Normen
GeO §454 Abs3
ZPO §391
ZPO §411
ZPO §467
ZPO §496
ZPO §502 Abs1
GeO §454 Abs3
ZPO §391
ZPO §411
ZPO §467
ZPO §496
ZPO §502 Abs1
Spruch:
Hebt das Berufungsgericht ein dreigliedriges Urteil zur Prüfung des Zurechtbestehens eines Teiles der Klagsforderung auf, so wird hiedurch auch die Frage betroffen, ob und inwieweit die Gegenforderung zu deren Tilgung heranzuziehen ist; in diesem Umfang kann daher auch die Abweisung des Klagebegehrens wegen der Gegenforderung nicht in Rechtskraft erwachsen
OGH 24. April 1980, 8 Ob 39/80 (LG Innsbruck 3 R 140/79; BG Zell am Ziller C 251/78 )
Text
Am 11. Jänner 1976 ereignete sich auf der Tuxer Landesstraße zirka 150 m vor der Ortstafel "Tux-Ortsteil Juns" ein Frontalzusammenstoß, an dem der vom Kläger gelenkte und gehaltene PKW Peugeot 504 mit Kennzeichen der Bundesrepublik Deutschland und der von der Erstbeklagten gelenkte und gehaltene, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte PKW Fiat 850 beteiligt waren. Durch den Unfall wurden beide Fahrzeuge beschädigt.
Der Kläger begehrt den Ersatz seines Schadens in der Höhe von 15 424.80 S samt Anhang mit der Begründung, daß die Erstbeklagte das Alleinverschulden an dem Unfall treffe, weil diese mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, deshalb auf die linke Straßenseite geraten und in der Folge gegen das Fahrzeug des Klägers geprallt sei.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß den Kläger das Alleinverschulden am Unfall treffe, weil dieser unaufmerksam und zu schnell gefahren sei. Die Erstbeklagte habe ihr Fahrzeug bei Ansichtigwerden des PKW des Klägers am Ende einer Ausweiche sofort angehalten. Der Kläger sei mit seinem Fahrzeug gegen das bereits stehende Fahrzeug der Erstbeklagten geprallt. Hilfsweise wendeten die Beklagten den Schaden der Erstbeklagten in der Höhe von 15 700 S samt Anhang compensando gegen die Klagsforderung ein.
Das Erstgericht erachtete - ausgehend von einer Schadensteilung von 1 : 1 - im ersten Rechtsgang im Punkt 1 seiner Entscheidung die Klagsforderung mit 7712.40 S samt Anhang, im Punkt 2 die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der festgestellten Klagsforderung als zu Recht bestehend und wies daher im Punkt 3 das gesamte Klagebegehren ab.
Der gegen Punkt 1 dieses Urteils gerichteten Berufung der Beklagten gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes im Punkt 1 auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Im fortgesetzten Verfahren zogen die Beklagten die eingewendete Gegenforderung zurück, weil der darin geltend gemachte Betrag von der Versicherung des Klägers bezahlt worden sei. Das Erstgericht gelangte im zweiten Rechtsgang zur Abweisung des gesamten Klagebegehrens, weil die Erstbeklagte kein Verschulden treffe und auch eine Heranziehung der Beklagten zum Schadensausgleich im Sinn des § 11 EKHG nicht in Betracht komme.
Das Gericht in zweiter Instanz wies mit Beschluß die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Teilbetrages von 7712.40 S samt Anhang richtete, unbekämpft als unzulässig zurück, weil sich der Kläger mit der Abweisung des halben Klagsbetrages bereits dadurch abgefunden habe, daß er das Urteil des Erstgerichtes im ersten Rechtsgang nicht bekämpft habe. Damit sei aber diese Teilabweisung in Rechtskraft erwachsen und könne nicht mehr bekämpft werden. Im übrigen wurde der Berufung des Klägers Folge gegeben und - ausgehend von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 - das Urteil des Erstgerichtes im Sinne des Zuspruches von 7712.40 S samt Anhang an den Kläger abgeändert.
