Spruch:
Die gemeinsame Gewahrsame von Miteigentümern ist kein gegenseitiges Anvertrauen gemäß § 367 ABGB.
Entscheidung vom 8. November 1966, 8 Ob 310/66
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Die Klägerin stellte das Begehren, der Beklagte habe ihr den Einachsschlepper "Holder", gebraucht, samt Zubehör, und zwar einem Achsanhänger, einem Roder, einem Mähwerk mit Ablage, einer Egge, einem Pflugwender, einer Fräse und zwei Gitterrädern, Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrages von 20.000 S herauszugeben. Sie brachte vor, sie sei zusammen mit ihrem Ehemann Karl W. Eigentümerin der genannten Geräte. Letzterer habe die Geräte am 17. März 1965 ohne ihre Zustimmung an den Beklagten um 20.000 S verkauft und übergeben. Ihr Ehemann sei zum Verkauf nicht befugt gewesen, und der Beklagte habe die Gegenstände nicht redlich erworben. Ihr stehe daher die Eigentumsklage gegen den Beklagten zu.
Der Beklagte wendete den Mangel der Aktivlegitimation ein, weil die Klägerin als bloße Miteigentümerin den abgeschlossenen Kaufvertrag nicht allein stornieren und die Herausgabe der landwirtschaftlichen Geräte für sich fordern könne. Er behauptete weiter, der Kauf sei mit ausdrücklicher Zustimmung der Klägerin zustandegekommen und vom Ehemann der Klägerin als bevollmächtigten Vertreter und Miteigentümer abgeschlossen worden.
Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte fest:
Dem Maschinenhändler E. war aus einem vorangegangenen Besuch der Eheleute Karl und Angela W. bei ihm bekannt, daß diese ihren Einachsschlepper gegen einen leichten Traktor eintauschen wollten. E. fuhr mit dem Beklagten und dessen Bekannten Franz M. am 10. März 1965 zur Klägerin. Er verhandelte mit den Ehegatten W., während seine Begleiter vor dem Hause warteten. Er bot den Ehegatten W. die Verkaufsvermittlung bezüglich des Einachsschleppers zum Preise von 19.000 S an. Er beabsichtigte, zunächst den Schlepper zu verkaufen und dann aus dem Erlös den Ankauf eines gebrauchten Traktors zu vermitteln. Der Klägerin waren die von E. gebotenen 19.000 S zuwenig. Zwischen ihr und ihrem Gatten gab es Meinungsverschiedenheiten wegen der Höhe des Preises, nicht aber wegen der grundsätzlichen Frage des Verkaufes. E. gelang es, in Anwesenheit der Klägerin deren Ehemann zur Unterzeichnung eines Vermittlungsauftrages zum angebotenen Preis von 19.000 S zu bewegen. Auf die Unterschrift der Klägerin auf dem schriftlichen Vermittlungsauftrag legte er keinen Wert. Er bot dem Beklagten darauf den Einachsschlepper zum Preise von 21.000 S an. Vom Inhalt seiner Unterredung mit den Ehegatten W. machte er keine Erwähnung. Der Beklagte behielt sich die Prüfung anderer Kaufgelegenheiten vor. Er fuhr mit M. zu einem Landwirt in Ort im Innkreis. Als sie dort angekommen waren, stellten sie fest, daß sich kurz vor ihnen E. von diesem Landwirt einen Vermittlungsauftrag hatte geben lassen. Aus Ärger darüber, daß ihn E. von diesem Geschäft "ausgespannt" hatte, sprach er nun bei den Ehegatten W. selbst vor, um den Kauf ohne Einschaltung des E. abzuschließen. Bei dieser Besprechung stellte sich heraus, daß E. den Ehegatten W. nur 19.000 S zahlen wollte, während er vom Beklagten 21.000 S forderte. Der Beklagte bot den Ehegatten W. für den Schlepper 20.000 S. Die Klägerin erklärte, ihr Mann hätte dem E. zwar ein Schriftstück unterschrieben, doch sei sie wegen des zu niedrigen Preises damit nicht einverstanden. Der Handel mit E. sei nicht gültig, und man könne sich daher mit dem Beklagten hinsichtlich des Verkaufes noch einigen. Sie werde am kommenden Samstag E. aufsuchen und die Sache mit der Unterschrift ihres Gatten auf dem Vermittlungsauftrag bereinigen. Die Eheleute W. und der Beklagte einigten sich bei dieser Aussprache auf einen Kaufpreis von 20.000 S, zu dem die Klägerin für ihren Mann noch eine Flasche Schnaps verlangte, welche der Beklagte zugestand. Es wurde festgehalten, daß die Sache noch mit E. geregelt werden müsse. Am 17. März 1965 entschloß sich der Beklagte, bevor er sich auf die weitere Suche nach einem Einachsschlepper begeben wollte, wieder bei den Ehegatten W. vorzusprechen. Er wollte erkunden, ob sich die Klägerin mit E. in Verbindung gesetzt habe. Als der Beklagte in Begleitung des M. im Hause der Klägerin erschien, traf er nur deren Ehemann an. Dieser erklärte, die Sache mit E. gehe in Ordnung. Der Beklagte könne den Einachsschlepper um 20.000 S haben. Am Nachmittag des gleichen Tages erschien der Beklagte mit einem Lastkraftwagen. Die Klägerin war noch immer abwesend. Ohne daß der Beklagte darum ersuchen mußte, verfaßte Karl W. ein Schriftstück über den Verkauf des Einachsschleppers. Auf Aufforderung des Franz M. vermerkte er auf diesem Schriftstück, daß seine Frau mit dem Verkauf einverstanden sei. Der Beklagte bezahlte darauf den vereinbarten Preis von 20.000 S. Er übernahm den Einachsschlepper und brachte ihn mit dem LKW nach Hause. Nach dem 29. März 1965 erhielt er von der Klägerin eine eingeschriebene Karte, mit der sie ihn bat, dringendst zu ihr zu kommen. Der Beklagte fuhr noch am gleichen Tag mit Franz M. zur Klägerin. Zufällig trafen sie dort mit E. zusammen. Nach dessen Weggang machte die Klägerin dem Beklagten Vorwürfe, daß er zu spät gekommen sei. Wenn er eine Viertelstunde früher dagewesen wäre, so hätte man der Provisionsforderung E.s durch Vortäuschung eines Leih- oder Mietvertrages entgehen können.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.
Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und würdigte den Sachverhalt ebenso wie das Erstgericht dahin, der Beklagte habe am 17. März 1965 den Eindruck gewonnen, daß auch die Klägerin mit dem Kaufabschluß einverstanden gewesen sei. Der Beklagte sei daher beim Kauf gutgläubig gewesen und habe das Eigentum an dem Einachsschlepper von Karl W., der Miteigentümer an dem Schlepper gewesen und dem in dieser Eigenschaft der Schlepper unbestritten zum Gebrauche und zur Verfügung gestanden sei, nach § 367 ABGB. erworben. Einer Vollmacht der Klägerin habe es zu diesem Geschäft nicht bedurft, weil § 367 ABGB. gerade den Mangel der Vollmacht decke.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Klägerin rügt die Annahme der Untergerichte, der Beklagte habe nach § 367 ABGB. an den gegenständlichen landwirtschaftlichen Geräten vom Vertrauensmann der Klägerin, nämlich von deren Ehemann, Eigentum erworben und sei deshalb zur Herausgabe nicht verpflichtet.
Nach den Feststellungen der Untergerichte waren die Klägerin und deren Ehemann Miteigentümer an diesen Geräten, deren Benützung durch die Miteigentümer nicht geregelt gewesen ist. Karl W. war das alleinige Verfügungsrecht nicht eingeräumt worden. Der Einachsschlepper befand sich sohin in der gemeinsamen Gewahrsame der Ehegatten W. Die gemeinsame Gewahrsame der Eheleute stellt kein gegenseitiges Anvertrauen im Sinne des § 376 ABGB. dar. Anvertrauen im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist die Übertragung der ausschließlichen Gewahrsame (Klang[2] II 226, bei Anm. 74), die nach den Feststellungen der Untergerichte hinsichtlich des als Verkäufer aufgetretenen Karl W. nicht gegeben war. Der gutgläubige Erwerb einer beweglichen Sache gegen Entgelt vom Nichteigentümer ist, abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des Erwerbers in einer öffentlichen Versteigerung oder von einem "zu diesem Verkehr" befugten Gewerbsmann, nur dann möglich, wenn die Sache dem Veräußerer anvertraut war. Das bloße Gebrauchs- bzw. Mitgebrauchsrecht eines Miteigentümers besagt noch nicht, daß diesem die Sache im Sinne der genannten Gesetzesstelle anvertraut war (SZ. XVII 37). Der Beklagte kann sich wegen des Miteigentums und des gemeinsamen Gebrauches der Ehegatten ebensowenig auf die Bestimmung des § 863 ABGB. stützen, die für sich allein dem einen Ehegatten keine stillschweigende Bevollmächtigung des anderen Eheteiles gibt, eine gemeinsame Sache mit der Wirkung, daß auch der Miteigentumsanteil des anderen Gatten betroffen werde, zu veräußern, das Miteigentum und der gemeinsame Gebrauch schaffen auch keinen "äußeren Tatbestand", der zur Annahme einer solchen Bevollmächtigung berechtigen würde (2 Ob 274/54). § 828 ABGB. verbietet vielmehr ausdrücklich, daß ein Teilhaber über den Anteil des anderen verfügt. Im vorliegenden Fall fehlt sohin die Voraussetzung des Erwerbes vom Vertrauensmann.
Dem Beklagten kann aber auch Gutgläubigkeit beim Erwerb des Einachsschleppers nicht zugebilligt werden. Gutgläubig ist der Käufer im Sinne des § 367 ABGB. dann, wenn er vom Eigentum des Vormannes überzeugt ist (8 Ob 86/66, Klang[2] a. a. O., 223, bei Anm. 32), während nach Handelsrecht, das hier nicht zur Anwendung kommt, die Überzeugung über die Verfügungsberechtigung des Vormannes genügt (§ 366 HGB.). Dem Beklagten war aber nach seiner Parteienaussage beim Kauf bewußt, daß die Geräte der Klägerin und deren Ehemann gemeinsam gehörten. Er war daher vom Alleineigentum des Verkäufers Karl W. nicht überzeugt und hinsichtlich des Eigentumsanteils der Klägerin nicht im guten Glauben. Dem Klagebegehren steht sohin ein von den Untergerichten in Ansehung des Anteils der Klägerin angenommener Eigentumserwerb des Beklagten nicht entgegen.
Die Sache ist jedoch noch nicht spruchreif. Der Beklagte hat in der Klagebeantwortung eingewendet, die Klägerin allein könne den Kaufvertrag nicht stornieren und die Herausgabe der landwirtschaftlichen Geräte nicht fordern, und hat die aktive Klagelegitimation bestritten, weil die Klägerin nur Miteigentümerin an den Geräten gewesen sei. Wenn auch nach der dargelegten Rechtsansicht der Beklagte an dem Anteil der Klägerin kein Eigentum erlangen konnte so ist im Hinblick auf die behauptete mangelnde Berechtigung der Klägerin auf Herausgabe der Geräte noch zu prüfen, ob der Wille der Vertragsteile nur auf die Übertragung des ungeteilten Eigentums gerichtet war, in welchem Falle der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe begrundet wäre, weil jeder Teilhaber die Eigentumsklage in Ansehung der ganzen Sache anstellen kann (Klang[2] III 1093, bei Anm. 26), oder ob es Absicht der Vertragspartner war, daß auch unabhängig von der Wirksamkeit des Kaufvertrages hinsichtlich des Anteils der Klägerin der Beklagte auf jeden Fall den dem Verkäufer Karl W. gehörigen Anteil erwerben sollte. Im letzteren Fall wäre der Beklagte als Rechtsnachfolger des Karl W. Miteigentümer geworden, gegen den der Klägerin als verbliebener Teilhaberin eine Klage auf Herausgabe nicht zustehen würde, da dem Eigentumsanspruch der Klägerin jener des Beklagten entgegenstunde (GlUNF. 3982).
Zur in dieser Hinsicht erforderlichen Ergänzung des Verfahrens waren die Urteile erster und zweiter Instanz aufzuheben und war dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
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