OGH 8Ob47/16v

OGH8Ob47/16v28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** G***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. R***** G*****, 2. E***** H*****, 3. Dr. C***** K*****, 4. Ing. J***** M*****, alle vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. F***** GmbH, *****, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, 2. M ***** GmbH, *****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, wegen 14.503,93 EUR sA (Revisionsinteresse 10.505,30 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. Februar 2016, GZ 4 R 9/16z‑54, mit dem das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Oktober 2015, GZ 16 Cg 13/14p‑45, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00047.16V.0628.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.032,19 EUR (darin 172,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin führte im Auftrag der beklagten Parteien im Rahmen des Umbaus einer Wohnanlage Heizungs‑ und Sanitärarbeiten durch.

Die von den Beklagten vorgegebenen Werkvertragsbedingungen enthielten unter anderem folgende Bestimmung: „ Unabhängig von allfälligen Skontovereinbarungen wird die Umsatzsteuer eine Woche vor Finanzamtsfälligkeit bezahlt, sofern aufgrund der Fälligkeit der Rechnung nicht eine spätere Anweisung vorgesehen ist. Der AN verpflichtet sich, dem AG die Möglichkeit der Bezahlung der Umsatzsteuer durch Vorsteuerüberrechnung vom Finanzamtskonto des AN auf das Finanzamtskonto des AG einzuräumen. Voraussetzung dafür ist die Anerkennung des Finanzamtes.“

Gegenstand des Rechtsstreits war die (restliche) Werklohnforderung der Klägerin.

Die Beklagten wandten mangelnde Fälligkeit des Rechnungsbetrags wegen diverser unbehobener Werkmängel, die Berechtigung zum Skontoabzug sowie Gegenforderungen ein. Zu der im Klagebegehren enthaltenen Umsatzsteuer von 9.705,58 EUR brachten sie vor, die Streitteile hätten eine Begleichung durch Überrechnung zwischen ihren Umsatzsteuerkonten vereinbart, sodass die Klägerin keine direkte Zahlung verlangen könne.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens in der Hauptsache statt und wies die Aufrechnungseinrede zurück.

Die im Verfahren festgestellten Mängel seien vor Schluss der Verhandlung von der Klägerin zur Gänze behoben worden und der Rechnungsbetrag einschließlich Umsatzsteuer daher fällig. Ein Skontoabzug stehe der Beklagten wegen ungenützten Ablaufs der dafür vereinbarten Zahlungsfrist nicht zu. Die Gegenforderung der Beklagten setze sich aus vorprozessualen Kosten zusammen, für deren Geltendmachung der Rechtsweg unzulässig sei.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten in der Hauptsache nicht, der Berufung der Klägerin jedoch Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es einen weiteren Teil des Zinsenmehrbegehrens zusprach.

Die Beklagten seien aufgrund der festgestellten, lediglich geringfügigen Mängel von vornherein nicht zur Zurückbehaltung des gesamten Werklohns berechtigt gewesen, sodass der Zinsenzuspruch zu korrigieren sei.

Bezüglich der Umsatzsteuer hätten die Streitteile einen von § 905 Abs 2 ABGB aF abweichenden Modus vereinbart. Da sich die Beklagten trotz Fälligkeit nicht an diese Vereinbarung gehalten und keinen Überrechnungsantrag gestellt hätten, sei die Klägerin berechtigt, von der – nur eine Möglichkeit einräumenden – Vereinbarung wieder abzugehen und unmittelbare Zahlung der Umsatzsteuer zu begehren.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger von der Vereinbarung einer besonderen Zahlungsmodalität durch Überrechnung der Umsatzsteuer einseitig wieder abgehen könne, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt sei.

Die aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Parteien richtet sich ausdrücklich nur gegen den mit 10.505,30 EUR bezifferten (richtig: 9.705,58 EUR) Zuspruch der Umsatzsteuer.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung des Rechtsmittels als unzulässig und eventuell die Bestätigung der Berufungsentscheidung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig, weil sie keine über den Anlassfall hinaus erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO betrifft.

1. Ob das Berufungsgericht im Anlassfall zu Recht eine Teilfälligkeit des Werklohns trotz ausstehender Mängelbehebungen bejaht hat, steht mit der im Revisionsverfahren allein noch bekämpften Umsatzsteuerforderung in keinem Zusammenhang. Auf die dazu erstatteten Revisionsausführungen der Beklagten ist daher überhaupt nicht einzugehen.

2. Die Frage, ob die Streitteile einen von § 905 ABGB abweichenden Zahlungsmodus vereinbart haben, indem den Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Umsatzsteuer durch Überrechnung zu begleichen, und ob die Klägerin davon unter den gegebenen Umständen abrücken durfte, betrifft die Interpretation einer individuellen Vereinbarung.

Fragen der Vertragsauslegung werfen in der Regel keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinaus relevanten Rechtsfragen auf und könnten die Zulässigkeit der Revision nur dann begründen, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0112106 [T1; T10]; RS0042555 [T1; T4]; RS0042776 [T2]; RS0044298 [T39]).

Von einer solchen Fehlbeurteilung kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass aus der festgestellten Vereinbarung kein Anspruch der Beklagten abgeleitet werden kann, trotz schuldhaften Verzugs ausschließlich in der von ihr bevorzugten Weise zu bezahlen, ist nicht unvertretbar.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen. Für den Schriftsatz gebührt aber nur ein Streitgenossenzuschlag von 20 %, weil sich die beiden Nebenintervenienten am Revisionsverfahren nicht beteiligt haben (§ 15 RATG; RIS‑Justiz RS0036223).

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