OGH 8Ob570/86

OGH8Ob570/8618.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albuin Vinzenz S***, Malermeister, Steinat 4, 6840 Götzis, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Maria Claudia S***, Hausfrau, Hauptstraße 45, 6712 Bludesch, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1986, GZ 1 R 327/85-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. September 1985, GZ 9 Cg 4087/85-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 308,85, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 17.2.1924 geborene Kläger und die am 5.7.1936 geborene Beklagte haben am 9.8.1958 vor dem Standesamt Götzis die Ehe geschlossen. Es handelte sich beiderseits um die erste Ehe. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten sie in Bludesch. Der am 6.3.1955 von der Beklagten geborene Sohn Friedrich wurde durch die nachfolgende Eheschließung legitimiert; während aufrechter Ehe wurden von der Beklagten 6 weitere Kinder geboren, und zwar Norbert und Marlies am 25.12.1958, Brigitte am 5.6.1960, Hubert am 29.5.1963, Egon am 5.7.1964 und Daniela am 1.12.1976. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger primär die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Er stützte dieses Begehren im wesentlichen darauf, daß ihm die Beklagte grundlos Eifersuchtsszenen gemacht und die Kinder gegen ihn aufgehetzt habe. Sie habe Streitigkeiten mit ihm vom Zaun gebrochen und ihn am 16.12.1981 bedroht und unter Druck gesetzt, sodaß der Kläger aus Angst die Ehewohnung verlassen und den gemeinsamen Haushalt aufgegeben habe. Die Beklagte habe den Kläger beschimpft und eingesperrt, habe Dritten gegenüber herabsetzende Bemerkungen über seine Arbeitsleistungen gemacht und seit Jahren ehewidrige Beziehungen mit einem anderen Mann unterhalten. Der Kläger sei nicht der Vater der von der Beklagten geborenen Kinder Brigitte und EgON

Die Beklagte habe die Tatsache, daß Brigitte nicht sein Kind sei, bereits vor mehreren Jahren gegenüber Erika R*** zum Ausdruck gebracht.

Hilfsweise stützte der Kläger sein Scheidungsbegehren auf § 55 Abs 1 EheG mit der Behauptung, daß die häusliche Gemeinschaft der Streitteile seit mehr als drei Jahren aufgehoben sei. Die Beklagte begehrte die Abweisung des auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens und bestritt die ihr zur Last gelegten Eheverfehlungen. Für den Fall der Scheidung der Ehe beantragte sie den Ausspruch des alleinigen oder zumindest des überwiegenden Verschuldens des Klägers im wesentlichen mit der Begründung, daß der Kläger die häusliche Gemeinschaft am 26.12.1981 grundlos aufgegeben habe. Er sei immer allein und ohne die Beklagte auf Urlaub gefahren und vernachlässige das von den Streitteilen bewohnte Haus, indem er es unterlasse, notwendige Reparaturen durchzuführen. Der Kläger vernachlässige seine Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten und seiner Tochter Daniela. Er unterhalte ehewidrige Beziehungen zu Christine G***. Der Kläger rede seit Jahren nicht mehr mit seinen Kindern und beschimpfe sie ebenso wie die Beklagte. Im Jahr 1976 habe er die Beklagte als geisteskrank in die Heilanstalt Valduna einliefern lassen, nachdem sie wegen seines Verhaltens einen Nervenzusammenbruch erlitten habe.

Das Erstgericht wies das auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten (§ 49 EheG) gerichtete Begehren des Klägers ab und schied die Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG; es sprach aus, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe überwiegend verschuldet hat. Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Ehe der Parteien verlief nur in den ersten Jahren einigermaßen harmonisch. Später kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, bis die Gemeinschaft der Parteien am 26.12.1981 endgültig aufgehoben wurde. An diesem Tag verließ der Kläger seine Familie. Er ist auch nicht mehr bereit, zur Beklagten zurückzukehren. Zumindest seit dieser Zeit ist die Ehe unheilbar zerrüttet.

