OGH 8Ob40/87

OGH8Ob40/8721.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Johann T***, 3500 Krems an der Donau, Wilheringstraße 2 B/1/39, vertreten durch Dr. Peter Wilhelm, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wider die beklagten Parteien 1. Arnold T***, Malermeister, 3620 Spitz, Mittergasse 4 und 2. E*** A*** V*** AG, 1100 Wien, Reumannplatz 7, beide vertreten durch Dr. Ferdinand Weber und Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen S 55.000 s.A. (Revisionsstreitwert S 24.133,33 s.A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Februar 1987, GZ 16 R 1/87-24, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau vom 24. September 1986, GZ 3 Cg 24/86-14, abgeändert wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 1.486,06 (darin S 333,33 Barauslagen und S 104,80 Umsatzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 4.304,13 (darin S 1.500 Barauslagen und S 254,93 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. August 1985 gegen 6.20 Uhr ereignete sich in Krems an der Donau auf der Kreuzung Hafenstraße-Klomsergasse mit der von Norden in die Hafenstraße einmündenden unbenannten Straße ein Verkehrsunfall, an dem Elisabeth T*** als Lenkerin des dem Kläger gehörenden PKW VW-Jetta GL, behördliches Kennzeichen N 225.454, und der Erstbeklagte als Lenker seines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Kombi Ford Taunus 1600, behördliches Kennzeichen N 740.021, beteiligt waren. Elisabeth T*** fuhr aus der unbenannten Straße in die Kreuzung ein, der Erstbeklagte näherte sich der Kreuzung auf der Klomserstraße. Etwa in der Kreuzungsmitte stießen die Fahrzeuge in annähernd rechtem Winkel zusammen. Sowohl die unbenannte Straße als auch die Klomserstraße wiesen im Unfallszeitpunkt vor der Kreuzung mit der Hafenstraße das Verkehrszeichen "Vorrang geben" auf. Der unfallbedingte Vermögensnachteil des Klägers beträgt S 55.000,--, der Sachschaden des Erstbeklagten S 17.400,--.

Der Kläger begehrte von den Beklagten S 55.000,-- s.A. und brachte vor, der Erstbeklagte habe das Zustandekommen des Verkehrsunfalles allein zu verantworten, weil er unaufmerksam und mit überhöhter Geschwindigkeit unter Mißachtung des Rechtsvorranges des VW-Jetta in die Kreuzung eingefahren sei.

Die Beklagten wendeten ein, (auch) Elisabeth T*** treffe an dem Unfall ein (Mit-)Verschulden, weil sie das Fahrzeug des Klägers vor der Kreuzung zum Stillstand gebracht und damit auf ihren Vorrang verzichtet habe. Unabhängig hievon wäre der Erstbeklagte aber jedenfalls auch deshalb berechtigt gewesen, die Kreuzung vor Elisabeth T*** zu übersetzen, weil er sich bereits auf der bevorrangten Hafenstraße befunden habe, als Elisabeth T*** in diese eingefahren sei. Der Ersatzanspruch des Erstbeklagten in Höhe seines Schadens werde aufrechnungsweise geltend gemacht. Das Erstgericht hat ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 5 : 1 zum Nachteil des Erstbeklagten die Klagsforderung mit S 45.833,33 s.A. und die Gegenforderung des Erstbeklagten mit S 2.900,-- als zu Recht bestehend erkannt und die Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens von S 12.066,67 verurteilt, dem Kläger S 42.933,33 samt gestaffelten Zinsen zu bezahlen. Das Erstgericht ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Die