OGH 8Ob501/96

OGH8Ob501/9618.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine A*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr.Karl-Heinz Plankel und Dr.Herwig Mayrhofer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Johann L*****, Immobilienmakler, ***** vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 915.435,84 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Februar 1995, GZ 1 R 28/95-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 23. November 1994, GZ 7 Cg 250/94y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte S 915.435,84 sA und brachte dazu vor, sie sei Eigentümerin eines Reihenhauses gewesen, das der Beklagte entgegen einem von ihr erteilten Auftrag und in Überschreitung der Vollmacht zu ihrem Nachteil zu einem erheblich niedrigeren Preis verkauft habe. Wegen des Vorliegens einer Anscheinsvollmacht des Beklagten sei der Verkauf in einem früheren Verfahren für rechtswirksam erklärt worden. Ihr seien Kosten dieses früheren Verfahrens sowie der Räumung und der Exekution in Höhe von S 570.000,-- entstanden, der Schaden aus dem Verkauf des Hauses um einen zu geringen Preis betrage S 345.435,84.

Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, der Verkauf des Hauses sei der Klägerin bereits im März 1991 bekannt gewesen, der Anspruch auf Schadenersatz sei somit verjährt. Außerdem habe die Mutter der Klägerin dem Beklagten gegenüber erklärt, die Klägerin wünsche einen Hausverkauf. Die Ansprüche seien auch überhöht, da das Haus zu einem Preis über dem Schätzwert verkauft worden und die Kostenersatzansprüche der Klägerin nicht berechtigt seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen: Zur Abwendung eines Zwangsversteigerungsverfahrens ersuchte die Klägerin den Beklagten um die Gewährung eines Darlehens. Dieser nahm selbst ein Darlehen in der Höhe von S 280.000,-- auf und verlangte zu seiner Absicherung eine Ranganmerkung der Veräußerung, eine Spezialvollmacht zum Hausverkauf, einen Räumungsvergleich und einen Schuldschein. Diese Urkunden wurden am 6.12.1990 verfaßt. Die Spezialvollmacht zum Liegenschaftsverkauf erteilte die Klägerin für den Fall, daß sie ihm gegenüber ihren Zahlungsverpflichtungen bis zum 31.3.1991 nicht nachkomme, wobei diese Einschränkung im schriftlichen Text keinen Niederschlag fand.

Ende Februar 1991 wurde vom Beklagten mit Emil B***** ein Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von S 2,300.000,-- ausgehandelt, allerdings vom Beklagten nicht unterfertigt. Nicht festgestellt werden konnte, ob die Klägerin, die sich vor dem 7.3.1991 in Untersuchungshaft befand, ihrer Mutter einen Auftrag bzw eine Ermächtigung erteilte, das Haus vor dem 31.3.1991 zu verkaufen.

Am 7.3.1991 ist die Klägerin aus der Untersuchungshaft entlassen und mit der Mitteilung konfrontiert worden, der Beklagte habe das Haus an B***** verkauft. Die Klägerin erklärte hierauf, das Haus keinesfalls an diesen zu verkaufen und verhinderte die Räumung. Am 25.3.1991 führte sie in der Kanzlei ihres Verteidigers mit dessen Konzipienten ein Gespräch, bei dem sie erklärte, an B***** nicht verkaufen zu wollen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 19.2.1992, GZ 3 R 19/92-26, wurde die nunmehrige Klägerin in Abänderung des klageabweisenden Urteiles des Landesgerichtes Feldkirch vom 31.10.1991, GZ 10 Cg 171/91-18, für schuldig erkannt, die gegenständliche Liegenschaft an B***** als Vertreter des Gemeinnützigen Vereines ***** zu übergeben und eine Aufsandungserklärung abzugeben. Die Zustellung des berufungsgerichtlichen Urteiles an den Vertreter der Klägerin, Dr.Hirn, erfolgte am 19.3.1992, die des hinsichtlich der Revision ergangenen Zurückweisungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes am 15.6.1992.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Klagsanspruch als Schadenersatzanspruch verjähre gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren und dies von der Zeit an, zu der Schaden und Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt geworden seien. Die Klägerin habe spätestens im März 1991 Kenntnis davon erlangt, daß der Beklagte ihr Haus verkauft habe. Spätestens im Mai 1991 habe sie dann auch Kenntnis vom zu erwartenden Schaden gehabt. Somit liege Verjährung des Klagsanspruches vor, da die Klage erst am 29.8.1994 überreicht worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es führte aus, nach älterer Rechtsprechung beginne die Verjährung dann, wenn der Schadenseintritt mit Sicherheit vorhersehbar sei. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 601/93 vom 16.2.1994 sei eine Änderung der Rechtsprechung zur Verjährung dahin, daß diese erst mit tatsächlichem Eintritt des Schadens beginne, befürwortet, aber nicht vorgenommen worden. Ein solches obiter dictum begründe keine neue Rechtsprechung. Der für den Schaden maßgebliche Sachverhalt, nämlich der unter Vollmachtsüberschreitung vorgenommene Verkauf der klägerischen Liegenschaft durch den Beklagten, sei der Klägerin mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage (29.8.1994) bekannt gewesen. Ebenso verjährten die Prozeß- und Exekutionskosten als vorhersehbare Folgekosten der Vollmachtsüberschreitung zugleich mit dem Hauptanspruch.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei unzulässig, da in diesem Fall eine etwaige Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich des Beginnes der kurzen Verjährungsfrist irrelevant sei.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revisionswerberin führt zur Frage der Rechtsmittelzulässigkeit aus, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei seit dem in der oben zitierten Entscheidung 1 Ob 601/93 enthaltenen obiter dictum bezüglich des Zeitpunktes des Beginnes der kurzen Verjährung beim Schadenersatz uneinheitlich. Weiters führt die Revisionswerberin die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 562/93 an, gemäß derer der Beginn der Verjährungsfrist die Kenntnis des Ersatzberechtigten vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen voraussetze, die durch verschuldete Unkenntnis nicht ersetzt werde. Die Verjährungsfrist beginne nicht, solange der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge habe.

In der Sache bringt die Revisionswerberin vor, ihr seien im März 1991 keineswegs sämtliche für das Entstehen des Klagsanspruchs maßgeblichen Umstände bekannt gewesen. Auch habe sie nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft alles getan, um das gültige Zustandekommen des fraglichen Kaufvertrages zu verhindern. Sie sei außerdem davon überzeugt gewesen, daß dieser nicht zustandegekommen sei, erst mit Zustellung des Berufungsurteils des Vorprozesses am 19.3.1992 habe sie tatsächliche Kenntnis vom Eintritt eines Schadens erlangt. Außerdem sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes unrichtig, daß ein Irrtum über den Beginn der Verjährungsfrist, dem sie unterlegen sei, unbeachtlich erscheine. Sie habe mangels Rechtskenntnis keinen Einblick in die im Verfahren 10 Cg 171/91 des Landesgerichtes Feldkirch zu lösende Frage der Vollmachtsüberschreitung gehabt. Die Ansicht des Berufungsgerichtes sei im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, 1 Ob 601/93, gemäß derer die kurze Verjährung nicht vor dem Eintritt des Schadens zu laufen beginne, verfehlt. Das habe zur Folge, daß frühestens mit Zustellung des im Vorprozeß ergangenen Berufungsurteiles des OLG Innsbruck vom 19.3.1992 die Klagsfrist für sie zu laufen begonnen habe, richtigerweise allerdings erst mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes am 2.6.1992.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsausführungen der Revision stützen sich primär auf die Erwägungen des Obersten Gerichtshofes in der oben zitierten Entscheidung 1 Ob 601/93 = EvBl 1994/109 = ecolex 1994, 616 = JBl 1994, 753, nach der die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnt.

Diese Erwägungen wurden in der Zwischenzeit in der Entscheidung eines verstärkten Senates vom 19.12.1995, 1 Ob 621/95 grundsätzlich übernommen. Im einzelnen wurde hiezu ua ausgeführt:

"In der Entscheidung 1 Ob 601/93 vertrat der erkennende Senat die Auffassung, angesichts der massiven Kritik im jüngeren Schrifttum sollte die Rechtsprechung, nach der die Verjährung von Ersatzansprüchen bereits vor Eintritt eines konkreten Schadens in Gang gesetzt werde, wenn der Schadenseintritt für den Geschädigten nur bereits "mit Sicherheit" vorhersehbar sei, nicht fortgeschrieben werden ........

Der verstärkte Senat hält an den bereits in der Entscheidung 1 Ob 601/93 dargelegten Argumenten fest:

Schon nach dem Wortlaut des § 1489 ABGB beginnt die Verjährung zu

laufen, wenn "der Schade ..... dem Geschädigten bekannt" wird, "der

Schade mag ..... verursacht worden sein". In der noch 1974 (BGBl 1974/496) novellierten Bestimmung ist von der Kenntnis des Schadens und nicht etwa der Kenntnis des schadensstifenden Ereignisses die Rede, was voraussetzt, daß der Geschädigte den schon verursachten Schaden kennt: Gerade darauf nimmt aber der den ersten Satz beendende Satzteil, in dem einander vertragliche und deliktische Schäden - ähnlich wie in § 1295 Abs 1 ABGB - auch in der Verjährungsfrage gleichgehalten werden, ausdrücklich Bezug. Nicht minder schlagkräftig ist das Argument, Ergebnis der der Rechtsprechung zugrundeliegenden Auffassung sei es, daß der Anspruch bereits verjähren könne, ehe er noch überhaupt hätte durchgesetzt werden können. Diese Konsequenz läuft aber dem im § 1478 ABGB verankerten Grundsatz des Verjährungsrechts diametral zuwider, daß nur bereits ausübbare Rechte verjähren könnten: Diesem unbefriedigenden Ergebnis kann auch mit der Feststellungsklage nicht abgeholfen werden, weil dabei - im Gegensatz zu Fällen, in welchen zwar der Schaden schon eingetreten ist, aber seine Höhe noch nicht abgesehen werden kann - nur einzelne Haftungsvoraussetzungen (namentlich das Verschulden) geprüft werden können, ohne daß damit feststünde, ob je ein ursächlich darauf rückführbarer Schaden eintreten wird; die Kausalität des im Feststellungsprozeß geprüften Schadensereignisses für den im Leistungsprozeß geltend gemachten Schaden kann doch nur stets erst hier festgestellt werden. Bezeichnend ist auch, daß einerseits der Geschädigte vor Schadenseintritt zur Vermeidung der Verjährung des Ersatzanspruchs die Feststellungsklage zu erheben genötigt wird, daß aber andererseits das Feststellungsinteresse in solchen Fällen (zumindest auch) damit begründet wird, die Klage sei zur Vermeidung der Verjährung nötig; bei dieser Argumentation liegt - worauf Ertl (aaO 37) zutreffend hinweist - wohl der Verdacht eines Zirkelschlusses nahe.

Zutreffend weist P.Bydlinski (DRdA 1993, 190) darauf hin, daß nicht

einzusehen sei, weshalb das Risiko der Beurteilung, wann ein Schade

"mit Sicherheit voraussehbar" ist, gerade dem Geschädigten aufgehalst

werde. Dieser könnte sich vor dem drohenden Anspruchsverlust nur

dadurch schützen, daß er in jedem Fall vorsichtshalber die

Feststellungsklage erhebt. Diese Klage mag ..... dem Geschädigten zur

Vermeidung von Beweisschwierigkeiten nicht zu verwehren sein; sie in

diesem frühen Zeitpunkt jedoch zur Vermeidung nachteiliger

Verjährungsfolgen jedenfalls zu verlangen, ist ..... mit dem Wortlaut

des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen und hieße, demjenigen

Säumigkeit vorzuwerfen, der erst den Eintritt des Schadens abwarten

will, bevor er gegen den einstweilen potentiellen Schädiger vorgeht

........"

Nach umfangreichen weiteren, auch rechtsvergleichenden Ausführungen formulierte der verstärkte Senat (§ 65 Abs 7 OGH-Geo) folgenden Rechtssatz: Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) beginnt nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen. Zu diesem tatsächlichen Schadenseintritt erkannte der verstärkte Senat im konkreten Fall, er könne erst mit dem - durch die Zustellung der die ao Revision zurückweisenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gegebenen - Eintritt der Rechtskraft einer Gerichtsentscheidung angenommen werden, weil "erst zu diesem Zeitpunkt für die nun klagende Partei unverrückbar festgestanden sei, daß zufolge des schuldhaften Verhaltens des nun Beklagten" die Erfüllung eines Vergleiches unterblieb und ihr daher kein Anspruch an diesem Vergleich zustehe.

Für den hier vorliegenden Fall folgt aus dieser neueren Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, daß für die Klägerin erst mit der im Vorprozeß erfolgten Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes betreffend die Zurückweisung ihrer ao Revision der aus der Vollmachtsüberschreitung der Beklagten hervorgehende Verlust ihrer Liegenschaft und damit der Eintritt des behaupteten Schadens unverrückbar feststand. Zu diesem Zeitpunkt hat die dreijährige Verjährungsfrist hinsichtlich dieses Schadens zu laufen begonnen und war bei Klageeinbringung noch nicht abgelaufen.

Die Vorinstanzen haben somit aber zu Unrecht eine Verjährung der behaupteten Klagsansprüche angenommen und die weitere Überprüfung der Berechtigung dieser Ansprüche aus diesem unzutreffenden Grund unterlassen.

Demgemäß war die Aufhebung ihrer Urteile auszusprechen und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung in der Sache aufzutragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte