OGH 8Ob564/86

OGH8Ob564/8626.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*** E*** Handelsgesellschaft m.b.H., Bahnhofgürtel 59, 8020 Graz, vertreten durch Dr.Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Z*** S*** Gesellschaft m.b.H., Johannesplatz 1, 9900 Lienz, vertreten durch Dr.Wilfried Seirer, Rechtsanwalt in Lienz, wegen S 18.868,80 samt Anhang, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 26. Februar 1986, GZ27 R 42/86-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Graz vom 27.November 1985, GZ27 C 413/85-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 18.868,80 samt Anhang im wesentlichen mit der Begründung, sie habe ihr über ihre Bestellung Waren geliefert; dafür schulde ihr die Beklagte als Kaufpreis den Klagsbetrag. Die Beklagte habe eine ungerechtfertigte Mängelrüge erhoben und in einem Telefonat behauptet, daß die gelieferte Ware nicht der Bestellung entspreche; tatsächlich sei die bestellte Ware geliefert worden. Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß der von der Klägerin verlangte Kaufpreis nicht fällig sei. Die Ware sei nicht auftragsgemäß geliefert worden; dieser Umstand sei sofort gerügt worden. Bereits anläßlich der Bestellung sei, weil bereits während der bisherigen Geschäftsverbindung der Streitteile Unregelmäßigkeiten aufgetreten seien, zwischen ihnen vereinbart worden, daß die Sendung nur dann angenommen werde, wenn die Lieferung vollständig der Bestellung entspreche.

Das Erstgericht gab, abgesehen von der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens, dem Klagebegehren statt.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Am 21.Mai 1985 erschien der Geschäftsführer der Klägerin, Peter P***, mit mehreren Musterkoffern, die Sonnenbrillen enthielten, bei der Beklagten. Der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten, Siegfried Z***, wählte aus den Musterkoffern ihm gefallende Stücke aus und beauftragte den Geschäftsführer der Klägerin mit der Lieferung der von ihm ausgewählten Artikel. Die für die Bestellung maßgeblichen Artikelnummern, die mittels eines Anhängers auf den jeweiligen Brillen befestigt waren, wurden in den Bestellschein eingetragen.

Auf Grund dieses Auftrages wurde von den Angestellten der Klägerin Renate G*** und Karl P*** die entsprechende Lieferung zusammengestellt, kontrolliert und schließlich zum Versand gebracht. Die Rechnung wurde mit 23.Mai 1985 datiert und am gleichen Tag die Lieferung abgesendet.

Die Anlieferung der Ware bei der Beklagten erfolgte am 28. Mai 1985. Der Geschäftsführer Siegfried Z*** packte die gelieferten Sonnenbrillen aus, überprüfte sie und stellte dabei fest, daß einige der gelieferten Artikel mit den bestellten Artikeln nicht übereinstimmten.

Noch am gleichen Tag, also am 28.Mai 1985, rief Siegfried Z*** bei der Beklagten an und teilte ihrer Angestellten Renate G*** mit, daß mit der Lieferung etwas nicht stimme bzw. daß Abweichungen der gelieferten von der bestellten Ware vorhanden seien. Die Ware werde zur Gänze an die Klägerin retourniert werden. Am 29.Mai 1985 wurde dann die Ware mit einem Begleitschreiben an die Klägerin zurückgesendet, in dem Siegfried Z*** der Klägerin mitteilte, daß die Lieferung nicht mit dem Auftrag übereinstimme. Die Klägerin verweigerte die Annahme dieser Sendung und schickte sie an den Beklagten zurück.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß hinsichtlich der von der Klägerin an die Beklagte auf Grund der Bestellung vom 21.Mai 1985 übermittelten Sendung eine Abweichung der gelieferten von der bestellten Ware vorgelegen sei. Die vom Geschäftsführer der Beklagten daraufhin erhobene Mängelrüge stütze sich auf § 377 HGB, da das in Frage stehende Rechtsgeschäft für beide Streitteile ein Handelsgeschäft gewesen sei. Die Rügepflicht nach dieser Gesetzesstelle sei an keine Form gebunden; die Mängelrüge könne daher auch telefonisch vorgenommen werden. Die Rüge sei auch rechtzeitig erfolgt.

Die Mängelrüge des Käufers müsse aber alle Angaben darüber enthalten, welche Ware von dem Mangel betroffen sei und worin der Mangel im einzelnen bestehe. Es genüge daher nicht, wenn der Käufer die Ware allgemein tadle und sie als schlecht oder nicht verwendbar bezeichne. Allgemeine Redewendungen bezüglich des Mangels reichten nicht zu einer wirksamen Mängelrüge hin. In einem solchen Fall müsse der Käufer, der die Mängel nicht konkretisiere, die Ware als genehmigt gelten lassen.

Der Geschäftsführer der Beklagten habe anläßlich des Telefongespräches vom 28.Mai 1985 und im Begleitschreiben vom 29. Mai 1985 lediglich erklärt, daß Abweichungen der gelieferten von der bestellten Ware vorhanden seien bzw. daß die Lieferung nicht mit dem Auftrag übereinstimme. Diese Mängelrüge könne nur als allgemeine Redewendung bezüglich des Mangels gewertet werden. Da keine Konkretisierung bzw. nähere Beschreibung, worin die Mängel im einzelnen bestünden, erfolgt sei, könne nicht von einer wirksamen Mängelrüge gesprochen werden. Die Beklagte müsse daher die Ware als genehmigt gelten lassen.

Dieses Urteil wurde in seinem klagsstattgebenden Teil von der Beklagten mit Berufung bekämpft.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes in seinem klagsstattgebenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, daß der Brillenlieferung ein beiderseitiges Handelsgeschäft zugrunde liege. Habe der Verkäufer einer Ware nicht aus der geschuldeten, sondern aus einer anderen Warengattung geliefert, so liege keine Schlecht-, sondern eine Falschlieferung vor. Aus § 378 HGB ergebe sich, daß auch eine Falschlieferung, falls keine grobe Artabweichung im Sinne des § 378 zweiter Halbsatz HGB vorliege, als vom Käufer genehmigt gelte, wenn er sie nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig gerügt habe. Es komme daher vorerst der Feststellung des Erstgerichtes wesentliche Bedeutung zu, daß einige der gelieferten Artikel mit den bestellten nicht übereinstimmten.

Die Aussagen der im Verfahren vernommenen Parteien und Zeugen seien diesbezüglich widersprüchlich. Das Erstgericht habe seine von der Klägerin bekämpfte Feststellung damit begründet, daß auch auf Grund der Beilagen B und C (Auftrag und Rechnung) erwiesen sei, daß einige der gelieferten Artikel mit den bestellten nicht übereinstimmten. Mit dem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand, die Rechnung weise nur Tippfehler auf, tatsächlich sei das Bestellte geliefert worden, habe sich das Erstgericht nicht befaßt. Offensichtlich zur Klärung dieser Umstände habe es die Befundaufnahme über den Inhalt der Lieferung durch das Rechtshilfegericht Bezirksgericht Lienz beschlossen. Die Amtshandlung vor diesem Gericht habe sich nur auf die Öffnung des Paketes beschränkt, wobei über den konkreten Inhalt kein Befund erhoben worden sei.

Zu Recht gingen daher beide Streitteile im Rechtsmittelverfahren davon aus, daß die bisherigen Beweisaufnahmen des Erstgerichtes noch keine verläßliche Basis für tatsächliche Feststellungen in dem hier bekämpften Punkt bildeten, zumal sich ja die Lieferung an Hand der Musterkollektion der Klägerin und der Auftragsliste überprüfen lasse. Nach den unzureichenden Ergebnissen der Befundaufnahme durch das Bezirksgericht Lienz sei daher eine weitere Erörterung mit den Parteien im Tatsächlichen erforderlich gewesen, um diese Befundaufnahme - unter Umständen durch einen Sachverständigen - zu veranlassen.

Hinsichtlich der je nach den Ergebnissen einer solchen Befundaufnahme anstehenden weiteren Rechtsfragen vertrete das Berufungsgericht folgende Auffassung:

Die Mängelrüge nach § 377 HGB müsse so gefaßt sein, daß der Verkäufer aus ihr Art und Umfang der gerügten Mängel deutlich erkennen könne. Bei Lieferung eines Aliud wisse hingegen der Lieferant, wie die Bestellung gelautet habe und von welcher Beschaffenheit die gelieferte Ware sei, sodaß er in der Lage sei, die Grundlosigkeit der Anzeige der nicht vertragsgemäßen Lieferung selbst zu überprüfen, zumal diese ihm vom Bestellter retourniert worden sei. Im vorliegenden Fall habe es daher genügt, wenn seitens des Bestellers lediglich die allfällige Abweichung der bestellten von der gelieferten Ware gerügt worden sei. Hiezu komme noch, daß der Beklagten wohl nicht bei der Lieferung jene Musterkollektion zur Verfügung gestanden sei, auf Grund welcher die Bestellung erfolgt sei. Für den Fall, daß tatsächlich ein Teil der gelieferten Ware von der bestellten abweichen sollte, erhebe sich die Frage, ob der Besteller zufolge Nichtannahme des bestellten Teiles der Ware in Annahmeverzug geraten sei, sodaß die Klagsforderung zumindest teilweise fällig wäre. Hier wäre zu prüfen, ob der größere und wertvollere Teil der Lieferung der Bestellung nicht entsprochen habe. Diesfalls könne der Käufer trotz der Teilbarkeit der Lieferung die Annahme und Bezahlung des der Bestellung entsprechenden Teiles der Lieferung verweigern. Dies gelte nur für den Fall, daß das Erstgericht nicht im Sinne der Behauptungen der Beklagten feststelle, daß die Parteien eine Teilbarkeit der Leistung rechtsgültig ausgeschlossen hätten.

Da somit das erstgerichtliche Verfahren teilweise mangelhaft sei bzw. die vorliegenden Feststellungen eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache nicht erlaubten, sei im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 und Z 3 ZPO das Urteil des Erstgerichtes in seinem klagsstattgebenden Teil aufzuheben.

Der angeordnete Rechtskraftvorbehalt sei gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO gegeben seien. Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst im klagsstattgebenden Sinn zu entscheiden; hilfsweise beantragt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht.

Die Beklagte hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rekurs der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig. Sachlich ist er insoweit nicht berechtigt, als es bei der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichtes zu verbleiben hat; allerdings kann den Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes nicht im vollen Umfang beigetreten werden.

Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht darum, daß die Beklagte die von der Klägerin gelieferte Ware als Erfüllung angenommen und der Kaufpreisklage der Klägerin Gewährleistungsansprüche wegen Schlecht- oder Falschlieferung entgegengesetzt hätte, für deren Beurteilung die Vorschriften der §§ 377, 378 HGB heranzuziehen wären. Die Beklagte hat vielmehr die ihr von der Klägerin gelieferten Waren wegen behaupteter Abweichung von der Bestellung überhaupt nicht als Erfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages angenommen und dies der Klägerin durch das noch am Tag der Auslieferung (28.Mai 1985) geführte Telefonat und die Rücksendung der Ware am 29.Mai 1985 mit einem Begleitschreiben des Inhaltes, daß die Lieferung nicht mit dem Auftrag übereinstimme, mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Die Beklagte setzt also dem Klagebegehren keine Gewährleistungsansprüche, sondern die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrages im Sinne des § 1052 ABGB entgegen, wenn sie sich auf den Standpunkt stellt, zur Zahlung des verlangten Kaufpreises nicht verpflichtet zu sein, weil die gelieferte Ware nicht der Bestellung entsprochen habe.

Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte den Vorschriften der §§ 377, 378 HGB entsprochen hat. Da die Einrede des nicht vorleistungspflichtigen Käufers, der Verkäufer habe nicht gehörig erfüllt, zur Abweisung des auf Zahlung des Kaufpreises gerichteten Begehrens des Verkäufers führt, wenn der nicht vertragsgemäße Zustand des Kaufgegenstandes dargetan ist (HS 5439 mit weiteren Nachweisen u.a.), ist vielmehr entscheidend, ob die der Beklagten gelieferten Waren tatsächlich der Bestellung entsprachen oder nicht. Trifft dies nämlich nicht zu, dann war die Beklagte berechtigt, die Annahme der ihr gelieferten Ware zu verweigern (vgl. SZ 28/167; HS VII/15; EvBl 1974/97 u.a.) und sie kann der Kaufpreisklage der Klägerin mit Erfolg die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegensetzen. Wenn das Berufungsgericht die Frage, ob und in welchem Umfang die der Beklagten gelieferten Waren von der Bestellung abweichen, in tatsächlicher Richtung als nicht hinlänglich geklärt erachtete, kann dem der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

Was die weitere Frage anlangt, ob der Klägerin dann, wenn nur ein Teil der von ihr gelieferten Waren der Bestellung entsprach, ein Kaufpreisanspruch hinsichtlich dieser Waren zusteht, ist davon auszugehen, daß sich die Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Erfüllung nach dem Willen beider Parteien oder nach dem dem Gegner beim Vertragsabschluß bekannten oder erkennbaren Willen der anderen Partei richtet. Die Erfüllung wird dann als teilbar anzusehen sein, wenn die Partei den Vertrag auch über einen Teil für entsprechend geringere Gegenleistung unter sonst gleichen Bedingungen abgeschlossen hätte. Hat hingegen ein solches Interesse am Teilaustausch erkennbar gefehlt, liegt Unteilbarkeit vor (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 463; 1 Ob 659/82).

Für den vorliegenden Fall folgt daraus die rechtliche Erheblichkeit der Behauptung der Beklagten, sie habe mit der Klägerin anläßlich der Bestellung vereinbart, daß die Sendung nur dann angenommen werde, wenn die Lieferung vollständig der Bestellung entspreche. In einer derartigen Abrede wäre nämlich die ausdrückliche Vereinbarung der Unteilbarkeit der Erfüllung im Sinne obiger Rechtsausführungen zu erblicken, die zur Folge hätte, daß die Klägerin dann, wenn nur ein Teil der gelieferten Waren nicht der Bestellung entsprach, auch für die übrigen, der Bestellung entsprechenden Waren keine Kaufpreisforderung stellen könnte. Es sind daher auch in dieser Richtung, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannte, ergänzende Feststellungen erforderlich. Nur dann, wenn es sich im Sinne obiger Rechtsausführungen bei der Warenlieferung der Klägerin an die Beklagte um eine teilbare Erfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages handeln sollte, käme insoweit, als die gelieferten Waren der Bestellung entsprachen, eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises in Betracht, weil dann insoweit die Einwendung des nicht gehörig erfüllten Vertrages unberechtigt wäre.

Da somit die vom Erstgericht erhobene Tatsachengrundlage zur erschöpfenden rechtlichen Beurteilung dieses Rechtsstreites nicht ausreicht, hat es bei der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichtes zu verbleiben.

Da der vorliegende Rekurs der Klägerin zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl 1958/28).

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