OGH 8Ob57/85

OGH8Ob57/8524.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich und Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) prot. Firma O*****, 2.) Hermann P*****, beide vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 117.681,13 s.A. und Feststellung (Streitwert S 65.000), infolge Revision der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1984, GZ 13 R 212/84‑25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16. Mai 1984, GZ 20 Cg 338/82‑19, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00057.850.1024.000

 

Spruch:

 

Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben; hingegen wird der Revision der Klägerin teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß Punkt 2. des Spruches zu lauten hat:

„Im übrigen besteht das auf Leistung gerichtete Begehren dem Grunde nach unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote des verunglückten Karl K***** von zwei Dritteln zu Recht.“

Im übrigen wird der Revision der Klägerin nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Am 10. 11. 1980 ereignete sich im Werk K***** der P***** AG ein Arbeitsunfall, bei dem der bei der Klägerin unfallversicherte Packer Karl K***** getötet wurde.

Die Klägerin forderte gegenüber den Beklagten die Feststellung von deren Verpflichtung, der Klägerin alle jene Leistungen zu ersetzen, welche diese aus Anlaß des Unfalles des Karl K***** vom 10. 11. 1980 auf Grund der jeweils in Geltung stehenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu erbringen habe; dies jedoch nur insoweit, als diese Leistungen in dem Schaden Deckung finden, dessen Ersatz die Hinterbliebenen nach Karl K***** ohne dem im § 332 Abs. 1 ASVG vorgesehenen Rechtsübergang unmittelbar von den Beklagten zu fordern berechtigt wären; hiebei sei von einer Mitverschuldensquote des tödlich verunglückten Karl K***** im Ausmaß von ein Drittel auszugehen. Überdies forderte die Klägerin von den Beklagten die Zahlung von S 117.681,13 s.A.

Die Klägerin brachte vor, die Erstbeklagte sei von der P***** AG beauftragt worden, Maler‑ und Anstreicherarbeiten im Betrieb durchzuführen. Sie habe dies durch eine Arbeitspartie besorgen lassen, welcher der Zweitbeklagte als Vorarbeiter angehörte. Dieser habe am Tag vor dem Unfall von einem Steg die als Gehfläche eingesetzten Gitterroste entfernt, jedoch diese Gefahrenstelle ungenügend, nämlich nur durch einen angelehnten Gitterrost, abgesichert. Karl K*****, ein Dienstnehmer der P***** AG, habe den Steg betreten, sei abgestürzt und tödlich verunglückt. Der Unfall gehe auf ein fahrlässiges Fehlverhalten des Zweitbeklagten zurück, sodaß auch die Erstbeklagte zur ungeteilten Hand für den Zweitbeklagten hafte, da dieser als ihr Erfüllungsgehilfe tätig geworden sei. Ein Mitverschulden des tödlich verunglückten Karl K***** liege höchstens im Ausmaß von einem Drittel vor. Insoweit die Klägerin gesetzliche Leistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen habe, seien die kongruenten Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen gemäß § 332 Abs. 1 ASVG auf sie übergegangen; diese mache sie geltend.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und beantragten Klagsabweisung. Die Absicherung sei ausreichend gewesen. Die Beklagten treffe an dem Unfall kein Verschulden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Die Erstbeklagte war beauftragt, Maler‑ und Anstreicherarbeiten im Betrieb der P***** AG in K***** durchzuführen. Sie ließ diese Arbeiten durch eine Arbeitspartie besorgen, welcher der Zweitbeklagte als Vorarbeiter angehörte. Um einen vom Zementsilo in 14 Meter Höhe zur Verladerampe führenden Steg streichen zu können, entfernte der Zweitbeklagte am Sonntag, dem 9. 11. 1980 die als Gehfläche dienenden 70 x 90 cm großen Gitterroste des Steges und stapelte sie an der im Zementsilo befindlichen Aufgangsstiege lotrecht auf. Zum Steg führt eine Stiege mit 7 Stufen wobei sich die letzte Stufe in Form eines Podestes erweitert. Daran schließt die auf den Steg hinausführende Türe an. Diese geht nach innen auf, ist unversperrbar und hat keinen automatischen Türschließer. Der Steg selbst weist Querverstrebungen auf, doch sind die Öffnungen nach Entfernung der Gitterroste so groß, daß ein Mensch leicht durchfallen kann. Zur Absicherung der Gefahrenstelle stellte der Zweitbeklagte einen Gitterrost direkt vor dem Stiegenaufgang fast lotrecht auf. Dieser Gitterrost hat in einer Höhe von 70 cm den Stiegenaufgang zur Gänze abgeschrankt. Um auf die Stiege zu gelangen, mußte man über diesen Gitterrost steigen. Warntafeln stellte der Zweitbeklagte nicht auf; er verständigte auch niemanden von der Entfernung der Gitterroste. Am 10. 11. 1980 wollte der als Packer bei der P***** AG beschäftigte Karl K***** den Steg überqueren, um Arbeiten am anderen Ende des Steges vorzunehmen; der Steg wurde für diese Zwecke üblicherweise benützt. Karl K***** muß den den Stiegenaufgang abschrankenden Gitterrost überstiegen, die nach innen aufgehende Türe geöffnet haben und auf den Steg getreten sein. Er stürzte dann von diesem Steg in die Tiefe und verletzte sich tödlich.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der vor dem Stiegenaufgang aufgestellte Gitterrost eine ausreichende Sicherung im Sinn des § 25 AllgDNSchV dargestellt habe; die Beklagten treffe kein Verschulden am tödlichen Unfall des Karl K*****.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz mit Teil‑ und Zwischenurteil das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, das die Entscheidung unter Einbeziehung des bestätigten Teiles insgesamt zu lauten habe:

„1. Es wird gegenüber den beklagten Parteien festgestellt, daß diese zur ungeteilten Hand verpflichtet sind, der Klägerin alle jene Leistungen zu ersetzen, welche diese aus Anlaß des Unfalles des Karl K***** vom 10. 11. 1980 auf Grund der jeweils in Geltung stehenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu erbringen hat; dies jedoch nur insoweit, als diese Leistungen in dem Schaden Deckung finden, dessen Ersatz die Hinterbliebenen nach Karl K***** ohne den in § 332 Abs. 1 ASVG vorgesehenen Rechtsübergang unmittelbar von den beklagten Parteien zu fordern berechtigt wären; hiebei ist von einer Mitschuldensquote des tödlich verunglückten Karl K***** im Ausmaß von zwei Dritteln auszugehen. Das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren wird insoweit abgewiesen, als nur von einer Mitverschuldensquote des Karl K***** von einem Drittel ausgegangen wird.

2.) Im übrigen besteht das auf Leistung gerichtete begehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht (Verschuldensteilung 2 : 1 zu Lasten des Verunglückten).

Das weitere Begehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, S 58.840,57 samt 4 % Zinsen seit 20. 10. 1982 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.“

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000 und der Wert des Streitgegenstandes, über den es insgesamt entschieden hat, S 300.000 übersteigt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen der Klägerin und der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund er unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Während die Klägerin Abänderung des Teilurteiles dahin, daß von einer Mitverschuldensquote des tödlich verunglückten Karl K***** im Ausmaß von einem Drittel auszugehen sei und des Zwischenurteiles dahin, daß das auf Leistung gerichtete Begehren dem Grunde nach unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 2 : 1 zu Lasten des Zweitbeklagten zu Recht bestehe, beantragt, streben die Beklagten Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles an.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Klägerin und die Beklagten, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt, hingegen kommt der Revision der Klägerin teilweise Berechtigung zu.

Da beide Revisionen die Schadensteilung bekämpfen, ist in diesem Punkte ihre gemeinsame Behandlung zweckmäßig.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, ob die vom Zweitbeklagten vorgenommene Absicherung durch Anlehnen eines Gitterrostes ausreichend war, könne zwar nicht direkt dem von der Klägerin und vom Erstgericht herangezogenen § 25 AllgDNSchV entnommen werden, weil diese vorliegendenfalls nicht Schutzgesetz iS des § 1311 ABGB sei. Diese Verordnung habe nämlich einen anderen Normzweck. Sie diene dem Schutz der eigenen Dienstnehmer, nicht aber eines auf einer Baustelle tätigen anderen Unternehmers oder dessen Mitarbeiter. § 25 AllgDNSchV gebe aber Anhaltspunkte, in welcher Weise Öffnungen gegen Absturz von Menschen zu sichern seien. Danach könne die Sicherung durch Umwehrung, tragsichere Abdeckung oder in anderer geeigneter Weise erfolgen. Lasse in Ausnahmefällen die Arbeitsweise keine besondere Sicherung zu, so sei durch Warntafeln auf die Gefahrenstelle hinzuweisen und für gute Beleuchtung zu sorgen. Warntafeln habe der Zweitbeklagte nicht aufgestellt. Er habe nicht einmal den Arbeitgeber des Verunglückten, die P***** AG, von der Entfernung der Gitterroste verständigt. Die vom Zweitbeklagten vorgenommene Sicherung sei jedoch nicht hinreichend gewesen. Die Aufstellung der Gitterroste in einigen Metern vor oder auch neben dem Stiegenaufgang habe überhaupt keine Sicherung dargestellt, denn daraus habe niemand den Schluß ziehen können, daß beim Heraustreten aus der Tür am oberen Ende des Stiegenaufganges die zum Begehen des Steges erforderlichen Gitterrosts fehlten. Aber auch der Gitterrost am unteren Ende des Stiegenaufgangens, den das Erstgericht als ausreichende Abschrankung angesehen habe, habe keine geeignete Sicherungsmaßnahme dargestellt, weil dieser nur 70 cm hohe Gitterrost dort lediglich wie beiläufig angelehnt, aber nicht fixiert gewesen sei.

Seien die vom Zweitbeklagten vorgesehenen Maßnahmen nach § 25 AllgDNSchV ungeeignet gewesen, die Mitarbeiter des eigenen Betriebes zu sichern, hätte der Zweitbeklagte auch erkennen müssen, daß sie keine geeigneten Schutzmaßnahmen bildeten, um andere sich dort befugterweise aufhaltende Personen, wie die Arbeiternehmer der P***** AG, vor Schäden zu schützen. Da der Zweitbeklagte zur Absicherung des Steges lediglich am unteren Ende der Stiege einen der entfernten, nur 70 cm hohen Gitterroste anlehnte, habe er fahrlässig den Tod des Karl K***** mitverschuldet, wofür er einzustehen und den Hinterbliebenen gemäß § 1327 ABGB Ersatz zu leisten hätte, der in dem diesen zustehenden Ausmaß im Umfang der von der Klägerin erbrachten Leistungen gemäß § 332 Abs. 1 ASVG auf diese übergegangen sei. Das bereits von der Klägerin berücksichtigte Mitverschulden des tödlich verunglückten Karl K***** im Ausmaß von einem Drittel sei jedoch nach den getroffenen Feststellungen zu niedrig. Dem Verunglückten müßten vielmehr zwei Drittel des Verschuldens angelastet werden; denn er habe den zur Absperrung verwendeten angelehnten Gitterrost überstiegen und sei, ohne dem Fehlen der Gitterroste Beachtung zu schenken, ins Freie getreten, obwohl die Tür nach innen aufging und er daher beim Öffnen zurücktreten mußte. Er sei daher nicht ‑ wie bei einem Öffnen der Tür nach außen ‑ unvermittelt auf den wegen des Fehlens der Gitterroste unbegehbaren Steg gelangt. Vor allem sei aber zu berücksichtigen, daß ihm der Weg wohlbekannt war, sodaß ihn die durch die gestapelten Gitterroste besonders auffallende Veränderung der Verhältnisse beim Stiegenaufgang zu besonderer Vorsicht hätte mahnen und zu Überlegungen über die Herkunft dieser Roste und den Grund für ihre Aufstellung im Bereich des Stiegenaufganges hätte veranlassen müssen. Der Zweitbeklagte habe daher nur für ein Drittel des Schadens einzustehen. Die der Erstbeklagten obliegende Schutzpflicht sei eine, ihrer Hauptleistungspflichten aus dem Werkvertrag mit der P***** AG notwendigerweise begleitende, weil ihre reibungslose Erfüllung erst ermöglichende Nebenpflicht, nämlich den Gläubiger nicht an seiner Person und auch nicht an seinen sonstigen Rechtspositionen zu schädigen und deshalb bei der Erfüllung der Hauptleistungspflichten und bei jedem weiteren Verhalten, das mit der Durchführung des Vertragsverhältnisses in einem mehr oder minder engen Zusammenhang stehe, das erforderliche Maß an Aufmerksamkeit, Überlegung und Rücksichtnahme, also kurz Sorgfalt, aufzuwenden. Diese Schutzpflichten bestünden aber nicht nur bezüglich der Person und sonstigen Rechtspositionen des Vertragspartners, sondern auch gegenüber solchen Personen, die der Sphäre des Partners angehörten. Daher hätten Lehre und Rechtsprechung auch diese Personen in den Kreis der Geschützten einbezogen, soferne sie durch die verstärkte Einwirkungsmöglichkeit des Vertragspartners in erhöhtem Maß gefährdet sein konnten und ihr Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung für einen anderen voraussehbar war. Zur Vorhersehbarkeit der Kontaktmöglichkeit genüge, daß dem Vertragspartner generell erkennbar war, daß möglicherweise Dritte im Gefahrenbereich sein würden; wer dies im Einzelfall sein könne, müsse nicht von vornherein feststellbar sein. Vorliegendenfalls könne es gar keine Frage sein, daß für die Erstbeklagte schon beim Abschluß des Werkvertrages mit der P***** AG vorhersehbar gewesen sein mußte, daß während der Durchführung der Maler‑ und Anstreicherarbeiten ihrer Arbeiter mit anderen Arbeitern, insbesondere dem Personal der P***** AG, in einen Kontakt treten könnten, der für diesen Personenkreis mit erhöhten Gefahren verbunden sei. Da § 1313a ABGB auch bezüglich der mit einem Schuldverhältnis verknüpften Schutz‑ und Sorgfaltspflichten anzuwenden sei, sei das Fehlverhalten des Zweitbeklagten bei der Absicherung des Steges auch der Erstbeklagten zuzurechnen. Diese habe daher den Schaden im gleichen Ausmaß und zur ungeteilten Hand mit dem Zweitbeklagten der Klägerin gemäß § 332 Abs. 1 ASVG zu ersetzen.

Die Klägerin führt in ihrer Revision aus, das Berufungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß die außerordentliche Gefahrensituation vom Zweitbeklagten herbeigeführt worden sei, der jede ihm durchaus zumutbare Vorsicht unterlassen habe. Wenn das Berufungsgericht dem tödlich verunglückten K***** anlaste, daß er ins Freie getreten sei, ohne dem Fehlen der Gitterroste Beachtung zu schenken, so könne doch darin im Verhältnis zu dem mehrfachen und gewichtigen Fehlverhalten des Zweitbeklagten nur nur ein wesentlich geringerer Aufmerksamkeitsfehler gesehen werden, der mit einer Mitverschuldensquote von einem Drittel reichlich abgegolten sei.

Die Beklagten vertreten dagegen in ihrer Revision die Auffassung, daß die gestapelten Gitterroste für sich allein sicherlich noch keine genügende Sicherungsmaßnahme bildeten, in Verbindung mit dem quergestellten Gitterrost am unteren Ende des Stiegenaufganges jedoch sehr wohl ein Warnsignal darstellten. Wenn Karl K***** diese Absperrung überklettert habe, begründe dies sein Alleinverschulden an dem Unfall. Es hätte hiebei bewußt werden müssen, daß sich auf oder hinter dem Stiegenaufgang eine Gefahrenquelle befinde. Das Anbringen einer Warntafel hätte im konkreten Fall überhaupt nichts genützt, wenn man sich vor Augen führe, daß Karl K***** die Absperrung überklettert, dann die Türe nach innen geöffnet habe und trotz der klaren Erkennbarkeit des Fehlens der Gitterroste auf den Steg hinausgegangen sei. Selbst wenn man im Fehlen einer Warntafel oder der nicht absolut festen Verankerung des quergestellten Gitterrostes ein allfälliges Verschulden des Zweitbeklagten erblicken sollte, sei dieses Maß an Verschulden verschwindend genug, und müßte gegenüber dem gravierenden Verschulden des Karl K***** vernachlässigt werden.

Bezüglich der Verschuldensteilung zwischen dem verunglückten Karl K***** und dem Zweitbeklagten kommt keiner der beiden Revisionen Berechtigung zu. In Lehre und Rechtsprechung wird das Bestehen sogenannter Verkehrssicherungspflichten anerkannt ( Koziol , Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 57 ff; Koziol‑Welser 7 I 389; SZ 47/124; SZ 43/204; SZ 37/97; JBl. 1969, 557; 1 Ob 544/81 u.a.). Danach hat derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, alles vorzukehren, um Schädigungen zu hindern (JBl. 1979, 485; SZ 47/124; JBl. 1973, 35; SZ 37/97 u.a.), soweit eine solche Gefahrenquelle für ihn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist (JBl. 1979, 485; JBl. 1967, 34). Durch die Anerkennung solcher Verkehrssicherungspflichten darf freilich der das Schadenersatzrecht beherrschende Verschuldensgrundsatz (§ 1295 ABGB) nicht durch eine vom Verschulden losgelöste Haftung ersetzt werden (vgl. Koziol a.a.O. 59). Abwehrmaßnahmen gegen gefährliche Zustände sind daher stets nur im Rahmen des Zumutbaren zu treffen, im Einzelfall kommt es auch auf die Wahrscheinlichkeit der Schädigung an. Für die Sicherung von Gefahrenquellen ist in umso höherem Maße zu sorgen, je weniger angenommen werden kann, daß die von der Gefahr betroffenen Personen sich ihrerseits vor Schädigungen vorzusehen und zu sichern wissen. Für das Ausmaß der Sicherungspflicht ist entscheidend, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestand (8 Ob 567/84 u.a.).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß die Aufstellung von Gitterrosten in einigen Metern vor oder auch neben dem Stiegenaufgang keine, und der am unteren Ende des Stiegenaufganges angelehnte, aber nicht fixierte 70 cm hohe Gitterrost keine geeignete Sicherungsmaßnahme darstellte und daher dem Zweitbeklagten eine Verletzung der ihn treffenden Sicherungspflichten, die, wie das Berufungsgericht richtig darlegte, auch gegenüber Karl K***** bestanden, anzulasten ist. Daß die Erstbeklagte für ein Verschulden des Zweitbeklagten einzustehen hat, wird in der Revision der Beklagten nicht bestritten, sodaß diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann.

Was das Mitverschulden des tödlich verunglückten Karl K***** betrifft, entspricht es einheitlicher Lehre und Rechtsprechung, daß ein Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB kein Verschulden im technischen Sinn voraussetzt; schon Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern führt dazu, daß der Geschädigte weniger schutzwürdig erscheint, weshalb dem Schädiger nicht mehr Ersatz des ganzen Schadens aufzuerlegen ist (ZVR 1982/317; SZ 51/188; ZVR 1978/111 u.v.a.; Koziol , Österr. Haftpflichtrecht 2 , I, 236). Geht es um die Unterlassung von Schutzvorkehrungen zur eigenen Sicherheit, so ist im Verhältnis zum Schädiger der Vorwurf des Mitverschuldens insoweit begründet, als sich bereits ein allgemeines Bewußtsein der beteiligten Kreise dahin gebildet hat, daß jeder Einsichtige und Vernünftige solche Schutzvorkehrungen anzuwenden pflegt; der Geschädigte hat sich somit verkehrsgerecht zu verhalten. Bei Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt ein Mitverschulden daher dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen könnte, daß Anhaltspunkte für eine solche Verletzung bestehen, und die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen; erkennbaren Gefahrenstellen muß grundsätzlich ausgewichen werden (1 Ob 784/83).

Wird von diesen Grundsätzen ausgegangen und berücksichtigt, daß Karl K***** nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes den am unteren Ende des Stiegenaufgangens angelehnten 70 cm hohen Gitterrost überstiegen hat und nach Öffnen der Türe nach innen, wozu er zurücktreten mußte, dennoch ins Freie trat, ohne dem Fehlen der Gitterroste auf dem Steg Beachtung zu schenken, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß sein Mitverschulden gegenüber dem Verschulden des Zweitbeklagten als überwiegend angesehen werden muß. In der Festsetzung der Mitverschuldensquote des Karl K***** mit zwei Dritteln kann daher keine unrichtige rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.

Es war somit der Revision der Beklagten zur Gänze und der Revision der Klägerin in diesem Punkte ein Erfolg zu versagen.

Berechtigung kommt der Revision der Klägerin jedoch insoweit zu, als sie die Fassung des Zwischenurteiles rügt und dem Berufungsgericht die Außerachtlassung des sogenannten Quotenvorrechtes der Sozialversicherungsträger vorwirft.

Nach § 332 Abs. 1 ASVG gehen Schadenersatzansprüche eines Verletzten bzw. der Hinterbliebenen eines getöteten Sozialversicherten auf den Versicherungsträger soweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Der Sozialversicherungsträger kann daher vom Schädiger den Ersatz seiner Aufwendungen für den Sozialversicherten insoweit verlangen, als dieser Aufwand in dem um den Mitverschuldensanteil gekürzten kongruenten Ansprüchen des Sozialversicherten, bzw. seiner Hinterbliebenen gegen den Schädiger Deckung findet (vgl. SZ 27/68, ZVR 1960/239 u.v.a.). Zutreffend verweist die Klägerin daher darauf, daß das Berufungsgericht rechtsirrig eine verhältnismäßige Kürzung des Leistungsbegehrens im Ausmaß der angenommenen Mitverschuldensquote des Karl K***** vorgenommen, das Leistungsbegehren demnach zur Hälfte als zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von S 58.840,57 s.A. abgewiesen hat. Im fortgesetzten Verfahren wird vielmehr der Schaden der Hinterbliebene des verunglückten Karl K***** der Höhe nach festzustellen und sodann entsprechend der Mitverschuldensquote des Verunglückten von zwei Dritteln zu teilen sein. Soweit der Aufwand der Klägerin in den danach sich ergebenden kongruenten Ansprüchen der Hinterbliebenen nach Karl K***** gegen die Beklagten Deckung findet, steht ihr der Anspruch auf Ersatz gegen die Beklagten zu.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 392 Abs. 2 und 393 Abs. 4 ZPO.

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