OGH 8Ob566/88

OGH8Ob566/8826.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Florence J***, geboren am 2. März 1974 und des mj. Patrick J***, geboren am 4. März 1977, infolge Revisionsrekurses der Mutter Denise J***, Sekretärin, 3413 Unterkirchbach, Klammweg 5, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 16. März 1988, GZ R 614, 615/87-44, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 11. September 1987, GZ P 30/86-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der am 2. März 1974 geborenen Florence J*** und des am 4. März 1977 geborenen Patrick J*** wurde mit Urteil vom 15. Oktober 1986, in Rechtskraft erwachsen am 20. Februar 1987, aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden der Ehegatten geschieden.

Mit Beschluß vom 11. September 1987, ON 35, übertrug das Pflegschaftsgericht die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden, rein persönlichen Rechte und Pflichten auf den Vater und wies den Antrag der Mutter, ihr diese Rechte und Pflichten zu übertragen, ab. Diese Entscheidung gründete es auf das nach dem Gutachten eines psychologischen Sachverständigen, welcher die Eltern und die Kinder einvernommen hatte, sowie nach den Ergebnissen der Anhörung der beiden Minderjährigen offenbar für die Unterbringung der Kinder beim Vater sprechende Kindeswohl.

Einen Protokollsberichtigungsantrag der Mutter, wonach der Inhalt der von den Kindern in Abwesenheit der Eltern gegenüber dem Pflegschaftsrichter abgegebenen Erklärungen den Eltern nicht, wie protokolliert, zur Gänze, sondern nur summarisch bekanntgegeben worden sei, wies das Pflegschaftsgericht mit Beschluß ON 39 wegen Verspätung zurück.

Das Rekursgericht gab dem gegen die beiden erstgerichtlichen Beschlüsse erhobenen Rekurs der Mutter nicht Folge. Es verneinte die in Zusammenhang mit der bloß summarischen Bekanntgabe des Inhaltes der Erklärungen der Kinder behauptete Nichtigkeit des Verfahrens wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und auch das Vorliegen der behaupteten weiteren Rekursgründe. Dabei ging es im Hinblick auf die Neuerung im Rekurs, der Vater sei zufolge Arbeitslosigkeit nicht in der Lage, für den Unterhalt der Kinder zu sorgen, auf Grund einer ergänzenden Vernehmung des Vaters und eines von diesem vorgelegten Dienstvertrags von der weiteren Feststellung aus, daß der Vater in der Zwischenzeit eine mit einer Einkommenssteigerung verbundene neue Stelle gefunden hat. Insgesamt vertrat es in Übereinstimmung mit dem Erstgericht die Auffassung, daß die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater dem Kindeswohl entspreche, weil hiedurch die Interessen der Kinder an einer möglichst guten Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung und die seelische und geistige Entwicklung sowie das Gefühl der Geborgenheit besser befördert erschienen. Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der auf den Beschwerdegrund der Nichtigkeit gemäß § 16 AußStrG gestützte Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrage, den angefochtenen Beschluß, soweit er sich auf den erstgerichtlichen Beschluß ON 35 bezieht, aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Die Mutter bringt hierin vor, durch die mangelnde Beteiligung der Eltern an der Vernehmung der Kinder sei die Bestimmung des § 185 AußStrG und durch die unvollständige Bekanntgabe des Ergebnisses der Anhörung der Kinder ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, da sie keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt habe. Das gleiche gelte für die vom Rekursgericht vorgenommene ergänzende Vernehmung des Vaters. Die von ihr beantragte Ergänzung des Sachverständigengutachtens durch Einbeziehung der Ergebnisse der richterlichen Anhörung der Kinder sei erforderlich gewesen, jedoch unterblieben. In der Zwischenzeit hätten sich die Dinge so entwickelt, wie sie es vorhergesehen habe. Der Vater lebe mit einer Lebensgefährtin im 1. Stock des Hauses und kümmere sich nicht um die Kinder. In der überhasteten Vorgangsweise der Vorinstanzen und der Außerachtlassung des Beweisantrages der Mutter liege ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nullität. Den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin kann nicht gefolgt werden:

Rechtliche Beurteilung

Die Bestimmung des § 185 AußStrG sieht vor, daß Verhandlungen in Vormundschaftsangelegenheiten in der Regel mündlich vor Gericht zu pflegen sind. Das bedeutet jedoch nicht, daß Vernehmungen im Außerstreitverfahren in Anwesenheit der Parteien erfolgen müßten. Die Beweisaufnahme ist gemäß § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG an keinerlei Förmlichkeiten gebunden (EvBl. 1975/80; SZ 54/124 uva). Es ist auch nicht erforderlich, die Beteiligten zu allen Verfahrensergebnissen mündlich zu hören, sondern hinreichend, daß ihnen die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme, allenfalls im Rekurs, eröffnet wurde. In keinem dieser Fälle liegt somit ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und damit ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 477 Z 4 ZPO vor. Dieser Nichtigkeitsgrund ist im übrigen auch dann nicht gegeben, wenn ein Beteiligter zu einzelnen Beweisergebnissen nicht gehört wurde (EvBl. 1966/14; 1 Ob 246/87, 6 Ob 651/87 uva), wie dies hier auf die auf Grund des Rekursvorbringens der Mutter erfolgte ergänzende Vernehmung des Vaters durch das Rekursgericht zutrifft. Das Ergebnis dieser Vernehmung des Vaters hat zudem auch nicht zu einer Veränderung der erstgerichtlichen Sachverhaltsgrundlage geführt. In der Unterlassung einer weiteren Beweisaufnahme durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen zu den Erklärungen der Kinder vor dem Pflegschaftsgericht kann schließlich schon deswegen keine Nichtigkeit liegen, weil die Ablehnung von Beweisanträgen grundsätzlich nur einen einfachen Verfahrensmangel, aber keinen vom Gewicht der Nichtigkeit, begründet (3 Ob 522/87, 6 Ob 651/86 uva). Somit ist die Behauptung der Mutter, ihr rechtliches Gehör sei in einem wesentlichen Punkt verletzt worden und solcherart eine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses gegeben, unter keinem der von ihr aufgezeigten Gesichtspunkte zutreffend. Darauf, ob sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit, also seit Erlassung des angefochtenen Beschlusses, in dem von der Mutter im Revisionsrekurs behaupteten Sinne geändert haben, ist nicht einzugehen, weil Neuerungen im Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG grundsätzlich nicht zulässig sind. Dieses Vorbringen vermag jedoch für das Pflegschaftsgericht Anlaß zu einer amtswegigen Überprüfung sein (1 Ob 198/70, 5 Ob 760/80 ua).

Da der behauptete Beschwerdegrund der Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht vorliegt, ist das Rechtsmittel der Mutter gemäß § 16 AußStrG unzulässig und war daher zurückzuweisen.

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