Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die rekursgerichtliche Bestätigung des Punktes 1. des pflegschaftsgerichtlichen Beschlusses ON 7 wendet, mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).
2. Im übrigen, nämlich hinsichtlich der rekursgerichtlichen Bestätigung des Punktes 2. des pflegschaftsgerichtlichen Beschlusses ON 7, wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge gegeben.
Die vorinstanzlichen Entscheidungen werden insoweit aufgehoben. Dem Pflegschaftsgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
zu Punkt 2:
Die eheliche Mutter der am 28. Jänner 1981 geborenen mj. Barbara P***** beantragte am 21. August 1991, ihr die alleinige Obsorge über die Minderjährige gemäß § 177 Abs 2 ABGB zuzuerkennen und deren angeblich von der Mutter getrennt lebenden ehelichen Vater im Hinblick auf dessen monatliches Nettoeinkommen von S 35.000,-- zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von S 7.000,-- an die Minderjährige zu verpflichten.
Der Vater erklärte sich unter Hinweis auf sein monatliches Nettoeinkommen von S 29.438,-- ausdrücklich bereit, der Minderjährigen einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000,-- zu bezahlen und verwies darauf, daß er darüberhinaus ohnehin auch die monatlichen Kosten von S 3.000,-- für das Haus trage, in dem die Minderjährige mit ihrer sie betreuenden Mutter und einem selbsterhaltungsfähigen Bruder wohne.
Mit Punkt 2. seines Beschlusses ON 7 vom 15. November 1991 verpflichtete das Pflegschaftsgericht den Vater ab 1. Dezember 1991 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 4.000,--.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen, mit dem sie den Zuspruch des vollen geforderten Unterhaltsbetrages ab 1. September 1991 begehrte, nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrage auf dessen Zulassung und auf Abänderung des angefochtenen Beschlußpunktes dahin, daß ihr Vater verpflichtet werde, ihr ab 1. September 1991 einen monatlichen Unterhalt von S 7.000,-- zu leisten.
Der Unterhalt, dessen Wesen in der Deckung der laufenden Lebensbedürfnisse der Unterhaltsberechtigten besteht, kann für die Zukunft und (seit der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 9. Juni 1988, SZ 61/143) grundsätzlich auch für die Vergangenheit gefordert werden. Zukünftiger Unterhalt ist nach der ständigen Rechtsprechung im Falle eines bestehenden Unterhaltsanspruches und mangels eines anderen Begehrens demgemäß jedenfalls ab dem Zeitpunkt der diesbezüglichen Antragstellung zuzusprechen. Der pflegschaftsgerichtliche Verstoß gegen diesen für das Verfahren in Unterhaltsansachen wesentlichen Grundsatz wurde im Rekursverfahren ausdrücklich gerügt. Das Rekursgericht hat zu dieser Rüge mit keinem Wort Stellung genommen und den angefochtenen Beschluß bestätigt, sodaß auch die bestätigende Entscheidung der klaren Rechtslage widerspricht.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist somit im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und gerechtfertigt. Es kann aber noch keine Sachentscheidung gefällt werden, weil auch das Ausmaß der Unterhaltspflicht des Vaters in allen Instanzen bekämpft wurde und mangels der erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen dem Obersten Gerichtshof insoweit eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist.
Nach den vom Rekursgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen bezieht der Vater ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 33.250,-- und hat für das Haus, in dem sich die Ehewohnung befindet, in der auch die beiden ehelichen Kinder leben, Betriebskosten von monatlich S 3.000,-- zu tragen. Die mj. Barbara besucht die erste Klasse eines Gymnasiums, ihre Mutter verdient als halbtagsbeschäftigte Bankangestellte monatlich netto S 10.000 zuzüglich Sonderzahlungen.
Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen, daß die in der Rechtsprechung der zweiten Instanzen bei der Unterhaltsbemessung herangezogene Prozentsatzmethode zwar kein verbindliches Berechnungssystem bedeutet, diese Prozentwerte aber im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle eine auch von der Lehre gebilligte, durchaus brauchbare grundsätzliche Orientierungshilfe darstellen (JBl. 1991, 40; 8 Ob 601/90; 4 Ob 506/92 uva); weiters, daß bei einem überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz die Prozentkomponente - für ein Kind durchschnittlich 20 % - nicht voll auszuschöpfen ist, sondern den Kindern eben an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierte Beträge zuzuerkennen sind, die Frage eines Unterhaltsstopps schon in doppelter oder erst in 2,5facher Höhe des Regelbedarfs aber im Einzelfall nicht im Hinblick auf die Bestimmung des § 14 Abs 1 AußStrG überprüfbar ist (ÖA 1990, 109; 7 Ob 671/90 uva).
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung erweist sich hier der vorinstanzliche Unterhaltszuspruch von S 4.000,-- aber als offenbar zu gering. Nach der Prozentkomponente würde der mj. Barbara vom Einkommen des Vaters in der Höhe von monatlich netto S 33.250,-- ein Unterhaltsbetrag von S 6.650,-- zustehen. Selbst wenn dieser Satz aber eben nicht voll ausgeschöpft würde - das Eigeneinkommen der Mutter ist gemäß § 140 Abs 2 ABGB hier ohne Bedeutung - ergäbe sich jedenfalls ein Unterhaltsbetrag von rund monatlich S 6.000,--, in dem auch die Kosten des Wohnens enthalten sind. Nach den Feststellungen trägt allerdings der Vater die Betriebskosten (monatlich S 3.000,--) für die Ehewohnung, in der die Minderjährige von der Mutter betreut wird. In Modifizierung der Entscheidungen EFSlg. 40.128, RZ 1991/88 u. a. hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 1 Ob 551/91 (ähnlich auch 7 Ob 616, 617/91) ausgesprochen, daß Aufwendungen für Betriebskosten allen Benützern der Ehewohnung und somit auch den unterhaltsberechtigten Kindern anteilsmäßig zugutekommen, sodaß sie Naturalunterhalt darstellen.
Schon im Hinblick auf das unterschiedliche Lebensalter kann hier nun nicht von vornherein - ein Vorbringen oder eine diesbezügliche gerichtliche Anleitung hiezu oder Klärung ist nicht erfolgt - von gleichen Kopfteilen aller Wohnungsbenützer (vgl. 7 Ob 616, 617/91) ausgegangen werden. Um den auf die mj. Barbara entfallenden, bei der Festsetzung des Geldunterhaltes zu berücksichtigenden aliquoten Anteil an den vom Vater getragenen Betriebskosten festzustellen, bedarf es somit einer Ergänzung des Verfahrens. Auch wird unter Bedachtnahme auf den in Rechtskraft erwachsenen Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses nunmehr im Sinne der Entscheidung SZ 57/84 die Frage der gesetzlichen Vertretung der mj. Barbara im Unterhaltsbemessungsverfahren zu prüfen sein.
Dem Revisionsrekurs war demnach Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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