Unfallstelle befindet sich im Stadtgebiet von Krems a.d. Donau an der Kreuzung Hafenstraße-Klomserstraße. Die Hafenstraße beschreibt hier in Richtung Hafen eine Linkskurve mit einem annähernd rechten Winkel. Die Klomserstraße stellt sich als geradlinige Fortsetzung des vom Hafen her kommenden Astes der Hafenstraße dar. Der Straßenzug der die geradlinige Fortsetzung des von Norden her kommenden Astes der Hafenstraße darstellt, hat keine Straßenbezeichnung. Annähernd parallel zu dem in Richtung Hafen verlaufenden Ast der Hafenstraße verläuft die Wilheringstraße, und zwar in einer Entfernung von 32 m, gemessen an der Ostseite dieses unbenannten Straßenzuges entlang des dort befindlichen Mauersockels eines Gartenzaunes; dieser unbenannte Straßenzug weist vor der Einmündung in die Hafenstraße das Verkehrszeichen "Vorrang geben" auf. Eine Zusatztafel hiezu besteht nicht. Die Klomserstraße weist vor der Einmündung in die Hafenstraße ebenfalls das Verkehrszeichen "Vorrang geben" auf; außerdem befindet sich auf dem selben Steher noch das Verkehrszeichen "Ende der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h". Ein Gehsteig befindet sich lediglich auf der einen Seite der Hafenstraße, und zwar an der Innenseite der Kurve der Hafenstraße. Die Fahrbahnbreite der Klomserstraße beträgt vor der Kreuzung 5,6 m; im Einmündungsbereich hat die Klomserstraße einen Einmündungstrichter; dieser Einmündungstrichter hat eine Breite von 8,3 m, gemessen in der geradlinigen Verlängerung des von Norden, also von der Wienerstraße her kommenden Astes der Hafenstraße. Wenn man den Einmündungstrichter aber schräg mißt, also im Sinne des Kurvenverlaufes der Hafenstraße, hat er eine Breite von 10,6 m. Der nicht benannte Straßenzug hat eine Fahrbahnbreite von 6 m. Hier ist ein ausgeprägter Einmündungstrichter nicht vorhanden. Die beiden Ecken dieses Straßenzuges sind jeweils durch einen Mauersockel mit einem Gartenzaun gebildet. Der zum Hafen, also Richtung Osten führende Ast der Hafenstraße hat eine Fahrbahnbreite von 8,5 m; der von der Wienerstraße her kommende Ast der Hafenstraße hat eine Breite von 6,5 m. Etwa 15 bis 20 m vor der Kreuzung verbreitert sich die Fahrbahn der Hafenstraße jedoch auf 8 m. Die Fahrbahnbreite der Hafenstraße in der Mitte der beschriebenen Kurve, bei im Kurvensinn verlängert gedachten Fahrbahnrand beträgt 9,2 m. Die Kreuzung ist im Sinne der Skizze Beil./A versetzt, und zwar beträgt die Entfernung von dem in Richtung Süden verlängert gedachten, von der Wienerstraße her kommenden Ast der Hafenstraße bis zum Eck

Klomserstraße - unbenannter Straßenzug 4,5 m. Wenn man den vom Hafen her kommenden Ast der Hafenstraße an der Südseite dieses Straßenzuges gegen Westen verlängert, ergibt sich von diesem Punkt aus eine Entfernung von 4,5 m bis zu dem vorher schon erwähnten Eck zwischen der Klomserstraße und dem unbenannten Straßenzug. Außerdem ist die Versetzung dieser Kreuzung in den Lichtbildern Beil./1 richtig wiedergegeben. Der Straßenzug der Hafenstraße selbst ist an der Kurveninnenseite stark abgerundet. Die Entfernung von dem in Richtung Süden verlängert gedachten Gehsteigrand an der Kurveninnenseite der Hafenstraße bis zum Eck

