OGH 8Ob47/17w

OGH8Ob47/17w30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Hellenische Republik, *****, vertreten durch Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 58.201,99 EUR samt Anhang, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. März 2017, GZ 4 R 25/17h‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00047.17W.0530.000

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung des zweiten Satzes des Spruchpunkts 1. der erstinstanzlichen Entscheidung richtet, als absolut unzulässig zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird das Verfahren 8 Ob 47/17f bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 25. April 2017 zu 10 Ob 34/16x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Der Kläger erwarb im Jahre 2011 im Wege einer Depotbank, die ihren Sitz im Sprengel des Erstgerichts hat, Staatsanleihen der beklagten Hellenischen Republik. Nach Vertragsabschluss konvertierte die Beklagte ihre Staatsanleihen aufgrund des griechischen Gesetzes 4050/2012 in neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert. Der Kläger verkaufte seine konvertierten Anleihen am 6. 6. 2012 weit unter dem Einkaufspreis.

Die vorliegende Klage wird – soweit für das Zwischenverfahren wesentlich – auf Schadenersatz wegen rechtswidriger Zwangskonvertierung sowie auf die Erfüllung der ursprünglichen Anleihebedingungen, in eventu Schadenersatz wegen Nichterfüllung, gestützt.

Die Beklagte erhob die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der mangelnden internationalen Zuständigkeit.

Das Erstgericht wies die Klage, soweit sie auf eine Rechtswidrigkeit der Zwangskonvertierung gestützt werde, mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück und den darüber hinausgehenden Antrag der Beklagten ab. Im Übrigen sprach das Erstgericht seine internationale Unzuständigkeit aus. Es liege keine „freiwillige rechtliche Verpflichtung“ iSd Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 als Anknüpfungspunkt vor. Der Kläger stehe als bloßer Investor in keiner vertraglichen Rechtsposition gegenüber der Beklagten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in ihrem ersten Spruchpunkt (inländische Gerichtsbarkeit), im Übrigen gab es dem Rekurs des Klägers dahin Folge, dass es die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verwarf und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 sei zu bejahen, weil nach Art 321 des griechischen Zivilgesetzbuchs Geldschulden am Wohnsitz des Gläubigers zu erfüllen seien. Ob der Kläger tatsächlich unmittelbarer Vertragspartner der Beklagten geworden sei, betreffe die materiellrechtliche Frage der Passivlegitimation und sei nicht schon im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu klären. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die strittigen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Hellenischen Republik, mit dem die Zurückweisung der (gesamten) Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit, in eventu wegen fehlender internationaler Zuständigkeit, angestrebt wird.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die Teilabweisung des Antrags der Beklagten auf Klagszurückweisung mangels inländischer Gerichtsbarkeit (Punkt 1., zweiter Satz des erstinstanzlichen Spruchs) richtet, absolut unzulässig.

Das Rekursgericht hat diesen Teil der Entscheidung des Erstgerichts ausdrücklich bestätigt. Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO sind Konformatsbeschlüsse der Vorinstanzen nur dann anfechtbar, wenn die Klage damit ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde, sodass dem Kläger der Zugang zum Gericht verweigert wurde. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn die Vorinstanzen die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit verworfen haben (RIS-Justiz RS0044536 [T2, T5]); RS0044487 [T16]; 8 Ob 35/08t).

2. Zur Rechtsfrage der internationalen Zuständigkeit aufgrund des Erfüllungsortes Hellenischer Staatsanleihen hat der Oberste Gerichtshof im Verfahren 10 Ob 34/16x, dem ein ähnlicher Sachverhalt zugrundeliegt, mit Beschluss vom 25. 4. 2017 ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den EuGH gerichtet. Die in diesem Ersuchen gestellten Rechtsfragen, und zwar:

Ist Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 dahin auszulegen,

1. dass sich der Erfüllungsort im Sinn dieser Bestimmung auch im Fall eines – wie hier – mehrfachen vertraglichen Übergangs einer Forderung nach der erstmaligen vertraglichen Vereinbarung richtet?

2. dass der tatsächliche Erfüllungsort im Fall der Geltendmachung eines Anspruchs auf Einhaltung der Bedingungen einer Staatsanleihe wie der hier konkret von der Hellenischen Republik begebenen bzw des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung dieses Anspruchs bereits durch die Zahlung von Zinsen aus dieser Staatsanleihe auf ein Konto eines Inhabers eines inländischen Wertpapierdepots begründet wird?

3. dass der Umstand, dass durch die erstmalige

vertragliche Vereinbarung ein rechtlicher Erfüllungsort im Sinn des Art 7 Nr 1 lit a der Verordnung begründet wurde, der Annahme entgegensteht, dass die nachfolgende tatsächliche Erfüllung eines Vertrags einen – weiteren – Erfüllungsort im Sinn dieser Bestimmung begründet?“,

sind auch für das vorliegende Verfahren präjudiziell. Das vorliegende Verfahren ist daher aus Gründen der Prozessökonomie zu unterbrechen (RIS‑Justiz RS0110583).

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