European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118775
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich dessen Wohl maßgebend (RIS‑Justiz RS0048632, RS0118080). Sowohl die Frage, ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, als auch die Beurteilung, welche Verfügungen zur Sicherung des Kindeswohls nötig sind, sowie die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind, hängen stets von den besonderen Umständen des konkreten Falls ab, sodass sich insoweit regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG stellen (RIS‑Justiz RS0114625 [T1, T2], RS0006998, RS0115719 [T7]).
Eine unvertretbare Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, wird im außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters nicht aufgezeigt.
2. Das Erstgericht hat die Obsorge für die beiden Kinder bereits 2011 dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger (damals: „Jugendwohlfahrtsträger“) übertragen. Seither leben sie (V* seit seinem 20. Lebensmonat, R* seit seinem 7. Lebensmonat) in Pflegefamilien, in denen sie jeweils umfassend integriert und verwurzelt sind. Sie haben eine tragfähige Beziehung zu ihren Pflegeeltern als ihren primären Bezugspersonen aufgebaut und sie werden von ihren Pflegeeltern liebevollst betreut, gefördert und bestmöglich unterstützt. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 sprach das Erstgericht (damals unbekämpft) aus, dass die Obsorge für die beiden Kinder auf Dauer und zur Gänze beim Kinder- und Jugendhilfeträger verbleibe.
Gegenstand des nunmehrigen Revisionsrekursverfahrens ist die Abweisung eines Antrags des Vaters auf Rückübertragung der Obsorge, die von den Vorinstanzen primär damit begründet wurde, dass die Herausnahme der Kinder aus ihrem intakten und vertrauten Familiensystem „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ zu einer Traumatisierung der Kinder und zu unabsehbaren negativen Folgen für ihre weitere Entwicklung führen würde. Zu befürchten seien nicht nur vorübergehende Umstellungsschwierigkeiten, sondern ein Zusammenbruch des gesamten Beziehungs- und Lebenskontextes der Kinder, von denen V* nur kurz und R* nie beim Vater gelebt hat.
3. Die dagegen vorgebrachten, auf Art 8 EMRK und auf Rechtsprechung zur Entziehung der Obsorge gestützten Rechtsausführungen des Revisionsrekurswerbers, mit denen er inhaltlich sein Elternrecht und einen daraus abgeleiteten Vorrang betont, lassen weitgehend außer Acht, dass das Kindeswohl dem Elternrecht vorgeht (RIS‑Justiz RS0118080) und daher eindeutig feststehen müsste, dass die Übertragung der Obsorge an den Vater dem Kindeswohl dient (4 Ob 153/15f; 1 Ob 167/14m mwN). Genau das haben die Vorinstanzen aber mit nachvollziehbarer Begründung verneint.
4. Im Gegensatz zu den Ausführungen im Revisionsrekurs hat sich das Erstgericht sehr wohl mit der Nachhaltigkeit der im Falle eines Obsorgewechsels drohenden Traumatisierung auseinandergesetzt und festgestellt, dass die zu befürchtenden Folgen über vorübergehende Umstellungsschwierigkeiten hinausgehen.
5. Eine im Revisionsrekurs vom Vater geforderte „schrittweise Rückführung“ der Kinder hätte zur Voraussetzung, dass es gelingt, die Beziehung zwischen ihnen und dem Vater soweit zu vertiefen, dass Maßnahmen in diese Richtung ohne Traumatisierung und Verunsicherung der Kinder möglich sind. Gerade deshalb wurde in der Vergangenheit unter konstruktiver Mitwirkung der Pflegeeltern versucht, die persönlichen Kontakte des Vaters zu seinen Kindern zu intensivieren, was allerdings nicht mit durchgehend zufriedenstellendem Erfolg gelang, da der Vater die Ablehnung der derzeitigen Lebenssituation der Kinder nicht verbarg und damit – trotz der prinzipiell positiven Einstellung der Kinder ihm gegenüber – eine Verunsicherung der in einen Loyalitätskonflikt geratenden Kinder bewirkte.
Es liegt daher am Vater – wie dies das Erstgericht bereits in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2014 (ON 97) angeregt hat – zunächst den persönlichen Kontakt zu vertiefen und eine enge Vertrautheit mit den Kindern zu schaffen, indem er im Einvernehmen mit den Pflegeeltern über einen längeren Zeitraum einen verlässlichen, regelmäßigen und intensiveren Besuchskontakt mit den Kindern aufbaut und dabei Verunsicherungen der Kinder vermeidet.
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