Klomserstraße - östlicher Ast der Hafenstraße beträgt 1,5 m. Die Entfernung von dem verlängert gedachten Gehsteigrand des östlichen Astes der Hafenstraße bis zum nördlichen Ende der Klomserstraße beträgt 1,5 m. Die Sicht zwischen einem auf der Klomserstraße herankommenden Fahrzeug und einem auf dem unbenannten Straßenzug fahrenden Fahrzeug ist durch den auf einem Mauersockel stehenden Gartenzaun und einem genau im Eck stehenden Busch, und einem etwas weiter drinnen im Garten stehenden jungen Fichtenbaum etwas eingeschränkt. Durch den Gartenzaun selbst kann man durchsehen, sodaß man ein im jeweils anderen Straßenzug kommendes Fahrzeug sieht. Die Behinderung durch den erwähnten Strauch und durch den Baum bedeutet nur für eine ganz kurze Strecke eine Sichtbehinderung. Von einer Sitzposition im Bereich der verlängert gedachten westlichen Begrenzung der Fahrbahn der Hafenstraße hat ein aus der Klomserstraße kommender PKW-Lenker erstmals die Möglichkeit, zu erkennen, daß von Süden her eine Verkehrsfläche kommt, nämlich der unbenannte Straßenzug. Der Fahrbahnbelag auf sämtlichen Straßen ist ein Asphaltbelag. Zur Unfallszeit war es trocken, und es herrschte Tageslicht. Sämtliche Straßenzüge sind eben. Der Hauptverkehr an der gegenständlichen Kreuzung bewegt sich über die Hafenstraße und die Fahrzeuge fahren regelmäßig die rechte Begrenzung der Hafenstraße bei weitem nicht aus, dies zunächst schon deswegen nicht, weil von der Wienerstraße her kommend die schon vorher beschriebene Verbreiterung der Hafenstraße liegt, und diese Verbreiterung von den Fahrzeugen keineswegs ausgenützt wird. Über die Aufstellung der beiden Verkehrszeichen "Vorrang geben" hatte der Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau je eine Verordnung erlassen; dabei wird allerdings nicht festgelegt, daß das Verkehrszeichen den Nachrang des unbenannten Straßenzuges gegenüber der Hafenstraße regeln solle, sondern es heißt vielmehr in der bezüglichen Verordnung "Regelung des Vorranges auf der Kreuzung Hafenstraße-Wilheringstraße, mit Vorrang für die Hafenstraße", tatsächlich führt die Wilheringstraße aber gar nicht zu der gegenständlichen Kreuzung, sondern es führt die Wilheringstraße parallel zum östlichen Ast der Hafenstraße. Am 13. August 1985, nach 6.00 Uhr morgens lenkte der Erstbeklagte seinen bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW Ford Taunus 1600 mit einer größten Breite von 170 cm, und einer größten Länge von 4387 mm auf der Klomserstraße in Richtung Hafenstraße. Der Erstbeklagte war ortsunkundig; er fuhr zum ersten Mal auf diesem Straßenstück. Er beabsichtigte, auf der Hafenstraße in Richtung Hafen weiterzufahren. Zur Unfallszeit parkten am südlichen Rand der Klomserstraße mehrere Fahrzeuge, und zwar bis ziemlich knapp an das Eck der Klomserstraße mit dem unbenannten Straßenzug. Dadurch war die Sicht zwischen der Klomserstraße und dem unbenannten Straßenzug sehr stark behindert. Durch diese parkenden Fahrzeuge war die Klomserstraße, die keine Einbahnstraße ist, auf nur eine Fahrspur eingeengt, und das über eine längere Strecke. Die genaue Geschwindigkeit, die der Erstbeklagte mit seinem Fahrzeug der Annäherung an die beschriebene Kreuzung einhielt, kann zwar nicht festgestellt werden, doch wird als erwiesen angenommen, daß er sich der Kreuzung langsam näherte. Er beobachtete, daß aus dem