Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich 771,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin kam am 29. Dezember 1984 um ca. 21.30 Uhr während eines Winterurlaubes im Kleinwalsertal als Fußgängerin in Mittelberg auf dem Stützeweg dadurch zu Sturz, daß sie in eine ca. 20 cm tiefe, vereiste Spurrille abrutschte. Dabei zog sie sich eine schwere Beinverletzung zu.
Mit der Behauptung, die beklagte Partei sei Halterin dieser Gemeindestraße und habe nach längerwährenden starken Schneefällen die Schneeräumung und Streuung grob fahrlässig unterlassen, begehrt die Klägerin Schadenersatz in der Höhe von DM 16.563,37 sA und die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei auch sämtliche künftige Schäden aus diesem Unfall zu ersetzen habe.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Sie bestritt ihre Haltereigenschaft am Stützeweg, weil dieser eine Gemeindestraße nach § 55 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG LGBl. 1969/8 und daher von demjenigen zu erhalten sei, dem vor der Erklärung zur Gemeindestraße die Erhaltung oblag, nämlich den Anrainern. Diese hätten auch tatsächlich die Schneeräumung durch die von ihnen bestellte Spedition M*** anstandslos durchgeführt. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden am Unfall, weil sie die Gefahr der Spurrinnen gekannt habe. Auch die Anspruchshöhe werde bestritten. Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich eines Betrages von DM 12.447,37 sA statt und wies das Leistungsmehrbegehren sowie das Feststellungsbegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Sachverhaltsfeststellungen:
Der 3,5 m breite Stützeweg in der Gemeinde Mittelberg, der nur von Anrainern befahren werden darf, ist ein beliebter, stark frequentierter Spazierweg für die Feriengäste zum Ortsteil Baad und weist eine ca. 250 m lange Abzweigung (= Stichstraße) zum Hotel R*** auf, in welchem die Klägerin mit ihrer Familie ihren Urlaub verbrachte. Er ist unter der EZ 466 KG Mittelberg eingetragenes öffentliches Gut, wurde nach Inkrafttreten des Vorarlberger StraßenG 1969 weder zur Landes- noch zur Gemeindestraße erklärt und es wurde von niemandem die Einverleibung des Eigentums an diesem Weg begehrt. Die Gemeinde Mittelberg hat keine Anordnung, insbesondere auch keine Verordnung gemäß § 9 Abs. 6 Vorarlberger StraßenG, erlassen. Am 14. Dezember 1984 wies Werner R***, der "Obmann" der rechtlich nicht existenten "Weggemeinschaft Stützeweg" nach einem Streit mit dem Eigentümer des Hotels R***, Gert H***, die bisher mit der Schneeräumung beauftragte Speditionsfirma M*** an, die Schneeräumung am Stützeweg zu unterlassen. Gert H*** ersuchte hierauf noch am selben Tage die beklagte Partei, durch Gespräche mit Werner R*** die Schneeräumung zu ermöglichen, zumal es heftig schneite. Der Gemeindesekretär der beklagten Partei verwies Werner R*** auf die jedem Hauseigentümer obliegende Räumungs- und Streupflicht. Nachdem durch einige Tage Verhandlungen geführt wurden, erklärte sich Werner R*** damit einverstanden, daß die Räumung (auch) auf Kosten des Hotels H*** durchgeführt wird. In dieser Zeit der unterbliebenen Räumung gab es Schnee- und Regenfälle und auch Frost, so daß sich ca. 20 cm tiefe, vereiste Spurrillen bildeten, die bei der folgenden Räumung des Stützeweges vom Schneepflug nicht mehr beseitigt werden konnten. In den Jahren vor dem Winter 1984/85 hatten die Anrainer als "Weggemeinschaft Stützeberg" die Schneeräumung durchgeführt, der Gemeinde gelang es aber zufolge Uneinigkeit der Anrainer nicht, diese in die rechtswirksame Form einer Weggenossenschaft zusammenzuführen. Die Schneeräumungskosten der Firma M***, welche ab einer Schneehöhe von 10 cm zu räumen hatte, waren alljährlich anteilsmäßig von den Anrainern getragen worden. Da die Gemeinde ein Interesse an der Freihaltung des Stützeweges bis zum Beginn des Spazierweges nach Baad hatte, welchen Weg sie selbst räumte und streute, bezahlte sie den Anrainern des Stützeweges jährlich 50 % der nachgewiesenen Schneeräumungskosten. Die Streuung des Stützeweges wurde von der Gemeinde nur durchgeführt, wenn sie hiezu von der "Weggemeinschaft beauftragt wurde", die Kosten wurden dieser angelastet. Die Klägerin wollte zur Unfallszeit gemeinsam mit zwei anderen Personen in der Ortsmitte von Mittelberg ein Lokal besuchen. Sie hatte Schneestiefel an. Obwohl sie den schlechten Zustand des Stützeweges kannte und aufpaßte, rutschte sie in eine vereiste, mit Schnee bedeckte Spurrille des unbestreuten Weges und erlitt dabei einen Außenknöchelbruch. Auf Grund der auch stationär durchgeführten Behandlungen kam es zu einer soliden Heilung, so daß Dauerfolgen nicht zu befürchten sind. Zu den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen traf das Erstgericht im einzelnen die erforderlichen Feststellungen.