Zur Frage der Teilrechtskraft des im ersten Rechtsgang gefällten Urteils hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß dieses Urteil unter Zugrundelegung einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 ausgesprochen habe, daß die Klagsforderung mit der Hälfte und die Gegenforderung bis zu dieser Höhe zu Recht bestehe, und das Klagebegehren deshalb abgewiesen werde. Gegen dieses Urteil hätten nur die Beklagten insoweit berufen, als die halbe Klagsforderung als zu Recht bestehend angesehen worden sei. Dieser Berufung sei im Rahmen der Anfechtung Folge gegeben und der Ausspruch, daß die halbe Klagsforderung zu Recht bestehe, aufgehoben worden. Damit sei der Ausspruch, daß die andere Hälfte der Klagsforderung nicht zu Recht bestehe, sowie die Abweisung des gesamten Klagebegehrens in Rechtskraft erwachsen. Der Ausspruch über die Gegenforderung und der Kostenausspruch hätten für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen können, weil sie mit dem wegen der Anfechtung überprüfbaren halben Klagsanspruch in einem untrennbaren Zusammenhang stunden. Strittig im fortgesetzten Verfahren sei also nur mehr gewesen, ob die Abweisung des halben Klagebegehrens wegen der Aufrechnung mit der Gegenforderung oder deshalb zu erfolgen habe, weil auch die restliche Hälfte des Klagebegehrens (wegen Alleinverschulden des Klägers) nicht zu Recht bestehe. Dennoch habe das Erstgericht im zweiten Rechtsgang das gesamte Klagebegehren abgewiesen. Wenngleich die gesamte Abweisung des Klagebegehrens rechtskräftig geworden sei, sei in Abänderung des angefochtenen Urteiles dem Kläger dennoch die Hälfte der Klagsforderung zuzusprechen gewesen. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung halte nämlich gegenüber nachträglichen Tatbestandsänderungen nicht stand. Im gegenständlichen Falle sei eine nachträgliche Änderung nach der Rechtskraft insoweit eingetreten, als die Kompensationseinrede zurückgezogen worden sei. Da nun einerseits auf Grund der Ergebnisse der Beweiswiederholung im fortgesetzten Verfahren feststehe, daß die halbe Klagsforderung zu Recht bestehe, andererseits aber wegen des Wegfalls der Kompensationseinrede eine Kompensation, die zur Abweisung führe, nicht mehr möglich sei, bleibe nur die Möglichkeit, dem Kläger die zu Recht bestehende halbe Klagsforderung zuzusprechen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der dargestellten Verfahrenslage ist von der Rechtskraft der Abweisung eines Teilbetrages von 7712.40 S samt Anhang (wegen gleichteiligen Mitverschuldens des Klägers) auszugehen. Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr, ob das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Erstgerichtes auch hinsichtlich der Abweisung eines weiteren Teilbetrages von 7712.40 S Rechtskraftwirkung erlangte.
Für die Überprüfungsmöglichkeit im Revisionsverfahren kommt der Frage der Teilrechtskraft deshalb besondere Bedeutung zu, weil hier nicht nur die Anfechtungserklärung der Revision, sondern auch bereits der Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteil mitberücksichtigt werden muß. Was nicht bereits Gegenstand der Anfechtung in der Berufung war, ist durch Eintritt der Teilrechtskraft schon im Berufungsverfahren unüberprüfbar geworden und kann daher nicht mehr Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren sein; Voraussetzung ist allerdings, daß dieser Teil nicht in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit dem noch überprüfbaren Teil steht, also überhaupt selbständig rechtskräftig ist (vgl. Fasching, Ergänzungsband, 78 f. Anm. 3 zu § 502 Abs. 1 ZPO).
Das Urteil des Erstgerichtes im ersten Rechtsgang wurde vom Kläger überhaupt nicht und von den Beklagten nur hinsichtlich der Feststellung des Zurechtbestehens der Klagsforderung mit dem Betrag von 7712.40 samt Anhang bekämpft, wobei in den Berufungsausführungen die Ansicht vertreten wurde, daß mit Rücksicht auf das Verschulden des Klägers eine Ausgleichspflicht der Beklagten im Sinne des § 11 EKHG nicht in Betracht gekommen wäre. Damit bekämpften die Beklagten aber entgegen der Formulierung ihrer Berufungserklärung nicht nur die Feststellung des Zurechtbestehens der Klagsforderung mit dem Betrag von 7712.40 S samt Anhang, sondern in Wahrheit auch den Verbrauch ihrer Gegenforderung zur Tilgung des als zu Recht bestehend erachteten Teiles der Klagsforderung. Dies allein begrundete ja auch nach der neueren Rechtsprechung (vgl. SZ 42/56; RZ 1970, 168 u. a.) in Übereinstimmung mit der von Fasching im Kommentar IV, 19 vertretenen Auffassung ihr Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des Ausspruches des Zurechtbestehens eines Teiles der Klagsforderung trotz der im Ersturteil erfolgten, vom Kläger unbekämpft gelassenen Abweisung des gesamten Klagebegehrens. Nach ständiger Judikatur liegt eine vollbestätigende Entscheidung im Sinne des § 502 Abs. 3 ZPO nicht vor, wenn zwar beide Instanzen zur Abweisung der Klage gelangten, die eine, weil sie die Klagsforderung als zu Recht bestehend erachtete und die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung zu deren Tilgung verwendete, die andere hingegen, weil sie die Klagsforderung als nicht zu Recht bestehend erachtete (vgl. ZVR 1977/71 u. a.). Durch den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wurde daher nicht nur die Frage des Zurechtbestehens der Klagsforderung mit dem Betrag von 7712.40 S samt Anhang (Punkt 1 des Ersturteils im ersten Rechtsgang), sondern auch die im Punkt 2 dieser Entscheidung behandelte Frage, ob und inwieweit die Gegenforderung zur Tilgung des als zu Recht bestehend erkannten Teiles der Hauptforderung heranzuziehen sei und damit bis zur Höhe dieses Teiles der Hauptforderung verbraucht werde, betroffen, wie dies vom Berufungsgericht richtig erkannt wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist aber damit auch die im Punkt 3 der ersten Entscheidung des Erstgerichtes enthaltene, mit der in den Punkten 1 und 2 getroffenen Entscheidung in untrennbarem Zusammenhang stehende Abweisung des den Betrag von 7712.40 S samt Anhang übersteigenden Klagebegehrens nicht in Rechtskraft erwachsen. Solange nämlich hinsichtlich des Restbetrages von 7712.40 samt Anhang nicht feststand, ob und in welchem Umfang die Klagsforderung zu Recht bestehe und damit auch der Umfang des Verbrauches der Gegenforderung noch offen war, konnte auch die aus diesen beiden Prämissen gezogene, damit in untrennbarem Zusammenhang stehende Schlußfolgerung der Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des den Betrag von 7712.40 S samt Anhang übersteigenden Betrages nicht der Rechtskraft teilhaftig werden. Damit stand aber der weiteren Behandlung dieses Anspruchsteiles im fortgesetzten Verfahren die Teilrechtskraft des ersten Urteiles des Erstgerichtes nicht entgegen.
Das Berufungsgericht hat auch der Zurückziehung der Kompensationseinrede im zweiten Rechtsgang im Ergebnis zutreffend Rechnung getragen: Inhalt der Aufrechnungseinrede ist die Einwendung einer Gegenforderung des Beklagten gegen den Kläger mit dem Ziel, das Gericht möge durch die Entscheidung über den Bestand und die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung die Aufrechnung mit der Klagsforderung vollziehen und das Klagebegehren abweisen (vgl. Fasching III, 577). Wird aber die prozessuale Aufrechnungseinrede vom Beklagten im Laufe des Verfahrens zurückgezogen, wird damit auch dem Gericht die Möglichkeit genommen, eine Aufrechnung mit der Klagsforderung zu vollziehen. Auf die Gründe für diesen prozessualen Schritt der Beklagten kommt es hiebei nicht an. Da aber, wie oben dargelegt, die Entscheidung über einen Teilbetrag von 7712.40 S samt Anhang nicht in Rechtskraft erwachsen ist, das Berufungsgericht aber im zweiten Rechtsgang zu einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 :
1 und damit zur Feststellung des Zurechtbestehens der Klagsforderung mit dem Teilbetrag von 7712.40 S samt Anhang gelangte, wobei ihm wegen der Zurückziehung der Gegenforderung deren Heranziehung zur Aufrechnung verwehrt war, kann im Zuspruch des genannten Betrages an den Kläger keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.
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