östlichen Ast der Hafenstraße kein Verkehr kam, und als er erstmals Sicht auf den nördlichen Ast der Hafenstraße hatte, blieb er mit seinem Fahrzeug fast stehen, um zu beobachten und wahrzunehmen, daß auch von dem nördlichen Ast der Hafenstraße keine Fahrzeuge kamen. Die Einmündung des unbenannten Straßenzuges erkannte der Erstbeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht; von wo er diese Einmündung (abgesehen von der Sichtbehinderung durch die parkenden Fahrzeuge) erstmals hätte wahrnehmen können, ist bereits in den Feststellungen gesagt worden. Nachdem der Kläger wahrgenommen hatte, daß sich aus beiden Ästen der Hafenstraße keine Fahrzeuge näherten, gab er wieder Gas, um geradeaus in den östlichen Ast der Hafenstraße einzufahren; dabei lenkte er sein Fahrzeug ein bißchen nach rechts, um so die südliche Fahrbahnhälfte der Hafenstraße zu erreichen; er hatte sich ja wegen der in der Klomserstraße parkenden Fahrzeuge im nördlichen Bereich der Klomserstraße befunden. Erst als sich der Erstbeklagte (gemeint seine Sitzposition im Fahrzeug) bereits in der Höhe der verlängert gedachten westlichen Begrenzung des unbenannten Straßenzuges befand, bemerkte er diesen von Süden her einmündenden Straßenzug, und gleichzeitig bemerkte er auch, daß aus diesem Straßenzug ein PKW herausgelenkt wurde. Die genaue Entfernung zwischen diesen beiden PKW's, als der Erstbeklagte den PKW des Klägers erstmals sah, kann nicht festgestellt werden. Daß der Erstbeklagte diesen Straßenzug und das von dort her kommende Fahrzeug so spät wahrnahm, ist darauf zurückzuführen, weil der Erstbeklagte seine Aufmerksamkeit auf den nördlichen Ast der Hafenstraße konzentrierte. Der Erstbeklagte bremste nun zwar sein Fahrzeug, konnte aber doch nicht mehr verhindern, daß er mit seinem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 bis 15 km/h an die linke Seite des PKWs des Klägers anstieß. Dabei kam infolge des Rechtslenkens des Fahrzeuges des Erstbeklagten das linke vordere Eck seines PKWs mit dem Fahrzeug des Klägers in Berührung. Da der PKW des Klägers im Zeitpunkt der Kollision ebenfalls in Bewegung war, erfolgte eine Beschädigung fast auf der ganzen linken Seite des Fahrzeuges.

Zur selben Zeit lenkte die Gattin des Klägers den dem Kläger gehörigen PKW VW 16 Jetta GL mit einer Breite von 1665 mm und einer größten Länge von 433 cm durch den unbenannten Straßenzug nach Norden zur Hafenstraße; sie wollte in der Hafenstraße in Richtung Wienerstraße, also in Richtung Norden weiterfahren. Die Gattin des Klägers war ortskundig; sie fährt diese Strecke, da sie in der Nähe der Unfallstelle wohnt, sehr häufig. Der von der Gattin des Klägers benützte Straßenzug war nicht verparkt, und es bestanden keine zusätzlichen Sichtbehinderungen, außer den schon oben beschriebenen. Unmittelbar vor dem Einfahren in die Hafenstraße hielt die Gattin des Klägers einen Abstand von etwa 1,4 m zu ihrem rechten Fahrbahnrand ein; an der Stelle, von wo sie die erste Sicht in den östlichen Ast der Hafenstraße hatte, hielt sie den von ihr gelenkten PKW kurz an und stellte fest, daß aus keinem Ast der Hafenstraße sich ein Fahrzeug nähere. Schon bevor sie einen Blick in den östlichen Ast der Hafenstraße gerichtet hatte, hatte sie einen Blick zur Klomserstraße hin gemacht. Wegen