OGH 8Ob600/92

OGH8Ob600/9224.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Jelinek, Dr.Schinko und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Georg P*****, 2. Eva-Maria P*****, 3. Peter K*****, sämtliche Landwirte, *****, vertreten durch Dr.Erich und Dr.Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Österreichische Bundesforste, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, und 2. Firma Beton- und Schotterwerk S***** KG, ***** vertreten durch Dr.Erwin Hölzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 4.Mai 1992, GZ 4 R 21/92-13, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Dezember 1991, GZ 1 Cg 256/91-6, ergänzt durch den Beschluß vom 30. Jänner 1992, GZ 1 Cg 256/91-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben

Die klagenden Parteien sind schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 5.094,-- (darin enthalten keine Umsatzsteuer) und der zweitbeklagten Partei die mit S 5.858,10 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 976,35) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte ist Eigentümerin der Parzelle 1008/4 KG M***** Bezirksgericht M*****. Den Klägern stehen auf Grund der Regulierung vom 22.3.1869, Nr.1676, Nachtrag Nr.6013, Einforstungsrechte, nämlich Holzbezugs-, Streubezugs- und Weiderechte an dieser Parzelle zu.

Mit der am 9.7.1991 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrten die Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, den Schotterabbau auf der Parzelle 1008/4 KG M*****, mit dem eine Beeinträchtigung ihrer Einforstungsrechte verbunden sei, zu unterlassen. Zur Begründung ihres Anspruches brachten sie vor, die Erstbeklagte habe um die Rodung einer Teilfläche der von ihrem Einforstungsrecht betroffenen Parzelle angesucht. Die Erstbeklagte habe offensichtlich mit der Zweitbeklagten eine Vereinbarung über die Nutzung dieser Waldfläche zum Schotterabbau geschlossen. Über die privatrechtlichen Ansprüche der Kläger, nämlich die dinglichen Rechte an dieser Parzelle, sei weder von der Agrarbehörde noch von der Forstbehörde abgesprochen worden. Aufgrund des Regulierungsverfahrens seien die Kläger berechtigt, beim Zivilgericht den Schutz der dinglichen Rechte zu beantragen. Die Erstbeklagte habe als Grundeigentümer die vertraglichen Voraussetzungen für die Arbeiten der Zweitbeklagten geschaffen und wäre in der Lage, diese Arbeiten zu verhindern.

Die Beklagten wendeten unter anderem Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil zur Entscheidung von Streitigkeiten betreffend die von den Klägern geltend gemachten Rechte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die Agrarbehörden berufen seien.

Die Kläger vertraten dagegen die Ansicht, die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges sei gegeben und beriefen sich insbesonders auf § 33 Abs.4 des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie aus § 47 Abs.3 des Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes.

Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück, weil die Klage auf den Schutz des Besitzstandes der Kläger durch Unterlassung der von ihnen behaupteten Störung gerichtet sei. Gemäß § 33 Abs.4 des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. 1951/103, sei für solche Streitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte gegeben. Eine gleichlautende Bestimmung enthalte § 47 Abs.3 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes.

Das von den Beklagten mit Rekurs angerufene Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Rechtsweg unzulässig sei; das bisherige Verfahren wurde für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen; der Entscheidungsgegenstand wurde mit je S 50.000,-- übersteigend bewertet und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs.1 ZPO für zulässig erklärt. Das Rekursgericht führte aus:

Gemäß § 33 Abs.2 des Grundsatzgesetzes BGBl. 1951/103 entschieden die Agrarbehörden auch außerhalb eines Verfahrens zur Neuregulierung, Regulierung oder Ablösung mit Ausschluß des Rechtsweges über die Frage des Bestandes von Nutzungsrechten und über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und verpflichtet seien. Gemäß § 33 Abs.4 leg.cit. bleibe die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über Klagen, die auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet seien, unberührt. § 47 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes LGBl. 1986/74 enthalte in den Abs.2 und 3 gleichlautende Bestimmungen. Besitzstörungsklagen betreffend derartige Dienstbarkeiten fielen sohin in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes handle es sich bei der vorliegenden Klage aber um keine Besitzstörungsklage, sondern vielmehr um eine "actio confessoria". Zur Entscheidung derartiger Streitigkeiten seien aber die Agrarbehörden berufen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, die Einrede der Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges zurück- bzw. abzuweisen.

Die Beklagten beantragten in ihren Rechtsmittelgegenschriften, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtslage nicht völlig jener gleicht, die der Entscheidung EvBl. 1991/111 zugrundeliegt; er ist aber nicht berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der vorgenannten Entscheidung zu ähnlichen Rechten ausgeführt hat, handelt es sich hiebei um Rechtsverhältnisse öffentlich-rechtlicher Natur, denen ohne Eintragung in das Grundbuch absolute Wirkung zukommt und deren Ausübung und Ausübbarkeit unabhängig vom Willen der Berechtigten durch die Behörde überwacht wird; in Salzburg sind die Agrarbehörden gemäß § 47 Abs.2 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes auch außerhalb eines Verfahrens zur Ergänzungsregulierung, Regulierung oder Ablösung mit Ausschluß des Rechtsweges zur Entscheidung über die Frage des Bestandes von Nutzungsrechten und über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und verpflichtet sind, berufen. Zur Entscheidung über Klagen, die auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet sind, bleibt die Zuständigkeit der Gerichte unberührt (§ 47 Abs.3 leg. cit.). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß der Gesetzgeber die Wahrung des possessorischen Rechtsschutzes zur Gänze ausdrücklich den Gerichten belassen, den der Sicherung der Weiderechte dienenden petitorischen Rechtsschutz hingegen den Agrarbehörde übertragen hat. Die in der Entscheidung EvBl. 1991/111 zitierten Sonderbereiche, für die diese Aufteilung der Kompetenzen nicht gilt, sind die im § 38 Abs.5 des Tiroler WWSG angeführten Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten Gütern oder verpflichteten Grundstücken sowie die Angelegenheiten der Eisenbahnen, der Bundesstraßen, der Luftfahrt und des Bergbaues.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Kläger mit der vorliegenden Klage nicht possessorischen, sondern petitorischen Rechtsschutz begehren. Sie bringen in ihrem Revisionsrekurs selbst vor, daß sie, falls die Beklagten mit Rodungsmaßnahmen oder Schottergewinnung beginnen sollten, eine Besitzstörungsklage erheben werden, daß sie also dann possessorischen Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen.

Die vorliegende Streitigkeit betrifft somit Fragen des Bestandes von Nutzungsrechten im Sinne des § 47 Abs.2 des Salzburger Einforstungsrechtegesetzes, weil sich der Streit darüber, ob Teile der Liegenschaft gerodet werden dürfen, auf den Umfang des Nutzungsrechtes der Kläger bezieht.

Zur Frage der Rechtsnatur der Landesagrarsenate und des Obersten Agrarsenates wurde bereits in der Entscheidung EvBl. 1990/111 Stellung genommen, der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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