Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die zwischen dem Beklagten und Marguerita M***** geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg zur AZ 3 Cg 362/64 geschieden. In diesem Verfahren erging am 8.Oktober 1965 folgende einstweilige Anordnung:
"Der Beklagten und Widerklägerin Marguerita M***** wird bis zur rechtskräftigen Beendigung des Ehescheidungsverfahrens der abgesonderte Wohnort bewilligt. Gemäß § 19 Abs 1 6. DVzEheG wird die Benützung der Ehewohnung und des Hausrates dahin geregelt, daß der Beklagten und Widerklägerin die Benützung der im ersten Stock des Hauses S*****, S*****gasse Nr. 3, gelegenen, durch eine Glastüre abgesondert versperrbaren Räume samt Inventar und die straßenseitige Garage zugewiesen und dem Kläger und Widerbeklagten das Betreten dieser Räume verboten wird; dagegen dem Kläger und Widerbeklagten die im Parterre des Hauses S*****, S*****gasse Nr. 3, gelegenen Räume samt Einrichtung und die andere Garage zur alleinigen Benützung zugewiesen werden und der Beklagten und Widerklägerin verboten wird, diese Räume zu betreten.
Das Badezimmer im Parterre, in dem sich auch die Waschmaschine befindet, steht vorbehaltlich einer einvernehmlichen anderen Regelung beiden Teilen wie folgt zur Benützung frei: bei Verbot des Betretens durch den anderen Teil: Dem Kläger und Widerbeklagten in der Zeit von 6 bis 8 Uhr, 12 bis 14 Uhr und 18 bis 21 Uhr.
Der Beklagten und Widerklägerin in den übrigen Zeiten des Tages.
Die Benützung der Kellerräumlichkeiten ist dem Kläger und Widerbeklagten ausschließlich vorbehalten; die Benützung des Dachbodens ist der Beklagten und Widerklägerin ausschließlich vorbehalten. Dem jeweils anderen Teil ist das Betreten dieser Räume verboten."
Das Rekursgericht hat mit Beschluß vom 15.November 1965 diese einstweilige Anordnung hinsichtlich des Badezimmers im Parterre, in dem sich die fest montierte Waschmaschine befindet, derart abgeändert, daß es dieses dem Kläger und Widerbeklagten Dr. M***** zur vorläufigen Benützung zuwies und der Beklagten und Widerklägerin verbot, diesen Raum mit Ausnahme des Montages jener Woche, in dem ihr in der Zeit von 8 bis 17 Uhr die Benützung der dort befindlichen Waschmaschine gestattet wurde, zu betreten; auch in diesem Zeitraum muß dem Kläger und Widerbeklagten der Zutritt zum Badezimmer und vor allem zu der dort befindlichen Toilette offenstehen; im übrigen wurde aber die vom Erstgericht getroffene Regelung bestätigt.
Nach dem Tod Marguerita M***** wurde deren Nachlaß mit Beschluß vom 25.Jänner 1990 der Klägerin zur Gänze eingeantwortet. Zu diesem Nachlaß gehört auch der Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** GB R*****, KG ***** S*****, auf der sich das Haus S*****gasse 3 befindet. Die andere Hälfte steht im Eigentum des Beklagten.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten für schuldig zu erkennen,
a) die für das Haus S*****, S*****gasse 3, getroffene Benützungsregelung zuzuhalten, wonach
ihr die alleinige Benützung der im 1.Stock des Hauses gelegenen, durch eine Glastür gesondert versperrbaren Räume samt Inventar und der straßenseitig gelegenen Garage zustehe,
das Badezimmer dem Beklagten in der Zeit von 6 bis 8 Uhr, 12 bis 14 Uhr, 20 bis 21 Uhr, der Klägerin in den übrigen Zeiten des Tages
und die Benützung des Dachbodens der Klägerin ausschließlich
zustehe;
b) der Beklagte sei insbesondere schuldig, der Klägerin die Ausübung des Benützungsrechtes an den im Punkt a) genannten Räumlichkeiten gemäß den Bestimmungen der Benützungsregelung gemäß Punkt a) zu ermöglichen und deren Benützung durch die Klägerin zu dulden. Der Beklagte sei auch schuldig, der Klägerin einen Haustorschlüssel für das Haus S*****gasse 3 zu übergeben und die der Klägerin laut Punkt a) alleine zugewiesenen Räumlichkeiten von seinen Fahrnissen zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben.
Die Klägerin brachte dazu vor, es bestehe hinsichtlich des Hauses S*****gasse 3 eine aufrechte Benützungsregelung mit dem Beklagten. Diese sei zunächst durch die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg, GZ 3 Cg 362/64-44, verfügt worden. Der Beklagte habe den aufrechten Bestand dieser Benützungsregelung auch gegenüber ihr als Gesamtrechtsnachfolgerin Marguerita M***** ausdrücklich anerkannt. Der Beklagte benütze jedoch die gemäß dieser Benützungsregelung der Klägerin zugewiesenen Räumlichkeiten.
Der Beklagte wendete ein, die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg habe nach Rechtskraft der Scheidung keine verbindliche Wirkung mehr, er habe auch eine andere Benützungsregelung nicht anerkannt. Vielmehr habe er mit der inzwischen verstorbenen Mutter der Klägerin vereinbart, daß ihm die Verfügung über das gesamte Haus wie einem unbeschränkten alleinigen Eigentümer zustehe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es in rechtlicher Hinsicht die Ansicht vertrat, daß die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg mangels eines ausdrücklichen Aufhebungsbeschlusses nach wie vor wirksam sei. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihrer Mutter könne sich auf diese einstweilige Anordnung berufen.
Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht hat diese Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung aufgetragen. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die auf Grund der 6. DVzEheG erlassenen Verfügungen seien grundsätzlich weiterhin aufrecht.
§ 19 Abs 1 der 6. DVzEheG bestimme, daß das Prozeßgericht in Ehesachen auf Antrag auch die Benutzung der Ehewohnung oder des Hausrates zwischen den Ehegatten einstweilen regeln könne. Hiebei sei § 382 EO entsprechend anzuwenden. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung bleibe diese Regelung im Fall der Scheidung bis zu einer anderweitigen Regelung nach den Vorschriften dieser Verordnung wirksam. Da kein Antrag auf Vornahme einer anderweitigen Regelung nach den Vorschriften der 6. DVzEheG gestellt worden sei, habe die einstweilige Anordnung die Bedeutung einer endgültigen Regelung erlangt. Die Durchführung eines Aufteilungsverfahrens nach der 6. DVzEheG sei zwar dann nicht mehr möglich, wenn vor dessen rechtskräftigem Abschluß einer der bisherigen Ehegatten verstorben sei, die in einem Verfahren nach der 6. DVzEheG zuerkannten Ansprüche seien aber vererblich und übertragbar. Auch die zwischen Miteigentümern geschlossenen Benützungsvereinbarungen gingen auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Es sei daher davon auszugehen, daß die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg in der durch das Rekursgericht abgeänderten Fassung weiterhin aufrecht bleibe. Die Klägerin wäre gemäß § 9 EO berechtigt, auf Grund dieser einstweiligen Anordnung gegen den Beklagten Exekution zu führen. Hinsichtlich des Begehrens auf Übergabe eines Haustorschlüssels und Räumung erscheine es fraglich, ob dieses von der einstweiligen Anordnung umfaßt sei.
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin ein Begehren auf Zuhaltung einer Benützungsregelung, die auf richterlicher Anordnung beruhe bzw. zwischen den Streitteilen vereinbart worden sei, gestellt. Die Zuhaltung einer zwischen zwei Hälfteeigentümern vereinbarten Benützungsregelung sei jedenfalls im Streitverfahren durchzusetzen.
Soweit die Klägerin ihr Begehren auf die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg stütze, sei es nicht zur Gänze gerechtfertigt, weil dieser Anordnung weder eine Räumungsverpflichtung noch die Verpflichtung, Haustürschlüssel auszuhändigen, zu entnehmen sei; darüber hinaus begehrte die Klägerin hinsichtlich des Badezimmers im Parterre eine weitergehende Benützung, als ihr in der durch das Rekursgericht abgeänderten Fassung der einstweiligen Anordnung eingeräumt wurde. Das die einstweilige Anordnung übersteigende Klagebegehren könne daher nicht auf diese einstweilige Anordnung selbst gestützt werden, sondern nur auf das von der Klägerin behauptete Anerkenntnis des Beklagten. Dazu habe das Erstgericht aber trotz widerstreitender Behauptungen keine Feststellungen getroffen, sodaß das Verfahren insoweit mangelhaft geblieben sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß den Fragen, ob das Vorliegen eines Titels das Anbringen einer neuerlichen Klage hindere, und inwieweit Benützungsregelungen nach der 6. DVzEheG noch immer weiterbestehen, erhebliche Bedeutung zukomme.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird beantragt, dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung aufzutragen.
