Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Gericht zweiter Instanz wird aufgetragen, über den Rekurs des Vaters Franz B***** unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Text
Begründung
Mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382a EO verhielt das Erstgericht den Vater zur Zahlung eines vorläufigen Unterhalts für seinen Sohn in der Höhe von S 1.400,-- monatlich. Der Beschluß wurde dem Vater nach Zustellversuchen am 18.1.1992 und am 21.12.1992 durch Hinterlegung zugestellt, Beginn der Abholungsfrist war der 22.12.1992. Am 7.1.1993 überreichte der Vater persönlich beim Erstgericht sein als "Einwendungen" bezeichnetes selbst verfaßtes Rechtsmittel.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz den Rekurs zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurs des Vaters sei verspätet, da er nach dem 5. Jänner 1993, dem letzten Tag der gemäß § 17 Abs.3 ZustG ab Beginn der Abholungsfrist zu berechnenden 14tägigen Rekursfrist, bei Gericht überreicht worden sei.
Dagegen richtet sich das abermals selbst verfaßte, als "Einwendungen" bezeichnete Rechtsmittel des Vaters.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig.
Das Rekursgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- nicht übersteige. Eines derartigen Ausspruches hätte es nicht bedurft, da kein Fall des § 500 Abs.2 Z 1 ZPO vorliegt (EvBl. 1972/182). Der Geldwert des Unterhaltsanspruches ergibt sich nämlich aufgrund § 58 Abs.1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist für die Bewertung § 9 Abs.3 RATG, wonach der Anspruch auf Leistung des einstweiligen Unterhalts mit dem Einfachen der Jahresleistung zu bewerten ist, nicht heranzuziehen, da diese Bestimmung im § 500 Abs.3 ZPO (der gemäß § 526 Abs.3 ZPO auch im Rekursverfahren anzuwenden ist) nicht aufgezählt ist.
Da bei einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.400,-- die dreifache Jahresleistung S 50.400,-- beträgt und somit die für die Zulässigkeit des Rekurses ausschlaggebende Grenze von S 50.000,-- des § 528 Abs.2 Z 1 ZPO jedenfalls überstiegen ist, kann dahingestellt bleiben, ob im Verfahren nach § 382a EO die Verweisungsnormen der §§ 402, 78 EO die Wirksamkeit des § 528 ZPO bedingen. Ebenso braucht nicht erörtert zu werden, ob bejahendenfalls die Nichterwähnung der im § 502 Abs.3 ZPO bezeichneten familienrechtlichen und bestandrechtlichen Streitigkeiten, bei welchen die Wertgrenze nicht gilt, lediglich eine nicht gewollte Regelungslücke darstellt (Stohanzl, MGA14 JN und ZPO § 528 ZPO Anm.5) oder ob diese Differenzierung sachlich damit begründbar ist, daß der Beschluß über den Provisorialunterhalt nur eine einstweilige Entscheidung darstellt (EvBl. 1991/113), weshalb es der Anrufung des Obersten Gerichtshofes bei bloß geringwertigen Ansprüchen nicht bedarf.
Da nach ständiger Rechtsprechung die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ohne Überprüfung der Sachentscheidung keine bestätigende Entscheidung, sondern gerade die Ablehnung einer Sachentscheidung darstellt (RZ 1967, 109) und der Entscheidungsgegenstand an Geld S 50.000,-- übersteigt, ist der Rekurs auch nach den gegenüber dem Außerstreitverfahren strengeren Voraussetzungen der ZPO zulässig.
Vor Eingehen auf das Rechtsmittel ist zu prüfen, ob nach dem das Rekursverfahren hinsichtlich einstweiliger Verfügungen regelnden § 402 EO das Rechtsmittel zweiseitig ist (§ 402 Abs.1 EO) und ob aufgrund des in diesem Verfahren sinngemäß anzuwendenden § 78 EO (§ 402 Abs.2 EO) und dessen Verweisung auf § 520 Abs.1 ZPO schriftliche Rekurse der Unterschrift eines Rechtsanwalts bedürfen. Daß der Beschluß nach § 382a EO eine einstweilige Verfügung darstellt, auf die die Verweisungsnormen der §§ 402, 78 EO anzuwenden sind, wurde bereits ausgesprochen (RZ 1990/119; 8 Ob 521/91). Der Oberste Gerichtshof hat allerdings in JBl. 1989, 118 zur Frage des Anwaltszwanges ausgeführt, es sei ein nicht aufklärbarer Wertungswiderspruch darin zu sehen, daß zwecks möglichster Beschleunigung des Verfahrens die Anspruchsvoraussetzungen für einen Beschluß gemäß § 382a EO in größtmöglichem Ausmaß formalisiert und damit im Zusammenhang ausnahmsweise auch Entscheidungen zu einem als einstweilige Verfügung institutionalisierten Rechtsinstitut auf seiten des Gerichtes dem Wirkungskreis eines Rechtspflegers zugeordnet wurden, andererseits aber für die Verfahrensbeteiligten gegenüber dem außerstreitigen Verfahren über die (endgültige) Unterhaltsfeststellung strengere Formvorschriften für den schriftlichen Rekurs gelten sollten; diese Überlegung gebiete eine teleologische Reduktion der Verweisung nach §§ 402 Abs.2, 78 EO auf die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über das Rechtsmittel des Rekurses in der Weise, daß § 520 Abs.1 letzter Halbsatz ZPO von der Anwendbarkeit im Verfahren nach den §§ 382a, 399a und 399b EO ausgeschlossen bleibe. Dieser Rechtsansicht tritt der erkennende
