechtes der Antragsteller (als Ersterwerber) werde damit nicht geltend gemacht, so daß nach der Rechtsprechung ein Unterlassungsanspruch, noch dazu in Form des Verbots, die Liegenschaft zu betreten, nicht abgeleitet werden könne.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der gefährdeten Parteien ist zulässig und gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 381 Z 2 EO können einstweilige Verfügungen mit dem in einem beabsichtigten Rechtsstreit angestrebten Ziel bewilligt werden, wenn dies zur Sicherung eines nicht auf Geldleistung gerichteten anderen Anspruches zur Verhütung drohender Gewalt nötig erscheint. Die gefährdeten Parteien haben vor dem Erstgericht ihren Schadenersatzanspruch auf Herausgabe der Liegenschaft gegen die als schlechtgläubige Zweiterwerber anzusehenden Antragsgegner und Eingriffe in ihr Eigentum an verschiedenen Fahrnissen und Liegenschaftsbestandteilen durch den Erstantragsgegner ausreichend bescheinigt. Wenn sie auch im Sicherungsantrag den erst geltendzumachenden Unterlassungsanspruch nicht ausdrücklich formuliert, sondern nur als (dem Sicherungsbegehren) "entsprechend" bezeichnet haben, ergibt sich aus ihrem Vorbringen und den Bescheinigungsergebnissen doch mit hinreichender Deutlichkeit, daß sie weitere drohende Angriffe auf ihr (Fahrnis-)Eigentum und die Gefährdung des Objektes, das sie mit dem bereits gerichtshängigen Naturalherausgabeanspruch iS des § 1323 ABGB zu erlangen suchen, mit Hilfe der gerichtlichen Sicherungsmaßnahme verhindern wollen. Die Schutzfähigkeit des Eigentums als absolutes Recht durch vorbeugende Unterlassungsansprüche ist ebenso allgemein anerkannt (SZ 56/124 mwN ua; Koziol-Welser I8 203 ua) wie die von Schadenersatzansprüchen (Koziol-Welser aaO 407). Es können daher auch hier von den gefährdeten Parteien Unterlassungsansprüche abgeleitet und zur Abwehr eines drohenden Angriffs gewährt werden, die den Schutz der von den Antragsgegnern voraussichtlich herauszugebenden Liegenschaft und dort befindlicher Fahrnisse der gefährdeten Parteien gegen rechtswidrige Veränderung ihrer Substanz oder gegen Beschädigung durch die als schlechtgläubige Zweiterwerber anzusehenden Antragsgegner bezwecken. Ein Verschulden des Angreifers ist schon deshalb nicht erforderlich, weil mit dem Unterlassungsanspruch nicht Schadenersatz, sondern die Motivierung zu rechtmäßigem Handeln (Unterlassen) erreicht werden soll (Koziol-Welser I8 407; vgl. Schuster-Bonnott, Der privatrechtliche Anspruch auf Unterlassung, JBl 1976, 281 ff, 282). Während des Schwebezustandes bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Naturalrestitutionsklage der antragstellenden Ersterwerber sind jedenfalls auf der Grundlage der Antragsbehauptungen und vorliegenden Bescheinigungen die Ansprüche der gefährdeten Parteien, die sich bereits im (Teil-)Besitz der Liegenschaft befinden, durch das allein angemessen erscheinende Mittel des Haus(betretungs)verbotes gegen die Zweiterwerber zu sichern.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 393 EO; der Kostenausspruch betreffend die Gegner der gefährdeten Parteien beruht auf den §§ 78, 402 EO, 50, 40 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte