OGH 8Ob317/66 (8Ob316/66)

OGH8Ob317/66 (8Ob316/66)15.11.1966

SZ 39/194

Normen

ABGB §608
ABGB §823
AußStrG §26
ABGB §608
ABGB §823
AußStrG §26

 

Spruch:

Wird ein Nachlaß unbeschränkt - ohne Hinweis auf die verfügte Substitution - eingeantwortet, ist für die spätere Durchführung einer Substitionsabhandlung kein Raum

Entscheidung vom 15. November 1966, 8 Ob 316, 317/66

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Der am 21. März 1950 verstorbene Dipl.-Ing. Rudolf W. hat in seinem Testament vom 2. August 1938 seine Ehegattin Maria W. zu zwei Fünftel, seine Tochter Margarethe M. zu zwei Fünftel und seinen Sohn Hans W. zu einem Fünftel als Erben eingesetzt. Er hat gleichzeitig seine Ehegattin verpflichtet, das ihr vermachte Vermögen seinen beiden Kindern je zur Hälfte zu hinterlassen, wobei im Falle des Vorversterbens eines seiner Kinder dessen leibliche Erben an dessen Stelle treten sollten. Für den Fall des Fehlens von leiblichen Erben sollte der ganze Teil dem überlebenden Kinde bzw. dessen Nachkommen zufallen. Es sollte jedoch seiner Gattin in dieser Hinsicht keine wie immer geartete Beschränkung auferlegt werden. Insbesondere sollten ein Gerichtserlag und die Bestellung eines Substitutionskurators unterbleiben.

Mit Einantwortungsurkunde vom 22. Juni 1951 antwortete das Erstgericht den Nachlaß des Rudolf W. der erblasserischen Witwe Maria W. zu zwei Fünftel, dem erblasserischen Sohn Hans W. zu einem Fünftel und der erblasserischen Tochter Margarethe M. zu zwei Fünftel ein. Die Einantwortungsurkunde enthält keine Beschränkung. Insbesondere fehlt jeder Hinweis auf die vom Erblasser angeordnete Nacherbschaft im Sinne des § 174 (2) Z. 3 AußStrG.

Die am 14. Oktober 1964 verstorbene Maria W. hinterließ ein Testament vom 28. Mai 1958, in dem sie ihre Tochter Margarethe M. zur Alleinerbin ihres ganzen Nachlasses eingesetzt und gleichzeitig verfügt hatte, daß die Kinder ihres vorverstorbenen Sohnes Hans W. auf den Pflichtteil gesetzt seien, falls sie diese Verfügung - sei es wegen Pflichtteilsverletzung, sei es im Hinblick auf das Testament ihres verstorbenen Mannes - anfechten sollten.

Das Bezirksgericht Hietzing verfügte im Verlassenschaftsverfahren nach Maria W. u. a., daß die Abhandlung des erblasserischen Substitutionsvermögens, bestehend aus einem Wertpapierdepot, dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien überlassen und die Abhandlung beim Bezirksgericht Hietzing in der Verlassenschaftssache nach Maria W. auf das freie Vermögen der Genannten beschränkt werde. Die Erbserklärung der Testamentserbin Margarethe M. nahm das genannte Verlassenschaftsgericht mit der Einschränkung auf das erblasserische freie Vermögen zu Gericht an.

Mit Beschluß vom 2. Mai 1966 eröffnete das Erstgericht die Abhandlung über den Substitutionsnachlaß und nahm die von den Kindern des erblasserischen Sohnes auf Grund des Gesetzes zu je einem Sechstel des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu Gericht an.

Am 4. September 1966 gab die erblasserische Tochter Margarethe M. unter Hinweis auf zwei von ihr vorgelegte Urkunden vom 2. Februar und 20. Februar 1959, aus denen ein Erbverzicht der erblasserischen Enkel Maria S., Eva P. und Elisabeth B. zugunsten der Margarethe M. zu entnehmen sei, auf Grund des Testamentes der Maria W. vom 28. Mai 1958 die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß des Rudolf W. ab. Sie beantragte weiter, den Bericht über den behaupteten Erbverzicht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Erbserklärung zu Gericht anzunehmen, die Erbserklärung der drei Enkelkinder jedoch nur in einem Ausmaß von je einem Zehntel anzunehmen, im übrigen aber zurückzuweisen und im Hinblick auf die vorliegenden widersprechenden Erbserklärungen das Verfahren nach § 125 AußStrG. einzuleiten.

Das Erstgericht erledigte mit Beschluß vom 10. Mai 1966 den Antrag der erblasserischen Tochter Margarethe M. dahin, daß sie die unter Berufung auf die oben erwähnten Vereinbarungen der erblasserischen Enkelkinder mit Margarethe M. von der letzteren auf Grund des Testamentes der Maria W. vom 28. Mai 1958 abgegebene unbedingte Erbserklärung zurückwies.

Das Rekursgericht, das im Punkt I seines Beschlusses den Rekurs der erblasserischen Tochter gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 2. Mai 1966 zurückwies, bestätigte im Punkt II seines Beschlusses den Beschluß des Erstgerichtes vom 10. Mai 1966 im wesentlichen mit der Begründung, daß das Testament der Vorerbin als Erbrechtstitel in der Substitutionsabhandlung nicht in Betracht komme. Stehe aber fest, daß der in der Erbserklärung behauptete Rechtstitel ein Erbrecht zweifellos nicht begrunde und daß die Erbserklärung zu einer Einantwortung nicht führen könne, sei eine solche Erbserklärung in einschränkender Auslegung des § 122 AußStrG. zurückzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Margarethe M. gegen den Punkt II des rekursgerichtlichen Beschlusses als unzulässig zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Nacherbe ist nicht Erbe des Vorerben, sondern wahrer Erbe des die Nacherbschaft anordnenden Testators (Ehrenzweig, Erbrecht[2], § 504 VIII, bei Anm. 54, S. 466, Weiss in Klang[2] III 381 f. unter IV, bei Anm. 25; Gschnitzer, Lehrbuch des österreichischen Rechtes, Erbrecht, 1964, S. 72). Er ist auf Grund der letztwilligen Verfügung des Testators zur Nacherbschaft berufen. Die von Margarethe M. auf Grund des Testamentes der Vorerbin Maria W. abgegebene Erbserklärung wurde daher mit Recht zurückgewiesen, weil sie zu einer Einantwortung des Substitutionsnachlasses überhaupt nicht führen kann (EvBl. 1953 Nr. 425 u. a.). Da also die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis der Rechtslehre und der Judikatur entspricht, kann von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung keine Rede sein (vgl. SZ. XXI 10 u. v. a.).

War schon aus diesem Gründe der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, sieht sich dennoch der Oberste Gerichtshof mit Rücksicht auf die aus der Aktenlage hervorgehende Verkennung der Rechtslage durch die Beteiligten zu folgenden Erwägungen veranlaßt:

Die Verlassenschaft nach Rudolf W. wurde mit Einantwortungsurkunde des Erstgerichtes vom 22. Juni 1951 - ungeachtet der aus dem Testament des Erblassers hervorgehenden Anordnung einer Nacherbschaft auf den Überrest - der Vorerbin Maria W. ohne Hinweis auf die verfügte Substitution eingeantwortet. Die Nacherbschaft auf den Überrest hindert den Vorerben zwar nicht, über die Substitutionsmasse unter Lebenden zu verfügen, sie verbietet ihm aber, hierüber zu testieren. Wenn auch eine solche unbeschränkte Einantwortung des Nachlasses den Verlust der Rechte der Nacherben auch dann nicht zur Folge hat, wenn diese die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Einantwortungsurkunde unterlassen (vgl. SZ. XXIV 86), bewirkt sie doch, daß der Nachlaß des Testators der Vorerbin ins unbeschränkte Eigentum überantwortet wurde. Damit war die Verlassenschaftsabhandlung nach Rudolf W. endgültig beendet, und es besteht keine Möglichkeit diese wieder aufzunehmen und eine sogenannte Substitutionsabhandlung durchzuführen. Die Nacherben sind mit ihrem Recht auf die Klage des § 823 ABGB. gegenüber demjenigen verwiesen, der auf die Substitutionsmasse als Erbe der Vorerbin Anspruch erhebt (SZ. XXIV 234). Die in der vorliegenden "Substitutionsabhandlung" abgegebenen Erbserklärungen können daher nie zu einer Einantwortung des Substitutionsnachlasses führen. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß das Erstgericht 1. mit Beschluß vom 2. Mai 1966 die auf Grund des Gesetzes abgegebenen bedingten Erbserklärungen der erblasserischen Enkelkinder Maria S., Eva P. und Elisabeth B. und 2. mit Beschluß vom 26. September 1966 die auf Grund des Gesetzes von den erblasserischen Enkelkindern Hans und Evelyn W. und von der erblasserischen Tochter Margarethe M. abgegebenen Erbserklärungen unter unzulässiger Änderung des angegebenen Berufungsgrundes auf Grund des erblasserischen Testamentes vom 2. August 1938 angenommen hat.

Es wird Sache des Bezirksgerichtes Hietzing als Verlassenschaftsgerichtes nach Maria W. sein, in Abänderung seiner Verfügung vom 21. Dezember 1964 die sogenannte Substitutionsmasse wieder in die Abhandlung nach Maria W. einzubeziehen, weil nach den oben angestellten Erwägungen ein mit einer fideikommissarischen Substitution behaftetes Vermögen von der Erblasserin nicht besessen wurde. Ein Anlaß zu einer abgesonderten Abhandlung über ein sogenanntes Substitutionsvermögen (§ 26 AußStrG.) liegt, wie ausgeführt, nicht vor.

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