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von der Bestimmung des § 55 Abs. 5 Vorarlberger LandesstraßenG 1969 aus, nach welcher alle öffentlichen Straßen, die im Grundbuch ein eigenes Grundstück bilden, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu Landes- oder Gemeindestraßen erklärt werden oder hinsichtlich derer innerhalb dieser Frist nicht ein anderer Straßenerhalter die Einverleibung seines Eigentums begehrt hat, Gemeindestraßen sind. Beim Stützewege handle es sich daher um eine solche Gemeindestraße gemäß § 55 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG. Der zweite Satz dieser Bestimmung ordne an, daß die Erhaltung solcher Gemeindestraßen, soweit die Gemeindevertretung nicht etwas anderes verfüge, den nach bisheriger Regelung oder Übung dazu Verpflichteten obliege. Für die Gemeindestraßen kraft Gesetzes nach § 55 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG sei somit die Gemeinde Straßenerhalter, jedoch blieben die bisherigen Erhaltungspflichten aufrecht. Somit hafte die Gemeinde auch bei solchen Straßen für allfällige Mängel in der Erhaltung als Straßenerhalter neben den nach bisheriger Regelung und Übung zur Erhaltung verpflichteten Personen. Die Anrainer seien zur Erhaltung des Weges verpflichtet, die Gemeinde bleibe jedoch als Halter für die Straße verantwortlich und könne sohin als Straßenerhalter in Anspruch genommen werden. Gemäß § 1319 a ABGB hafte, wenn durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch verletzt werde, derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich sei, soferne er oder einer seiner Leute den Mangel grob fahrlässig verschuldet hätten. Eine grobe Fahrlässigkeit sei nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliege und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich, nicht bloß als möglich, vorhersehbar gewesen sei. Eine solche grobe Fahrlässigkeit liege hier vor. Auf Grund des sofortigen Anrufes des Gert H*** habe die beklagte Partei gewußt, daß zufolge der nachbarlichen Querelen der Firma M*** die Räumung verboten worden sei. Weiters sei für die beklagte Partei wohl erkennbar gewesen, daß sich durch das Schnee- und Tauwetter eine äußerst schlechte Wegbeschaffenheit ergeben habe. Dennoch habe sie weder die Räumung noch Bestreuung des Weges veranlaßt. Der Sturz eines Fußgängers auf einer in der Nacht nicht gut ausgeleuchteten, vereisten Straße mit 20 cm tiefen Spurrillen sei nicht bloß als möglich vorherzusehen, ein derartiger Wegzustand fordere einen Unfall vielmehr geradezu heraus. Ein Mitverschulden der Klägerin liege aus den im einzelnen genannten Gründen nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Zur Begründung führte es aus: Der Stützeweg sei unbestrittenermaßen eine Gemeindestraße im Sinne des Vorarlberger StraßenG LGBl. 1969/8 und ebenso unbestritten sei, daß Straßenerhalterin einer Gemeindestraße grundsätzlich die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten sei (§ 9 Abs. 7 Vorarlberger StraßenG). Die Ansicht der beklagten Partei, es treffe sie nicht die gesetzliche Erhaltungspflicht, weil die Ausnahmebestimmung des § 55 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG Platz greife, sei unrichtig. Diese Bestimmung stelle keine Ausnahmeregelung, sondern im Sinne der Überschrift zu § 55 eine Übergangsbestimmung dar. Nach deren Inhalt und Zweck sollte sichergestellt werden, daß einerseits durch Erklärung und andererseits durch Zeitablauf mit Inkrafttreten des Vorarlberger StraßenG alle im Sinne dieses Gesetzes öffentlichen Straßen, das seien solche, die dem Gemeingebrauch gewidmet seien, einer der in § 1 Abs. 5 StraßenG genannten Straßen zugeordnet werden könnten.
§ 55 Abs. 5 StraßenG enthalte eine Art "Generalklausel" insoweit, als die dort genannten Straßen unter den angeführten Voraussetzungen zu Gemeindestraßen würden. Der daraus hervorgehenden Belastung der Gemeinden sei dadurch Rechnung getragen worden, daß die Erhaltung dieser Gemeindestraßen jenen obliege, die bisher dazu verpflichtet gewesen seien. Straßenerhaltung bedeute nach § 4 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG die Tragung der Kosten für Schneeräumung sowie für die Schneeglätte- und Glatteisbekämpfung. Am Status der Gemeinde als Straßenerhalter und den damit grundsätzlich verbundenen Rechten und Pflichten habe die Bestimmung des § 55 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG nichts geändert. Somit sei davon auszugehen, daß die beklagte Partei Halterin des Stützeweges im Sinne des § 1319 a ABGB sei. Wegen dieser Haltereigenschaft treffe sie die grundsätzliche Pflicht, für die Räumung und Streuung des Stützeweges Sorge zu tragen. Auf Grund ihrer Haltereigenschaft hätte sie nicht nur Gespräche mit den Verantwortlichen der "Wegegemeinschaft" führen müssen, sondern die tatsächliche Räumung und in weiterer Folge die Herstellung eines Zustandes des Stützeweges veranlassen müssen, die ein gefahrloses Begehen sichergestellt hätte. Im Berufungsverfahren sei nicht strittig, daß der festgestellte Zustand des Weges zum Unfallszeitpunkt mangelhaft und ursächlich für den Sturz der Klägerin gewesen sei. Unter grober Fahrlässigkeit verstehe die Rechtsprechung einen objektiv besonders schweren Sorgfaltsverstoß, der bei Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles auch subjektiv schwerstens vorgeworfen werden müsse. Vorliegendenfalls habe der "Obmann der Wegegemeinschaft" die Speditionsfirma M*** am 14. Dezember 1984 angewiesen, die Schneeräumung zu unterlassen, wovon die beklagte Partei sofort verständigt worden sei. Obwohl sich durch die Wetterlage der folgenden Tage 20 cm tiefe, vereiste Spurrillen gebildet hätten, sei dieser Zustand des Stützeweges bis zum gegenständlichen Unfall am 29. Dezember 1984 aufrecht geblieben. Die Möglichkeit eines Sturzes eines Fußgängers hätte unter diesen Umständen geradezu als sicher erscheinen müssen. In ihrer auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision beantragt die beklagte Partei die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der gänzlichen Klageabweisung. Sie bringt vor, die Bestimmung des § 55 Abs. 5 Vorarlberger StraßenG stelle eine Ausnahmeregelung dar. Solange eine Gemeinde als Straßenerhalter in diesen Fällen nichts anderes verfüge und insbesondere die Verpflichtungen von den bisher Verantwortlichen nicht übernehme, seien die Straßenverwaltung und die Straßenerhaltung voneinander getrennt. Die Anrainer des Stützeweges hätten bisher durch 20 Jahre auch die Winterräumung durchgeführt und seien von ihrer Halterpflicht durch die Gemeinde nicht befreit worden. Die Annahme einer Haftung der Gemeinde neben den Anrainern sei rechtsirrig. Die Gemeinden seien im privatrechtlichen Sinne nicht Straßenhalter gemäß § 1319 a ABGB. Aber selbst im gegenteiligen Falle sei die beklagte Partei hier nicht haftpflichtig, weil die Pflicht zur Schneeräumung vertraglich auf die Firma M*** als eigenverantwortlichem Unternehmer überwälzt worden sei. Ein Auswahlverschulden oder eine Verletzung der Überwachungspflicht liege nicht vor. Am Unfallstag sei die vertragliche Regelung mit der Firma M*** bereits wieder in Kraft gewesen. Von einer auffallenden Sorglosigkeit der Gemeindeorgane und damit einer groben Fahrlässigkeit könne somit nicht die Rede sein. Auch in subjektiver Hinsicht könne hier eine Rechtsunkenntnis über ihre Haltereigenschaft nicht als grob fahrlässig angelastet werden.