8. Senat bei.
Der Oberste Gerichtshof hat in SZ 61/219 abermals ausgesprochen, daß die Pauschalverweisungen der §§ 402 Abs.2 und 78 EO nicht uneingeschränkt angenommen werden können, sondern eine mit den spezifischen Eigenarten dieser neuen Rechtsfigur in Einklang stehende teleologische Reduktion vorzunehmen ist. Es finde daher im Verfahren nach § 382a EO ein Kostenersatz des unterlegenen Antragstellers nicht statt. Zur Frage der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens führte der Oberste Gerichtshof jedoch in RZ 1990/119 aus, daß diese neue Form einer EV zwar wesensmäßig eine Angelegenheit des Verfahrens außer Streitsachen sei, allerdings bezüglich aller Verfahrensfragen die für die EV geltenden Bestimmungen der EO zur Anwendung zu gelangen hätten. Es sei daher § 521a ZPO, der unter anderem die Zustellung der Rekursschrift an den Gegner des Rekurswerbers vorsehe, uneingeschränkt anzuwenden.
Dieser Ansicht kann sich der erkennende 8.Senat jedoch nicht anschließen:
§ 382a Abs.4 EO letzter Satz normiert, daß über den Antrag ohne Anhörung des (unterhaltspflichtigen) Elternteiles unverzüglich zu entscheiden ist. Die Regierungsvorlage (170 BlgNR 17.GP 4 ff) führt dazu aus, daß dem minderjährigen Kind rasch zu einer vorläufigen finanziellen Lebensgrundlage verholfen werden solle. Als Ausgleich für diese Einschränkung der Rechte des Unterhaltspflichtigen seien die Bestimmungen der §§ 399a und 399b EO geschaffen worden, die die Aufhebung und Einschränkung der EV sowohl auf Grund der Bescheinigung durch den Unterhaltsschuldner als auch von Amts wegen sowie ein vereinfachtes Rückersatzverfahren vorsehen. Diese Aufhebungsmöglichkeit könne einen Rekurs erübrigen (aaO 7).
Es erweist sich somit, daß der Gesetzgeber im Interesse der raschen Verfahrensabwicklung bewußt ein einseitiges erstinstanzliches Verfahren geschaffen hat, dessen Nachteile für den Unterhaltspflichtigen durch die auch rückwirkend geltend zu machenden (8 Ob 521/91) Einschränkungs- und Aufhebungsmöglichkeiten wett gemacht wurden. Zudem hat er durch die Schaffung der Bestimmungen der §§ 399a und 399b EO das bei Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens sonst bestehende Rechtsschutzdefizit beseitigt. Es wäre somit offenbar mit dieser Zielsetzung des Gesetzgebers nicht vereinbar, wollte man an der Zweiseitigkeit des exekutionsrechtlichen Rechtsmittelverfahrens festhalten, weil dies zu einer nicht gewünschten Verzögerung des gesamten Unterhaltsverfahrens führen würde. Es ist daher § 402 Abs 1 EO teleologisch dahin zu reduzieren, daß die in § 521a ZPO angeordnete Zweiseitigkeit im Rechtsmittelverfahren über Beschlüsse gemäß § 382a EO nicht gilt.
Dem Rekurs des Vaters kommt auch Berechtigung zu.
Aufgrund der Angaben des Vaters in seinem Rechtsmittel, er sei im Zeitpunkt der Zustellungen vorübergehend ortsabwesend gewesen, hat der erkennende Senat im Zwischenverfahren Erhebungen durchgeführt, als deren Ergebnis folgender Sachverhalt feststeht:
Der Vater fuhr einige Tage vor Weihnachten nach Innsbruck und war im Zeitpunkt der beiden Zustellversuche von seinem Wohnort ortsabwesend. Am 28.12.1992 kehrte er an seinen Wohnort zurück und behob den hinterlegten Beschluß des Erstgerichtes.
Diese Feststellungen gründen sich auf die Angaben des Vaters, daß er an einem Tag zwischen Weihnachten und Neujahr nach Hause gekommen sei und an diesem Tag die für ihn hinterlegte Post abgeholt habe. Die bei ON 23 befindliche Kopie der Empfangsbestätigung weist als Übernahmsdatum der Sendung den 28.12.1992 aus.
Gemäß § 17 Abs.1 ZustG ist das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinn des § 13 Abs.3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Gemäß dem nachfolgenden Abs.3 4.Satz gelten hinterlegte Sendungen nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinn des § 13 Abs.3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie gemäß § 7 ZustG jedenfalls als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen ist.
Die mehrtägige Abwesenheit des Vaters von der Abgabestelle (§ 4 ZustG) bewirkte, daß er nicht in der Lage war, auf die Sendung zum selben Zeitpunkt zu reagieren, zu dem ein Empfänger üblicherweise reagieren hätte können (vgl. SZ 57/34). Er hat daher vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig im Sinne des Gesetzes Kenntnis erlangt, weshalb die Zustellung erst mit dem Datum der Übernahme der Sendung als bewirkt anzusehen ist. Das am 7.1.1993 überreichte Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Beschluß ist daher rechtzeitig.
Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchen Zurückweisungsgrund sachlich zu entscheiden haben.
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