Die Klägerin beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt zum Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Ansicht, daß im Falle der Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Oktober 1965 das Klagebegehren mit Urteil abzuweisen sei, da die Klägerin in diesem Fall über einen exekutionsfähigen Titel verfüge.
Es ist zwar richtig, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1979, 81; ÖBl 1981, 25 = JBl 1981, 41; RdW 1986, 44 u.a.) dann, wenn der Kläger bereits einen Exekutionstitel zur Durchsetzung der angestrebten Unterlassung hat, seiner neuerlichen Klageführung die zur Abweisung des Klagebegehrens führende (materiellrechtliche) Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses entgegensteht.
Eine einstweilige Verfügung kann einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteil, welches nur in ganz außergewöhnlichen Fällen (§§ 529 ff ZPO) beseitigt werden kann, nicht gleichgehalten werden; ihr Vorhandensein kann deshalb dem Kläger nicht das Rechtsschutzinteresse an der Erwirkung eines Urteils nehmen (ecolex 1990, 627). Zutreffend ist daher die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Klagebegehren nicht mangels Rechtsschutzinteresse abzuweisen ist.
Der Beklagte ist der Ansicht, die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg könne keine Wirkung mehr entfalten: Eine auf die 6. DVzEheG gestützte Regelung komme insbesondere dann nicht in Betracht, wenn ein Ehegatte verstorben sei. Ein Rechtsübergang auf den Gesamtrechtsnachfolger sei zwar im Falle einer Benützungsvereinbarung möglich, im vorliegenden Fall sei jedoch die Frage zu beurteilen, ob eine einstweilige Anordnung nach der 6. DVzEheG auch für die Erben eines Ehepartners gelte; diese Frage sei nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu verneinen. Eine einstweilige Anordnung, die eheliche oder nacheheliche Verhältnisse regeln solle, gerate infolge des Todes eines der Ehepartner in Wegfall. Überdies habe eine einstweilige Anordnung, die ein Vierteljahrhundert lang nicht praktiziert wurde, ihren Zweck verloren. Die Rechtssache sei deshalb im Sinne einer Klagsabweisung spruchreif.
Die Frage, ob die einstweilige Anordnung des Landesgerichtes Salzburg noch wirksam ist und ob sich die Klägerin darauf berufen kann, ist für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles nicht entscheidend, weil ein privatrechtlicher, im Rechtsweg geltend zu machender Anspruch aus einer einstweiligen Verfügung nicht abgeleitet werden kann (RZ 1960, 144 = EFSlg. 3.004). Auf Grund einer einstweiligen Verfügung kann, solange sie wirksam ist, Exekution geführt werden, der Exekutionstitel der (vorläufigen) einstweiligen Verfügung bildet aber keine Rechtsgrundlage für ein gleichlautendes Urteilsbegehren. Es kann nicht unter den in der EO (bzw der 6. DVzEheG) normierten Voraussetzungen zuerst eine einstweilige Verfügung und dann unter Berufung auf diese vorläufige Maßnahme durch Urteil die vorläufige Anordnung zu einer endgültigen umgestaltet werden.
Dessen ungeachtet erweist sich aber die Rechtssache noch nicht als spruchreif. Über die Frage, ob nicht doch, wie es die Klägerin behauptet, eine Parteienvereinbarung über die Benützung der im gemeinsamen Eigentum stehenden Liegenschaft getroffen und damit eine vertragliche Grundlage für die Objektbenützung geschaffen wurde, ist noch nicht abgesprochen worden. Aus einer solchen Vereinbarung ließe sich der klageweise geltend gemachte Erfüllungsanspruch aber ableiten. Gerade in einem solchen Fall könnte eine nachträgliche Sachverhaltsänderung vorliegen, die zur Aufhebung der einstweiligen Anordnung nach § 399 Abs 1 Z 2 EO führen kann.
Das Vorbringen der Klägerin kann in diesem Zusammenhang so verstanden werden, daß die einstweilige Anordnung, die sie in der Chronologie der Ereignisse als primären Titel bezeichnet, in Wahrheit nur die Basis für die behauptete vertragliche Regelung gebildet hat. Das von ihr auch behauptete Anerkenntnis des Beklagten könnte, sollte zur Zeit seiner Erklärung durch den Beklagten zwischen den Parteien ein Streit über die Anspruchsberechtigung der Klägerin bestanden haben, infolge der allfälligen streitbeendigenden Wirkung konstitutiven Effekt gehabt haben, sodaß der Beklagte daran gebunden wäre. Zu diesen Fragen fehlen jedoch Feststellungen des Erstgerichtes, sodaß dem gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs des Beklagten keine Folge zu geben war.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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