Rechtliche Beurteilung
Den Revisionsausführungen kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Es steht fest, daß der unter der EZ 466 KG Mittelberg im Grundbuch eingetragene Stützeweg öffentliches Gut ist, innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vorarlberger Landesstraßengesetzes 1969 weder zur Landesstraße noch zur Gemeindestraße erklärt und auch von keinem anderen Straßenerhalter innerhalb der genannten Frist die Einverleibung seines Eigentums an diesem Weg begehrt wurde. Er darf von den Anrainern mit Fahrzeugen befahren werden und wird als Spazierweg stark frequentiert. Gemäß § 1 Abs. 5 Vorarlberger Landesstraßengesetz 1969 sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes die dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen. Gemäß § 55 Abs. 5 Vorarlberger Landesstraßengesetz 1969 sind alle öffentlichen Straßen, die im Grundbuch ein eigenes Grundstück bilden und nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zu Landesstraßen oder Gemeindestraßen erklärt wurden oder hinsichtlich welcher innerhalb dieser Frist nicht ein anderer Straßenerhalter die Einverleibung seines Eigentums begehrte, Gemeindestraßen. Nach der Bestimmung des § 4 Abs. 2 Vorarlberger Landesstraßengesetz 1969 müssen Landes- und Gemeindestraßen im Eigentum des Straßenerhalters stehen, § 9 Abs. 7 leg.cit. normiert, daß Straßenerhalter der Gemeindestraßen die Gemeinde als Träger von Privatrechten ist.
Somit stellt der Stützeweg als öffentliche Straße, die im Grundbuch ein eigenes Grundstück bildet, nach der ausdrücklichen Anordnung des § 55 Abs. 5 Vorarlberger Landesstraßengesetz 1969 eine Gemeindestraße dar, deren Straßenerhalter nach § 4 Abs. 2 und § 9 Abs. 7 leg.cit. die hier beklagte Gemeinde Mittelberg ist. In der Bestimmung des § 55 Abs. 5 Vorarlberger Landesstraßengesetz 1969 ist in Einschränkung der vorgenannten Regelung sowie der Regelung des § 4 Abs. 5 leg.cit. weiters angeordnet, daß die Erhaltung der in ihr genannten Gemeindestraßen, soweit die Gemeindevertretung nicht etwas anderes verfügt, den nach bisheriger Regelung oder Übung dazu Verpflichteten obliegt.
Daraus folgt, daß einerseits die beklagte Partei Eigentümer des Stützeweges und kraft Gesetzes dessen Straßenerhalter ist, andererseits seine Erhaltung den nach bisheriger Regelung oder Übung dazu Verpflichteten obliegt. Ob eine derartige Regelung oder Übung bei Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli 1969 bestand, steht nicht fest. Festgestellt wurde nur, daß "in den Jahren vor dem Winter 1984/85" die Anrainer die Schneeräumung durchführten und die Kosten hiefür anteilsmäßig trugen, wobei ihnen die beklagte Partei wegen ihres eigenen Interesses an der Freihaltung des Stützeweges 50 % dieser Kosten bezahlte. Die Frage, ob vor dem 1. Juli 1969 die Anrainer eine derartige Verpflichtung zur Erhaltung des Weges traf, so daß die beklagte Partei, obwohl gesetzlicher Straßenerhalter, den Stützeweg dennoch nicht selbst zu erhalten hat, kann aber dahingestellt bleiben.
Wie bereits von den Vorinstanzen dargelegt wurde, ist gemäß § 1319 a ABGB bei einer aus dem mangelhaften Zustand eines Weges verursachten körperlichen Verletzung derjenige schadenersatzpflichtig, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, soferne er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat. Nach dem Inhalt der Gesetzesmaterialien sowie nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung gilt als Halter eines Weges derjenige, der die Kosten für die Errichtung und (oder) Erhaltung des Weges trägt sowie die Verfügungsmacht hat, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Das muß nicht immer der Straßenerhalter sein (siehe AB 1678 XIII GP 5, RV 856 XIII GP 7; Reischauer in Rummel ABGB Rz 8 zu § 1319 a und die dort zitierte Rechtsprechung). Dieser Begriff des Halters ist also grundsätzlich derselbe wie der in § 5 EKHG (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 198), denn auch dort ist das entscheidende Merkmal die Verfügungsgewalt und der Gebrauch für eigene Rechnung (vgl. ZVR 1971/85; SZ 43/109 uva).
In diesem Sinne würde vorliegendenfalls die beklagte Partei, obwohl gesetzlicher Straßenerhalter, dennoch nicht Halter des Stützeweges sein, wenn die Erhaltungskosten allein von den Anrainern getragen und diesen solcherart als einzelnen Mithaltern in ihrer Gesamtheit die alleinige Haltereigenschaft zukäme, denn an ihrer vom Gesetz hiefür weiters geforderten Verfügungsmacht zur Setzung von Erhaltungsmaßnahmen kann auf der gegebenen Feststellungsgrundlage nicht gezweifelt werden. Dies ist aber nicht der Fall, denn die beklagte Partei leistet zur Instandhaltung des Weges ebenfalls einen Beitrag, indem sie wegen ihres Interesses an dessen Freihaltung alljährlich 50 % der winterlichen Schneeräumungskosten, also mehr als jeder andere Mithalter, trägt. Da ihr als gesetzlicher Straßenerhalterin und Eigentümerin der Straße auch die Verfügungsmacht zukommt, Erhaltungsmaßnahmen zu setzen, ist sie somit im Sinne des § 1319 a ABGB zumindest so wie die übrigen Beitragszahler ebenfalls Mithalterin des Stützeweges. Mithalter haften nach der Rechtsprechung zur ungeteilten Hand (ZVR 1985/158; ZVR 1987/57 ua).
Die beklagte Partei ist daher für den Schaden der Klägerin verantwortlich, wenn sie den mangelhaften Zustand des Stützeweges grob fahrlässig verschuldet hat. Dies wurde von den Vorinstanzen zu Recht bejaht. Auf die rechtsgeschäftliche Übertragung der Schneeräumungspflicht (vgl. SZ 52/33) auf die Firma M*** kann sich die beklagte Partei nicht berufen, denn ihr war bekannt, daß dieser die Räumung untersagt worden war. Sie war daher ebenso wie alle anderen Mithalter ab 14. Dezember 1984 verpflichtet, unverzüglich selbst für die Wegbetreuung zu sorgen. Tatsächlich ist diese aber trotz heftiger Schnee- und Regenfälle mit Frost tagelang unterblieben; dadurch ist es zum festgestellten Zustand gekommen. Da die schließlich neuerlich beauftragte Firma M*** im Rahmen der üblichen Räumung einen mängelfreien Zustand des Weges nicht mehr herstellen konnte, oblag es auch im weiteren den Mithaltern, unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der am Weg vorhandenen 20 cm tiefen Spurrillen zu treffen. Solche Maßnahmen wurden trotz der offenkundigen Gefährlichkeit dieser vereisten Spurrillen, insbesondere für den Fußgängerverkehr auf dem stark frequentierten Spazierweg, bis zum Unfallszeitpunkt am 29. Dezember 1984 nicht gesetzt.
Da einerseits die Frage der Zumutbarkeit einer anderwärtigen Vorsorge auch schon ab 14. Dezember 1984 zu bejahen ist und andererseits in der Aufrechterhaltung des gefährlichen Zustandes durch längere Zeit eine ungewöhnliche Verletzung der gebotenen Sorgfalt liegt, als deren Folge der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorherzusehen war, fällt (auch) der beklagten Partei als Mithalterin grobe Fahrlässigkeit zur Last (vgl. ZVR 1984/176; ZVR 1986/11; ZVR 1988/127 uva). Die behauptete Unkenntnis ihrer Mithaltereigenschaft kann sie nach der gegebenen Sach- und Rechtslage - es bestand keine Weggenossenschaft der Anrainer, so daß jeder Beitragszahler mit Verfügungsmacht im offenkundigen Sinne der für die Haftung allein maßgeblichen Regelung des § 1319 a ABGB Mithalter des Stützeweges war - auch nicht entschuldigen, so daß ihre Revisionsausführungen auch insoweit verfehlt sind. In der von den Vorinstanzen ausgesprochenen Haftung der beklagten Partei für die Unfallschäden der Klägerin kann daher kein Rechtsirrtum erkannt werden. Der Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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