Zum Auszug des Klägers aus der gemeinsamen Wohnung kam es, nachdem er am 26.12.1981 morgens der Beklagten mitgeteilt hatte, daß er nach Südtirol fahren wolle. Die Beklagte wollte mit ihm fahren, welchen Wunsch der Kläger mit der Bemerkung ablehnte, daß er die Beklagte nicht brauche. Die Beklagte wollte dann von ihm wissen, ob und wie sie über Geld verfügen könne. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich kein Geld im Hause der Streitteile. Sie wollte auch wissen, wie es in Zukunft wegen des Hauses und wegen der finanziellen Versorgung weitergehen solle. Der Kläger gab der Beklagten hierüber keine genaueren Auskünfte, auch nicht, was die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie anging. Als sich der Kläger aus dem Haus begeben wollte, ohne daß es zu einer Klärung gekommen war, versperrte der Sohn Egon die Haustür von innen und zog den Schlüssel ab. Die Streitteile vereinbarten, wegen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung Zeugen beizuziehen, worauf Egon S*** die Haustür wieder öffnete, sodaß der Kläger das Haus verlassen konnte. Der Kläger sagte aber nicht, daß er nicht mehr zurückkehren werde. An diesem Tag gab es zwischen den Parteien keinen Streit, auch wurden gegenüber dem Kläger keine Drohungen geäußert und auch keine Drohgebärden gemacht, und zwar weder von der Beklagten noch von den im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern. Es kam auch zu keiner Auseinandersetzung, als der Kläger einige Zeit später wieder in die Ehewohung zurückkehrte, um einige persönliche Gegenstände abzuholen. Wohl aber zeigte die Beklagte das Bestreben, den Kläger nach Möglichkeit bei seiner Familie zu halten. Der Kläger lehnte dies jedoch ab. Die Beklagte gab dem Kläger für seinen Auszug am 26.12.1981 keinen Anlaß. Am Vortag fand ebenfalls ein Gespräch der Streitteile über die finanzielle Situation und darüber statt, was mit dem gemeinsamen, jedoch im bücherlichen Alleineigentum des Klägers stehenden Haus geschehen solle. Aber auch an diesem Tag wurde seitens der Beklagten gegenüber dem Kläger keine Drohung ausgesprochen und dieser nicht unter Druck gesetzt. Es gab keinen Streit zwischen den Parteien; der Kläger reagierte auf die Äußerungen der Beklagten nicht, er wollte nur nicht auf die Beklagte hören.

Ab Jänner 1982 stellte der Kläger der Beklagten zur Bestreitung des Lebensunterhaltes keine Mittel mehr zur Verfügung. Auch für die mj. Daniela leistete der Kläger ab Jänner 1982 keinen Unterhalt. Die Beklagte mußte sich daher wie schon vorher durch Aufnahme von Arbeit darum kümmern, daß der Lebensunterhalt für die Familie und für sie selbst beschafft wird. Auch eine vom Gericht erlassene einstweilige Verfügung, durch welche der Kläger verpflichtet wurde, für die Beklagte einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 3.000,-- zu leisten, befolgte er nicht. Er zahlte im Rahmen der einstweiligen Verfügung nur den für die mj. Daniela bestimmten monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,--. Der Kläger war bis Ende 1984 als selbständiger Malermeister tätig; seither ging er nur noch gelegentlich einer Arbeit nach. Er gab der Beklagten nie Einblick in seine Einkommensverhältnisse. Die Beklagte war schon früher gezwungen, einer eigenen Arbeit nachzugehen, weil mit dem vom Kläger geleisteten Unterhaltsbeitrag von monatlich S 3.000,-- das Auslangen für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie nicht gefunden werden konnte. Seit Anfang 1985 ist der Kläger in Pension und bezieht monatlich ca. S 4.300,-- 14mal jährlich.