der in dieser Richtung bestehenden Sichtbehinderungen konnte sie aber kein Fahrzeug aus der Klomserstraße kommen sehen. Nachdem die Gattin des Klägers ihre Fahrt in Richtung Norden fortgesetzt hatte, sah sie in einem Bereich knapp nach der nach Osten verlängert gedachten südlichen Fahrbahnbegrenzung der Klomserstraße, daß von links her, also von der Klomserstraße, der PKW des Erstbeklagten kam. Auch die genaue Entfernung zwischen diesen beiden PKWs, als die Gattin des Klägers den PKW des Erstbeklagten erstmals erblickte, kann nicht festgestellt werden. Die Gattin des Klägers bremste zwar, aber auch sie konnte die Kollision nicht mehr verhindern. Zur Kollision kam es jedenfalls in dem Bereich, in dem die Verlängerung der rechten Fahrbahnhälfte des unbenannten Straßenzuges sich mit der verlängert gedachten Klomserstraße kreuzt, wobei bezüglich der verlängert gedachten Klomserstraße nicht von der nördlichen Hälfte der Klomserstraße ausgegangen wird, da der Erstbeklagte ja seinen PKW nach dem Ende der Reihe der geparkten Fahrzeuge etwas nach rechts gelenkt hatte. Die Längsmittelebenen der beiden Fahrzeuge wichen aber nur geringfügig von einem 90gradigen Winkel ab. Im Zeitpunkt der Kollision hatte der PKW des Klägers noch eine Geschwindigkeit von etwa 15 bis 20 km/h. Da außer den Beschädigungen der beiden Fahrzeuge keine weiteren objektiven Anhaltspunkte, insbesondere von der Spurenseite her vorhanden sind, kann eine Zeitwegrechnung nicht erstellt werden. Im Hinblick auf das Fehlen objektiver Anhaltspunkte kann auch die Entfernung des PKWs des Erstbeklagten von jenem des Klägers zu dem Zeitpunkt, als der PKW des Klägers wieder in Bewegung gesetzt wurde, nicht festgestellt werden. Beim PKW des Klägers ist durch den Unfall nach Durchführung der Reparaturen eine Wertminderung von S 7.000,-- eingetreten.

Um einen neuen Wagen anzukaufen, nahm der Kläger nach dem Unfall bei der Sparkasse in Krems einen Kredit über S 48.000,-- auf; für diesen Kredit hat der Kläger 10 % Zinsen p.a. zu zahlen, außerdem eine Bearbeitungsgebühr von S 616,-- und die Rechtsgeschäftsgebühr von S 384,--.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der Erstbeklagte habe den Unfall durch Verletzung des der Elisabeth T*** ihm gegenüber zukommenden Rechtsvorranges überwiegend verschuldet. Elisabeth T*** treffe allerdings ein mit einem Sechstel zu bewertendes Mitverschulden, weil sie ihrer Verpflichtung zu äußerst vorsichtiger, langsamer Fahrweise nicht nachgekommen sei. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge; hingegen wurde der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen Teiles dahin abgeändert, daß die Klagsforderung mit S 27.500,--, die Gegenforderung mit S 8.700,-- als zu Recht bestehend erkannt und die Beklagten daher zur Bezahlung von S 18.800,-- s.A. an den Kläger verurteilt wurden; das Mehrbegehren von S 36.200,-- s.A. wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Die Rechtsmittelwerber gingen gleich dem Erstgericht davon aus, daß die für beide beteiligten Lenker durch Verkehrszeichen nach § 52 lit c Z 23 StVO angeordnete Wartepflicht im Verhältnis der unfallbeteiligten Fahrzeuge zueinander zur Anwendung der Regel des Rechtsvorranges führe. Dieser Auffassung schließe sich das Berufungsgericht nicht an.

Die Bestimmung des § 19 Abs 1 StVO gelte bloß subsidiär. Sie finde hier keine Anwendung, weil der Vorrang durch Vorschriftszeichen geregelt gewesen sei. Das von beiden Fahrzeuglenkern zu beobachtende Zeichen "Vorrang geben" betreffe nach dem Wortlaut des § 19 Abs 4 StVO nun zwar sowohl den von rechts als auch den von links kommenden Verkehr, sei aber nur für letzteren von Bedeutung, weil es seiner zur Bestimmung des ohnedies bereits in § 19 Abs 1 StVO normierten Rechtsvorranges nicht bedürfe. Gehe man hievon aus, habe sich aber bei der vorgelegenen Anordnung der Verkehrszeichen das in Fahrtrichtung des Erstbeklagten befindliche Zeichen nach § 52 lit c Z 23 StVO nur auf den links aus der Hafenstraße kommenden Verkehr beziehen können, wogegen sich der Erstbeklagte gegenüber Elisabeth T***, die ihrerseits ihm als dem von links Kommenden Vorrang zu geben hatte, im Vorrang befunden habe (vgl. 2 Ob 136/77, 2 Ob 56/84). Sei Elisabeth T*** aber eine Vorrangverletzung vorzuwerfen, erweise sich das Begehren der Beklagten, das angefochtene Urteil im Sinn einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 abzuändern, jedenfalls als berechtigt. Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ließe sich im übrigen auch dann nicht erzielen, wenn man der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht folge. Dann nämlich wären beide Fahrzeuglenker verhalten gewesen, ihre Fahrweise auf die sie wechselseitig treffende Wartepflicht abzustellen. Im Hinblick auf die ungünstigen Sichtverhältnisse hätten sie in die Kreuzung mit besonderer Vorsicht einfahren und ihre Geschwindigkeit so wählen müssen, daß ihnen ein kontaktfreies Anhalten möglich gewesen wäre. Dieser Obliegenheit hätten beide Fahrzeuglenker nicht entsprochen. Da keinem von ihnen ein weiteres Fehlverhalten zur Last liege, entspräche auch in diesem Fall eine Schadensteilung ausgehend von gleichteiligem Verschulden der Sach- und Rechtslage.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in der ihnen gemäß § 508 Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst war die Zulässigkeit der Revision zu prüfen, da das Revisionsgericht gemäß § 508 a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden ist. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit deshalb verneint, weil sein Urteil mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Einklang stehe - wobei es sich insbesondere auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 136/77 und 2 Ob 56/84, letztere veröff. in ZVR 1985/91, stützte - und daher die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht erfüllt seien. Der den beiden genannten Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich vom vorliegend festgestellten jedoch vor allem dadurch, daß in den beiden anderen Fällen die Kreuzungen einerseits durch das Vorrangzeichen "Halt" (§ 52 lit c Z 24 StVO), andererseits aber durch das Zeichen "Vorrang geben" (§ 52 lit c Z 23 StVO) abgewertet waren und der Oberste Gerichtshof daraus folgerte, daß mit Rücksicht auf das absolute Anhaltegebot des § 19 Abs 4, § 52 lit c Z 24 StVO dem sich auf dieser Straße der Kreuzung nähernden Lenker keinesfalls der Vorrang gegenüber anderen Fahrzeugen zukomme, auch wenn sich diese auf einer Straße der Kreuzung näherten, die gegenüber einer weiteren ohne Vorrangzeichen in die Kreuzung einmündende Straße durch das Vorrangzeichen "Vorrang geben" (§ 52 lit c Z 23 StVO) abgewertet war; bei dieser Anordnung der Verkehrszeichen könne sich das Verkehrszeichen "Vorrang geben" nur auf den auf der nicht durch Vorrangzeichen abgewerteten Straße von links kommenden Verkehr beziehen, nicht jedoch auf jenen, der aus der durch das Vorrangzeichen "Halt" abgesicherten Straße komme. Im vorliegenden Fall waren dagegen zwei in eine Kreuzung mit einer dritten Straße einmündenden Straßenzüge durch das Vorrangzeichen "Vorrang geben" (§ 52 lit c Z 23 StVO) abgewertet, so daß für die auf diesen Straßen sich der Kreuzung nähernden Lenker kein absolutes Anhaltegebot bestand. Die beiden genannten Entscheidungen können daher zur Stützung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes nicht herangezogen werden. Hinsichtlich der Vorrangsituation, wie sie sich im vorliegenden Fall darstellt, liegt aber noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vor, so daß entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für die Zulässigkeit der Revision vorliegen.

