Spruch:
Die außereheliche Mutter ist zum Rekurs gegen die Abweisung ihres Antrages, sie zum Vormund zu bestellen, legitimiert.
Entscheidung vom 15. April 1969, 8 Ob 54/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Mattersburg; II. Instanz: Landesgericht Eisenstadt.
Text
Die Mutter der am 1. Juli 1963 außer der Ehe geborenen Regina L. stellte den Antrag, sie anstelle der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg zum Vormund ihres Kindes zu bestellen,
Das Erstgericht wies den Antrag ab, da ein Vormundschaftswechsel dem Wohl des Kindes nicht besser entspreche (§ 19 JWG.).
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Antragstellerin gegen diesen Beschluß zurück, da ihr mangels Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen kein Rekursrecht zukomme.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Mutter Folge, hob den zweitinstanzlichen Beschluß auf und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß Friederike L. zum Vormund ihrer am 1. Juli 1963 geborenen Tochter Regina L. bestellt und die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg Jugendamt als Amtsvormund entlassen wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs ist ohne die Beschränkungen des § 16 (1) AußStrG. zulässig, weil die Zurückweisung des Rekurses durch die zweite Instanz ohne Überprüfung der Sachentscheidung bloß wegen mangelnder Rekurslegitimation erfolgte und daher keine bestätigende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz vorliegt (RiZ. 1967 S. 109 u. a.).
Der Rekurs ist aber auch berechtigt.
Es ist zwar richtig, daß Voraussetzung des Rekursrechtes im Verfahren außer Streitsachen die Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Interesses durch den angefochtenen Beschluß ist (RiZ. 1967 S. 73 u. a.) und daß die außereheliche Mutter keinen Rechtsanspruch auf die Bestellung zum Vormunde hat. Von diesem Gesichtspunkte aus stunde daher der Rekurswerberin kein Rekursrecht zu. Die Wahrung der Interessen eines Pflegebefohlenen gibt aber nicht nur diesem selbst, sondern auch dem nächsten Angehörigen ein Rekursrecht (7 Ob 326/65). Es ergibt sich daher die Frage, ob die Bestellung der Mutter als Vormunderin anstelle der bisherigen Amtsvormundschaft den Interessen der pflegebefohlenen Minderjährigen entspricht. Diese Frage ist zu bejahen. Wie der Oberste Gerichtshof in SZ. XXXVIII 125 ausgeführt hat, verdankt die Amtsvormundschaft ihre Entstehung dem Mangel an geeigneten Einzelvormundern und es besteht keine Notwendigkeit für ein weiteres Einschreiten der Amtsvormundschaft, wenn ein Einzelvormund verfügbar ist, die rechtlichen Ansprüche des Mundels geregelt sind und dieses hinsichtlich seiner Person gut betreut ist. In einem solchen Fall besteht kein Einwand dagegen, die Mutter zur Vormunderin ihres außerehelichen Kindes zu bestellen. Nun ist im vorliegenden Falle die Vaterschaft zu dem außerehelichen Kind zwar nicht festgestellt; es besteht aber auch keine Möglichkeit mehr, den von der Mutter angegebenen griechischen Vater gerichtlich zur Anerkennung seiner Vaterschaft zu verhalten, da die nach griechischem Recht geltende fünfjährige Frist für die Erhebung einer Vaterschaftsklage bereits verstrichen ist. Die Minderjährige befindet sich bei der Mutter und wird nach demselben Bericht des Jugendamtes sehr gut gepflegt und erzogen. Die Mutter ist erwerbstätig und erhält das Kind zur Gänze. Demnach sind also rechtsfürsorgerische Maßnahmen, die zugunsten des Kindes durchgeführt werden müßten, nicht zu erwarten, bzw. könnten sie allenfalls auch von der Mutter ohne Nachteile für das Kind durchgeführt werden. Es erscheint daher zweckmäßig und im Interesse des Kindes gelegen, daß die Vormundschaft jener Person übertragen wird, die schon bisher die erzieherischen und pflegerischen Belange des Kindes klaglos wahrgenommen hat, da die dem Vormund obliegende persönliche Fürsorge in diesem Fall offenbar wirksamer durch die Mutter als Einzelvormund als durch die Amtsvormundschaft durchgeführt werden kann (SZ. XXXVIII 125).
Nach dem Gesagten kann somit der Mutter das Recht eines Rekurses (zwar nicht im eigenen, wohl aber im Interesse des Kindes) nicht abgesprochen werden.
Dies führt allerdings nicht zur Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (SZ. XXXIV 56 u. a.), kann er in einem solchen Fall über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß in der Sache selbst entscheiden. Da sich aus obigen Ausführungen ergibt, daß der Rekurs der Mutter auch gegen den erstgerichtlichen Beschluß sachlich begrundet ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)