Das Eheleben der Streitteile war schon seit Jahren gestört, wozu wesentlich auch ein Zwischenfall im Laufe des Jahres 1976 beitrug. Die Beklagte war damals schwanger und wußte nicht, wie sie dem Kläger von dieser Schwangerschaft Mitteilung machen sollte. Anläßlich einer ärztlichen Behandlung erfuhr der Kläger von der Schwangerschaft seiner Frau, worauf er mit ihr nichts mehr sprach, die anschließende Nacht in seinem Büro verbrachte und am folgenden Morgen die Beklagte anschrie. Diese erlitt einen Nervenzusammenbruch. Als sie sich in einen nahegelegenen Wald begab, wurde sie nach Verständigung der Rettung und des Arztes durch die Kinder in das Landes-Nervenkrankenhaus Valduna in Rankweil eingeliefert. Während dieses Aufenthaltes wurde die Beklagte wohl von den Kindern, nicht aber vom Kläger besucht. Gegenüber den Kindern und dritten Personen äußerte er sich, daß er mit einer kranken Frau nichts mehr anfangen könne und daß es nur noch ein paar Wochen gehe, dann sei die Beklagte erledigt. Zumindest seit diesem Zwischenfall zeigte der Kläger für die Beklagte im wesentlichen kein Interesse mehr und ging seine eigenen Wege, ohne sich um die Beklagte oder seine Familie zu kümmern. Auch die Beziehung des Klägers zu seinen Kindern war schlecht; es bestand zwischen den Kindern und dem Kläger kaum ein persönlicher Kontakt. In den Jahren 1980 und 1981 fuhr der Kläger jeweils für etwa 14 Tage auf Urlaub, einmal nach Mallorca, einmal nach Südtirol. Entgegen den geäußerten Wünschen der Beklagten nahm er diese nicht mit. Der Kläger finanzierte diese Urlaubsreisen aus einem Guthaben eines Bausparvertrages in Höhe von etwa 150.000 bis 180.000 S. Er stellte der Beklagten hieraus nur geringe Beträge von S 5.000 bzw. S 6.000 für jene Zeit zur Verfügung, während der er auf Urlaub war. Die von der Beklagten während der Ehe geborenen Kinder Brigitte und Egon stammen nicht vom Kläger. Die Unehelichkeit dieser Kinder wurde rechtskräftig festgestellt.

In den vergangenen Jahren verkehrte ein gewisser Martin J*** im Haus der Parteien in Bludesch. Er war der Beklagten bei der Beschaffung vn Heimarbeit als Näherin behilflich und unterstützte sie auch bei dieser Arbeit. Es kann nicht festgestellt werden, daß zwischen Martin J*** und der Bklagten eine nähere intime Beziehung bestand. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten wegen J*** nie einen Einwand erhoben.

Es kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger mit Frau G*** ehewidrige Beziehungen unterhalten hat.

Zur Instandhaltung des Hauses, in dem die Streitteile wohnten, hat der Kläger in den letzten Jahren nichts mehr beigetragen. Die Beklagte hat sich in den Jahren des gemeinsamen Zusammenlebens bemüht, das Verhältnis des Klägers zu den Kindern zu verbessern. Der Kläger hat dem jedoch nicht entsprochen und sich fallweise nicht einmal gemeinsam mit der übrigen Familie an einen Tisch gesetzt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Kläger nur den Nachweis erbracht habe, daß die Beklagte in den Jahren 1959 und 1963 die Ehe gebrochen habe, daß er aber sonst keine schwerwiegenden Eheverfehlungen oder ein sonstiges ehrloses oder unsittliches Verhalten der Beklagten innerhalb der Frist des § 57 Abs 1 EheG in dem hiefür in Frage kommenden Zeitraum der zweiten Hälfte des Jahres 1981 nachgewiesen habe. Die beiden Ehebrüche könnten nicht mehr als Scheidungsgrund geltend gemacht werden, weil seither 10 Jahre verstrichen seien. Nach § 59 Abs2 EheG könnten zwar Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden könne, auch nach Ablauf der Fristen des § 57 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden, doch müßten die der Klage zugrundeliegenden und die aushilfsweise herangezogenen Verfehlungen in ihrer Gesamtheit so schwer sein, daß ein Scheidungsgrund vorliege. Solche neue schwere Eheverfehlungen der Beklagten lägen jedoch nicht vor. Wohl aber habe der Kläger selbst durch sein ehewidriges Verhalten die Ehe schuldhaft unheilbar zerrüttet. Unter diesen Umständen sei die auf Eheverfehlungen der Beklagten im Sinne des § 49 EheG gestützte Scheidungsklage abzuweisen. Das Scheidungsbegehren sei aber insofern gerechtfertigt, als es auf die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft gemäß § 55 Abs 1 EheG gestützt worden sei, weil die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit mehr als drei Jahren aufgehoben und die Ehe unheilbar zerrüttet sei.