Die Revision ist aber auch berechtigt. In der Rechtsrüge vertritt der Kläger die Auffassung, daß die beiden gegenüber einer dritten Straße jeweils durch das Vorrangzeichen "Vorrang geben" abgewerteten Straßenzüge untereinander als gleichwertig zu beurteilen seien und daher für die auf diesen beiden Straßenzügen sich der Kreuzung nähernden Lenker untereinander die Grundregel des Rechtsvorranges zu gelten habe.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu. § 19 Abs 4 StVO idF der 3. StVO-Novelle BGBl. 1969/209 lautet: "Ist vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" oder "Halt" angebracht, so haben sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. Ist jedoch auf einer Zusatztafel ein besonderer Verlauf einer Straße mit Vorrang dargestellt, so haben die Fahrzeuge, die auf dem dargestellten Straßenzug kommen, den Vorrang, unabhängig davon, ob sie dem Straßenzug folgen oder ihn verlassen; ansonsten gilt Abs 1. Beim Vorschriftszeichen "Halt" ist überdies anzuhalten." Die Neufassung des § 19 Abs 4 StVO wurde in den EB. (879 Blg.NR XI.GP) wie folgt begründet: "Die bisher geltende Fassung des § 19 Abs 4 hat deshalb zu Zweifelsfragen Anlaß gegeben, weil die unter den Straßenverkehrszeichen 'Achtung Vorrangverkehr' und 'Halt vor Kreuzung' (nunmehr 'Vorrang geben' und 'Halt') angebrachte Zusatztafel mit der Darstellung des besonderen Verlaufes einer Vorrangstraße, dem Fahrzeugverkehr, 'im Zuge dieser Straße' den Vorrang einräumt. Die Frage des Vorranges von Fahrzeugen, die auf der betreffenden Kreuzung den Zug der Vorrangstraße verlassen, ist indes ebenso offen geblieben, wie die Frage des Vorranges von Fahrzeugen, die in die Kreuzung einfahren, ohne auf der Vorrangstraße zu kommen. Nunmehr soll klargestellt werden, daß die Zusatztafel mit der Darstellung eines Vorrangstraßenzuges den auf diesem Straßenzug kommenden Fahrzeugen gegenüber anderen Fahrzeugen den Vorrang einräumt, gleichgültig, ob jene Fahrzeuge dem bevorrangten Straßenzug folgen oder ihn verlassen. Im Verhältnis der Fahrzeuge, die auf der Vorrangstraße kommen (sie verlassen) oder die nicht von der Vorrangstraße kommend in die Kreuzung einfahren, untereinander, gelten die Bestimmungen des § 19 Abs 1, dh, wer von rechts kommt, hat den Vorrang; Straßenbahnen haben auch dann den Vorrang, wenn sie von links kommen." Daraus ergibt sich aber eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, daß bei Fahrzeugen, die nicht von einer bevorrangten Straße kommend in die Kreuzung einfahren - wie im vorliegenden Fall die Lenkerin des Fahrzeuges des Klägers und der Erstbeklagte, die beide aus durch Vorrangzeichen "Vorrang geben" abgewerteten Straßenzügen in die Kreuzung einfuhren - untereinander die Vorschrift des § 19 Abs 1 StVO zu gelten hat. Dies bedeutet aber, daß der von rechts kommenden Lenkerin des Fahrzeuges des Klägers gegenüber dem Erstbeklagten der Vorrang zukam. Ein - im übrigen weder im Berufungs- noch im Revisionsverfahren mehr geltend gemachter - Vorrangverzicht der Lenkerin des Fahrzeuges des Klägers im Sinn des § 19 Abs 8 StVO kommt auf Grund der Feststellungen über die gegenseitigen Sichtverhältnisse nicht in Betracht, da die Lenkerin des Fahrzeuges des Klägers dieses an einer Stelle zum Stillstand brachte, an welcher dieses Zumstillstandbringen offenbar vom Erstbeklagten keinesfalls wahrgenommen werden konnte. Ohne Rechtsirrtum ist daher das Erstgericht von einer Verletzung des der Lenkerin des Fahrzeuges des Klägers gemäß § 19 Abs 1 StVO zukommenden Vorranges durch den Erstbeklagten ausgegangen. Die Verschuldensteilung des Erstgerichtes wird im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft. Der Revision war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, ohne daß es eines Eingehens auf den Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO bedurft hätte. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 und 50 ZPO.

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