OGH 8Ob517/91

OGH8Ob517/9120.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich T*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Thomas Prader und Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Johann-Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 100.000 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 10. Oktober 1990, GZ 48 R 525/90-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Mai 1990, GZ 47 C 274/88y-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Gesellschaft mbH, die das Immobilienmaklergewerbe ausübt, hat über Auftrag des Vormieters der Wohnung top.Nr. 11 im Hause Z***** Peter L***** vom Kläger als Nachmieter eine Investitionsablöse von S 180.000 gefordert und erhalten und dem Vormieter weitergegeben. In der Wohnung war verschiedenes Inventar, insbesondere eine Küchenausstattung sowie eine Wohn- und Schlafzimmereinrichtung vorhanden, die der Kläger mangels Brauchbarkeit und wegen ihres Alters entfernte. Im Bad befanden sich ein nicht den Vorschriften entsprechender Durchlauferhitzer sowie eine alte Badewanne, die zwar brauchbar war, vom Kläger aber nicht verwendet wurde. Die Elektroinstallationen der Wohnung waren funktionsfähig; der Zeitpunkt ihrer Verlegung konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger wußte, daß "die vorhandenen Einrichtungsgegenstände keinen Wert mehr haben, da er dies mit bloßem Auge gesehen hat". Er bezahlte die Ablöse aber dennoch, weil er diese von ihm benötigte Wohnung sonst nicht bekommen hätte. Anläßlich der gemeinsamen Besichtigung der Wohnung durch die Streitteile - der Vormieter war nicht anwesend - wurde "über die Installationen bzw. das Inventar des Vormieters" nicht gesprochen. Nach der Zahlung der Ablöse legte der Vormieter seine Hauptmietrechte zugunsten des Klägers zurück.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Ersatz der Ablösezahlung vorerst in der Höhe von S 100.000 sA und führt hiezu aus, die beklagte Partei habe gegen Leistung einer Provision von S 11.340 den gegenständlichen Mietvertrag vermittelt und ihm mangels Vorhandenseins "irgendwelcher Investitionen in der Wohnung" und solcherart zufolge der gemäß § 27 MRG gegebenen, für sie erkennbaren Unzulässigkeit der Ablöseforderung schuldhaft einen Schaden zumindest in der vorgenannten Höhe zuzüglich geleisteter Kreditzinsen zugefügt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Ablösebetrag von S 120.000 zur Gänze dem Vormieter zugekommen sei, ihr kein schuldhaftes Verhalten zur Last falle, da es ihr nicht möglich gewesen sei, zu überprüfen, ob die Ablösezahlung tatsächlich gerechtfertigt erscheine, sie die Vertragspartner hinsichtlich ihrer widerstreitenden Interessen auch nicht zu schützen habe und nach der Behauptung des Vormieters sämtliche Wasser- und Elektroinstallationen renoviert worden und in der Wohnung Inventar, Küchenausstattung und Sanitäreinrichtungen vorhanden gewesen seien. Da der Kläger um den angeblich mangelnden Wert der Investitionen gewußt habe, treffe ihn jedenfalls das Alleinverschulden an einem Schadenseintritt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang (siehe ON 11) ab. Auf der Grundlage des dargestellten Sachverhaltes vertrat es die Rechtsansicht, die beklagte Partei sei als Vermittler ihren gegenüber dem Kläger bestehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten zwar nicht nachgekommen, doch sei dieser selbst in der Lage gewesen, den Wert der Investitionen zu beurteilen, sodaß es einer Aufklärung von dritter Seite nicht bedurft habe. An der Leistung der verbotenen Ablöse treffe somit den Kläger selbst das alleinige Verschulden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil des zweiten Rechtsganges auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig und das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen ist. In seiner Entscheidungsbegründung führte es aus:

Der Kläger habe als Wohnungssuchender die Dienste der im Rahmen ihrer gewerbsmäßigen Vermittlungstätigkeit aufgetretenen beklagten Partei in Anspruch genommen. Damit sei zwischen den Streitteilen ein Vertragsverhältnis zustandegekommen, das der beklagten Partei nicht nur einen Provisionsanspruch verschafft, sondern sie auch verpflichtet habe, die Interessen des Klägers zumindest insoweit zu wahren, daß dieser in Zusammenhang mit dem zu vermittelnden Geschäftsabschluß nicht mit gesetzlich unzulässigen Forderungen belastet werde. Nach § 27 Abs 4 MRG begehe eine Verwaltungsübertretung, wer für sich oder einen anderen Leistungen entgegennehme, die mit den Vorschriften des § 27 Abs 1 MRG in Widerspruch stünden. Die Strafbarkeit setze nach § 5 VStG zumindest Fahrlässigkeit des Täters voraus. Die beklagte Partei sei verpflichtet gewesen, den Kläger gegebenenfalls über den Wert des Inventars oder sonstiger Investitionen, für die die Ablöse begehrt wurde, aufzuklären. Habe der Wohnungssuchende aus eigenem Wissen den wahren Wert des Inventars und im Zeitpunkt der Zahlung der Ablöse von deren Rückforderbarkeit gewußt - was hier nicht feststehe - so sei dies dem Fall gleichzuhalten, daß der Vermittler seiner Aufklärungspflicht vollständig entsprochen und den Wohnungssuchenden sowohl über die Unzulässigkeit der geforderten Ablöse als auch deren Rückforderbarkeit belehrt habe. Hier begründe die beklagte Partei ihr behauptetes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der geforderten Summe auch mit einer Information des Vormieters über von diesem erneuerte Wasser- und Elektroleitungen. Somit müsse geprüft werden, ob die Ablöse vom Kläger nur für Inventargegenstände oder auch für die vom Vormieter hinsichtlich der Wasser- und Elektroinstallationen vorgenommenen Investitionen begehrt worden sei und ob und bejahendenfalls welchen Wert die Inventargegenstände und die sonstigen Installationen, soferne sie vom Vormieter vorgenommen wurden, im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages gehabt hatten. Die Beweispflicht bezüglich des Wertes treffe die beklagte Partei. Die dem Vermittler obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten erschöpften sich aber nicht in einer Aufklärungspflicht, weil selbst die Kenntnis des Wohnungssuchenden von der Unzulässigkeit der verlangten Ablöse an der Rechtswidrigkeit der Forderung und Entgegennahme nichts ändere, wie auch die mangelnde Kenntnis des künftigen Mieters von der Unzulässigkeit der Ablöse nicht Tatbildmerkmal des Straftatbestandes des § 27 Abs 4 MRG sei. Die Haftung sei nur dann zu verneinen, wenn dem Vermittler kein Verschulden zur Last falle, etwa weil er die für die Unzulässigkeit der Ablöse erheblichen Umstände nicht erkennen habe können. Die Verpflichtung zur Sorge, daß der Wohnungssuchende nicht mit gesetzlich unzulässigen Ablöseforderungen belastet werde, mache daher auch eine Überprüfung in zumutbarem Rahmen, ob eine die Ablöse rechtfertigende gleichwertige Gegenleistung erbracht worden sei, erforderlich. Ein Sachverständigengutachten über den Wert der Gegenleistung einzuholen werde zwar sicherlich den Rahmen zumutbarer Maßnahmen übersteigen, der Vermittler werde sich aber durch Besichtigung des zu vermittelnden Objektes und durch eingehende Befragung des Auftraggebers über Art und Zeitpunkt der abzulösenden Aufwendungen und die seinerzeit dafür aufgewendeten Kosten vergewissern müssen, ob die Gegenleistung wirklich erbracht worden und der geforderte Betrag nach seiner beruflichen Erfahrung in etwa angemessen sei. Die beklagte Partei habe vorgebracht, ihre Mitarbeiter seien insbesondere auch bei den vom Vormieter angegebenen Wasser- und Elektroleitungen als "versteckten" Investitionen mangels entsprechender Sachkunde nicht in der Lage gewesen, deren Wert zu beurteilen. Zum Nachweis dieses wie auch des gesamten übrigen Vorbringens habe die beklagte Partei Beweise (Christine N***** als Zeugin) angeboten, die das Erstgericht jedoch nicht durchgeführt habe. Das Erstgericht werde daher nach Verfahrensergänzung Feststellungen darüber zu treffen haben, ob vom Vermieter die Wasser- und Elektroleitungen erneuert wurden, gegebenenfalls, welchen Zeitwert diese und das Inventar bei Abschluß des Mietvertrages mit dem Kläger gehabt hatten, ob die Ablösesumme sowohl der beklagten Partei als auch dem Kläger gegenüber auch damit (und nicht bloß mit den Inventargegenständen) begründet worden sei, ob der Vormieter diese Investitionen gegebenenfalls gegenüber der beklagten Partei durch die Vorlage von Rechnungen oder auf andere Weise nachgewiesen habe und ob den Mitarbeitern der beklagten Partei anläßlich der Besichtigung der Wohnung oder anderweitig hätte auffallen müssen, daß derartige Investitionen entweder überhaupt nicht vorgenommen wurden oder zumindest keinen den Betrag von S 20.000 übersteigenden Wert mehr repräsentierten.

Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrage auf "Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils". Hiezu wird ausgeführt, die vom Berufungsgericht geforderten Feststellungen seien entbehrlich, weil auch nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes der Aufklärungspflicht Genüge getan sei, wenn der Wohnungssuchende über den wahren Wert der Investitionen und über die Rückforderbarkeit der Ablöse im Zeitpunkt der Zahlung Bescheid wußte. Teilweise ablösefähige Investitionen stünden einer Ablöserückforderung entgegen, eine darüberhinausgehende Ablöse sei vom Kläger in Kenntnis der Wertlosigkeit der übernommenen Gegenstände geleistet worden. Stehe von Anfang an fest, daß der Ablöse keine relevante Gegenleistung gegenüberstehe und lasse sich der Wohnungssuchende dennoch auf die Zahlung einer Ablöse ein, so erübrige sich eine Befragung des Auftraggebers über Art und Zeitpunkt der Aufwendungen und eine Aufklärung des Wohnungssuchenden durch den Vermittler, da der Mangel einer Gegenleistung ohnehin feststehe, sich der Wohnungssuchende damit bewußt abfinde und solcherart auch auf jeglichen Schadenersatzanspruch konkludent verzichte. Nicht unberücksichtigt bleiben könne auch, daß der Vermittler nicht über die Kenntnisse eines Sachverständigen verfüge und auch die Interessen seines Auftraggebers in bestmöglicher Weise zu wahren habe. Es bestehe also eine Pflichtenkollision bei der Wahrung der divergierenden Interessen auf Zahlung einer möglichst niedrigen bzw. möglichst hohen Ablöse. Eine Aufklärung über die gerechtfertigte Höhe der Ablöse sei nicht erforderlich und zwecklos, wenn der Wohnungssuchende ohnehin um die Wertlosigkeit der übernommenen Investitionen wisse.

Den Rekursausführungen kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

In der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung 6 Ob 683/85 (= MietSlg. Band 38/48 = JBl. 1988, 110) hat der Oberste Gerichtshof zur Frage der schadenersatzrechtlichen Haftung des gewerbsmäßigen Vermittlers bei Entgegennahme einer unzulässigen Ablöse grundsätzlich Stellung genommen und unter Hinweis auch auf die Strafsanktion des § 27 Abs 4 MRG ausgeführt, ein solcher Vermittler sei im Rahmen des bestehenden Vermittlungsvertragsverhältnisses zur Wahrung der Interessen des Wohnungssuchenden auch verpflichtet, dafür zu sorgen, daß dieser im Zusammenhang mit dem zu vermittelnden Geschäftsabschluß nicht mit gesetzlich unzulässigen Forderungen belastet werde. Demgemäß treffe den Vermittler zivilrechtlich gemäß § 1298 ABGB die Beweispflicht dafür, daß weder ihm noch seinem Erfüllungsgehilfen ein Verschulden zur Last fiele, etwa, weil sie die für die Unzulässigkeit der Ablöse erheblichen Umstände nicht zu erkennen vermocht hätten. Gegenteiligenfalls hafte der Vermittler daher für die - für wen immer - erfolgte Entgegennahme der als unzulässige Ablöse erbrachten Leistung.

Iro hat sich in RdW 1988, 2 dieser Rechtsansicht angeschlossen und dabei auch auf die im Sinne des § 1311 ABGB gegebene Schutzgesetzesfunktion der Bestimmung des § 27 Abs 4 MRG verwiesen, wonach u.a. derjenige, der für sich oder einen anderen Leistungen entgegennimmt, die mit den Vorschriften des Abs 1 in Widerspruch stehen, eine mit Geldstrafe bis zu S 200.000 zu ahndende Verwaltungsübertretung begeht. Auch der erkennende Senat tritt dieser Ansicht in Ablehnung jener der Rekurswerberin, sie habe keinen der Partner eines von ihr vermittelten Vertrages zu schützen, grundsätzlich bei.

Im vorliegenden Falle ist daher entscheidend, ob die beklagte Partei allenfalls dadurch fahrlässig im Sinne des § 5 VStG gehandelt und eine Übertretung der Schutzvorschrift des § 27 Abs 4 MRG begangen hat, daß sie nicht in zumutbarer Weise (branchenübliche Ermittlung von Schätzwerten) überprüfte, ob der Wert des vom Vormieter in der Wohnung Hinterlassenen und allfällige von ihm vorgenommene Investitionen zum geforderten Ablösebetrag in angemessener Relation stand. Stellt sich im Rahmen der vom Berufungsgericht aufgetragenen Überprüfung heraus, daß eine annähernde Gleichwertigkeit nicht gegeben war, konnte die beklagte Partei deren Fehlen im Rahmen einer solchen zumutbaren Überprüfung aber feststellen, so fällt ihr eine Fahrlässigkeit zur Last, die im Sinne des § 1311 ABGB ihre Ersatzpflicht begründet. Gegenteiligenfalls wäre ein Sorgfaltsverstoß gegenüber dem Wohnungssuchenden jedenfalls zu verneinen.

Der Umstand, daß die Ablösezahlung nicht ausdrücklich auch für die behaupteten Investitionen (Elektro- und Wasserinstallationen) vereinbart wurde, erscheint entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes unerheblich, weil es im Sinne der Rechtsprechung (MietSlg. 39.391, 8 Ob 619/90 ua) nur darauf ankommt, daß der Ablösezahlung eine gleichwertige Gegenleistung des Vormieters im Sinne des § 27 Abs 1 Z 1 MRG gegenübersteht, sodaß dieser insoweit nicht bereichert ist.

Da die Rechtssache mangels Vorliegens der für die abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen noch nicht spruchreif ist, war dem Rekurs somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 50 und 52 ZPO.

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