Die Beklagte habe den Antrag gestellt, festzustellen, daß der Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet habe. Dem sei nach den getroffenen Feststellungen im Sinne des Ausspruches des überwiegenden Verschuldens des Klägers Rechnung zu tragen. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß angesichts des Umstandes, daß die vom Kläger gegen die Beklagte erhobenen Anschuldigungen schwerer schuldhafter Eheverfehlungen (mit Ausnahme der beiden Ehebrüche in den Jahren 1959 und 1963) nicht erwiesen seien, die Abweisung des Hauptbegehrens des Klägers auf Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG gerechtfertigt sei. Die Heranziehung des Ehescheidungsgrundes des Ehebruches (§ 47 EheG) sei wegen der auch von Amts wegen wahrzunehmenden Verfristung nicht mehr möglich. Nach § 57 Abs2 EheG sei eine Scheidung dann nicht mehr zulässig, wenn seit dem Eintritt des Scheidungsgrundes unabhängig von seiner Kenntnis 10 Jahre verstrichen seien.

Daß die Beklagte gewußt hätte, daß die beiden Kinder Brigitte und Egon aus einer ehebrecherischen Beziehung stammten, daß sie dies ihrem Ehemann bewußt verschwiegen, ihn im Glauben seiner Vaterschaft belassen und von ihm die Kosten der Erziehung und des Unterhaltes dieser Kinder in Anspruch genommen habe, was gewiß eine schwere schuldhafte Eheverfehlung darstellen würde, für welche die Verfristung des § 57 Abs2 EheG nicht eingetreten wäre, sei vom Kläger weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Die Bedeutung einer solchen Verhaltensweise der Beklagten sei daher mangels entsprechender Behauptungen nicht zu erörtern. Mangels klagbarer Eheverfehlungen der Beklagten hätte auch im Falle der Ehescheidung gemäß § 55 Abs 1 EheG aufgrund des diesbezüglichen Antrages der Beklagten konsequenterweise nur das alleinige Verschulden des Klägers ausgesprochen werden können. Da der Ausspruch des nur überwiegenden Verschuldens des Klägers von der Beklagten nicht bekämpft worden sei, habe es mit diesem Ausspruch sein Bewenden.

Im übrigen sei auf die zutreffende rechtliche Begründung des Ersturteils zu verweisen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft es aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Ehe "aus dem gleichteiligen Verschulden des Klägers und der Beklagten" geschieden werde; hilfsweise beantragt er die Abänderung des angefochtenen Urteil in dem Sinn, "daß die Feststellung des überwiegenden Verschuldens des Klägers aus dem Urteilsspruch ausgeschieden werde". Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bekämpft in seiner Rechtsrüge nicht die Richtigkeit der zutreffenden Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß sein auf Scheidung der Ehe aus Verschulden der Beklagten gerichtetes Begehren nicht mit Erfolg auf die beiden Ehebrüche der Beklagten in den Jahren 1959 und 1963 gestützt werden könne, weil diese Eheverfehlungen im Sinne des § 57 Abs2 EheG verfristet sind. Er versucht aber darzutun, daß der Beklagten schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG anzulasten seien, weil sie ihm bewußt verschwiegen habe, daß ihre beiden während der Ehe geborenen Kinder Brigitte und Egon nicht von ihm stammten, weil sie ihn wider besseres Wissen im Glauben belassen habe, er sei der Vater dieser Kinder und weil sie von ihm unter diesen Umständen die Kosten für den Unterhalt und die Erziehung dieser Kinder angenommen habe. Des weiteren müsse der jahrelang dauernde Umgang der Beklagten mit Martin J*** als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG gewertet werden.

Dem ist zu entgegnen, daß auch im Ehescheidungsverfahren das Gericht bei der Beurteilung des Verschuldens oder Mitverschuldens der Ehegatten an das Vorbringen der Parteien gebunden ist und Umstände, die nicht durch entsprechende Parteienbehauptungen gedeckt sind, bei der Beurteilung des Verschuldens bzw. Mitverschuldens nicht zu berücksichtigen hat (EFSlg. 30.096, 31.713 ua.). Dem eingangs wiedergegebenen Vorbringen des Klägers im Verfahren erster Instanz läßt sich nur die Behauptung entnehmen, daß die beiden Kinder der Beklagten Brigitte und Egon aus Ehebrüchen der Beklagten stammten und daß dies die Beklagte hinsichtlich ihrer Tochter Brigitte zumindest geglaubt habe; ein Vorwurf gegen die Beklagte in der Richtung, daß sie den Kläger bewußt und wider besseres Wissen im Glauben gelassen habe, er sei der Vater dieser Kinder und daß sie unter diesen Umständen vom Kläger fortgesetzt Leistungen für den Unterhalt dieser Kinder angenommen hätte, ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen. Die Nachholung einer derartigen Behauptung im Berufungsverfahren war dem Kläger infolge des nunmehr auch im Ehescheidungsverfahren geltenden Neuerungsverbotes (§§ 482, 483 a Abs2 ZPO) verwehrt. Mit Recht sind daher die Vorinstanzen nicht darauf eingegangen, ob in einem solchen Verhalten der Beklagten eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu erblicken wäre.

Was schließlich den Umgang der Beklagten mit Martin J*** anlangt, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen, daß zwischen ihm und der Beklagten sexuelle Beziehungen nicht bestanden, sondern daß er der Beklagten nur bei der Beschaffung von Heimarbeit als Näherin behilflich war, sie bei dieser Arbeit unterstützte und daß der Kläger gegenüber der Beklagten wegen ihres Umganges mit J*** nie einen Einwand erhob. Geht man von diesen Feststellungen aus, dann ist in diesem Umgang der Beklagten eine Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG keinesfalls zu erblicken. Soweit der Kläger in seiner Rechtsrüge von einem anderen Sachverhalt ausgeht, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Es kann somit entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagten nicht verfristete Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG anzulasten wären, die eine Scheidung der Ehe der Streitteile aus einem Verschulden der Beklagten rechtfertigten.

Daß die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 1 EheG vorliegen, ist nicht strittig.

Gemäß § 61 Abs3 EheG ist im Fall der Scheidung nach § 55 EheG auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen, ob der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat. Bei der Beurteilung, ob der die Scheidung nach § 55 EheG begehrende Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat, ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe einschließlich verziehener oder verfristeter Eheverfehlungen zu berücksichtigen (EFSlg. 41.288, 41.291, 43.690; 1 Ob 618/85; 7 Ob 536/86 ua.). Auch im Fall des Verschuldensausspruches nach § 61 Abs3 EheG ist ein überwiegendes (Zerrüttungs-)Verschulden nur dann anzunehmen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile ganz augenscheinlich hervortritt (EFSlg. 41.291, 43.698; 43.699; 1 Ob 618/85; 8 Ob 574/85 ua.).

Geht man davon aus, dann ergibt sich, daß bei Beurteilung der Frage, ob der Kläger die bestehende unheilbare Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hat, sehr wohl auch die verfristeten Eheverfehlungen der Beklagten, nämlich ihre Ehebrüche in den Jahren 1959 und 1963, berücksichtigt werden müssen. Trotz der Schwere dieser Eheverfehlungen ist aber der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers gerechtfertigt, weil die nach den Feststellungen der Vorinstanzen bereits nach der grundlosen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft durch den Kläger am 26.12.1981 bestehende unheilbare Zerrüttung der Ehe ausschließlich durch das grob ehewidrige Verhalten des Klägers herbeigeführt wurde und der Kläger von den lange Zeit zurückliegenden Ehebrüchen der Beklagten, die ohne Einfluß auf die Zerrüttung der Ehe blieben, erst nach diesem Zeitpunkt Kenntnis erhielt. Entscheidend für die eingetretene unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile war nach den Feststellungen der Vorinstanzen das ehewidrige Verhalten des Klägers, nicht aber die verfristeten Ehebrüche der Beklagten. Unter diesen Umständen erscheint trotz der Schwere der von der Beklagten begangenen verfristeten Eheverfehlungen der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers im Sinne des § 61 Abs3 EheG gerechtfertigt.

Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte