OGH 8Ob30/23d

OGH8Ob30/23d21.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin * H* B*, über den Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters Dr. Karl Schirl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 23. Februar 2023, GZ 22 R 159/22w‑228, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 24. Juni 2022, GZ 8 S 2/12y‑223, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00030.23D.0421.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. 2. 2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und der Rekurswerber zum Insolvenzverwalter bestellt.

[2] Zur Insolvenzmasse gehören Anteile an einer aus zwei Grundstücken bestehenden Liegenschaft, die an die Gläubigerin V* GmbH in Sicherungseigentum übertragen wurden. Die Übereignung diente ursprünglich vertragsgemäß zur Besicherung von Forderungen der Gläubigerin aus dem Ankauf und der Fertigstellung von konkreten Dachgeschoßwohnungen. Eine nachvollziehbare Endabrechnung über die besicherten Forderungen ist von der Gläubigerin trotz Fertigstellung der Wohnungsprojekte und Aufforderung noch nicht gelegt worden. Ein Rechnungslegungsverfahren ist gerichtsanhängig.

[3] Über Antrag des Insolvenzverwalters trug das Erstgericht mit Beschluss vom 24. 6. 2022 der V* GmbH als Absonderungsgläubigerin auf, gemäß § 120 Abs 3 IO die ihr zur Sicherung ihrer im Detail noch zu bestimmenden Forderungen übereigneten Liegenschaftsanteile binnen drei Monaten nachweislich zu verwerten und den Verkaufserlös dem Insolvenzverwalter auszufolgen. Im Fall der Nichterfüllung des Auftrags würde die Herausgabe der Liegenschaftsanteile an den Insolvenzverwalter angeordnet werden.

[4] In seiner Begründung führte das Erstgericht unter Verweis auf den seit der Antragstellung vergangenen langen Zeitraum aus, dass die Absonderungsgläubigerin zu einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung über ihre besicherte Forderung entweder nicht fähig oder nicht gewillt sei, obwohl sie in der Lage gewesen wäre, geeignete Schritte zu setzen. Da nach dem Aktenstand mit einer Hyperocha zugunsten der Masse gerechnet werden könne, gehe es nicht an, dass die Absonderungsgläubigerin die Realisierung der Vermögenswerte durch Untätigkeit auf Dauer verhindern könne.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Absonderungsgläubigerin Folge und wies den Antrag des Insolvenzverwalters ab.

[6] Es erachtete zwar die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass § 120 Abs 3 IO auch auf das Sicherungseigentum an unbeweglichen Sachen Anwendung finde als beachtlich, schloss sich aber dann doch der einhelligen gegenteiligen Lehre an. Der Antragsstattgebung stehe ferner entgegen, dass das Insolvenzgericht nicht über strittige zivilrechtliche Ansprüche, und zwar im Anlassfall über die Fälligkeit der besicherten Forderung, entscheiden dürfe. Dies gelte auch dann, wenn diese Beurteilung für die insolvenzrechtliche Entscheidung nur eine Vorfrage bilde.

[7] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zu den erheblichen Rechtsfragen der Anwendbarkeit des § 120 Abs 3 IO auf das Sicherungseigentum, insbesondere auch an unbeweglichen Sachen, sowie der Entscheidungsbefugnis des Insolvenzgerichts über zivilrechtliche Vorfragen, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters, der die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt, ist mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig.

[9] Der Revisionsrekurs schließt sich in seinen Ausführungen der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts zur Unzulässigkeit der Beurteilung der Fälligkeit unter ausführlichen Zitaten aus der Literatur vollinhaltlich an. Insbesondere tritt der Rechtsmittelwerber auch der Auffassung bei, dass dem Insolvenzverfahren die Feststellung strittiger Rechte fremd ist und daher keine selbstständige Entscheidung über Bestand, Höhe und Fälligkeit eines Gläubigeranspruchs getroffen werden darf, sondern diese Fragen auf dem Zivilrechtsweg zu klären sind (vgl 8 Ob 107/06b mwN).

[10] Als einzigen Grund, aus dem er die Entscheidung des Rekursgerichts dennoch für korrekturbedürftig erachtet, führt der Revisionsrekurswerber ins Treffen, dass die Fälligkeit der besicherten Forderung im Anlassfall unstrittig sei und sich daher eine Klärung im Zivilrechtsweg erübrige. Dies ergebe sich daraus, dass der Insolvenzverwalter die Fälligkeit der Forderung schlüssig behauptet habe und die Gläubigerin diesem Vorbringen zu keinem Zeitpunkt entgegengetreten sei.

[11] Der Rechtssatz, dass bloßes unsubstantiiertes Bestreiten im Prozess ausnahmsweise als Geständnis anzusehen ist, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret oder schlüssig Stellung genommen wird (RIS‑Justiz RS0039927 [T9a]) bezieht sich auf Tatsachenbehauptungen. Ob die von einer aufwändigen Abrechnung abhängige Forderung eines Absonderungsgläubigers fällig ist, stellt aber eine Rechtsfrage dar. Wenn der Revisionsrekurs – durchaus in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen – meint, die von der Absonderungsgläubigerin im Verfahren vorgebrachten Hindernisse gegen eine abschließende Rechnungslegung seien völlig unzureichende, der Verzögerung der Verwertung dienende Schutzbehauptungen, stellt er eine rechtliche Beurteilung an, die auch nach seinem eigenen Rechtsstandpunkt dem – ohnedies bereits beschrittenen – Zivilrechtsweg vorbehalten ist.

[12] Andere Rechtsmängel, deren Behandlung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängig wäre, macht der Revisionsrekurs insoweit aber nicht geltend. Unter diesen Umständen ist das Rechtsmittel aber auch dann zurückzuweisen, wenn die vom Rekursgericht in seinem Zulassungsausspruch genannten Gründe den Anforderungen des § 528 Abs 1 ZPO entsprochen hätten (RS0102059). Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, über Rechtsfragen abzusprechen, die in einem anderem Zusammenhang möglicherweise von allgemeinem Interesse, für den konkreten Anlassfall aber nur von theoretischer Bedeutung wären (RS0111271).

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