Spruch:
Durch ein Darlehen zum Zweck eines erlaubten Spiels entsteht keine Spielschuld.
Entscheidung vom 9. Oktober 1962, 8 Ob 300/62.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Klägerin begehrte vom Beklagten den Klagsbetrag von 9972 S s. A. für mehrere ihm zum Zwecke seines Spieles im kleinen Lotto zugezählten Darlehen aus dem Rechtsgrund des Anerkenntnisses. Der Beklagte wendete ein, mit der Klägerin ab März 1957 durch eine Spielperiode im kleinen Lotto gespielt zu haben, wobei die Klägerin das für die jeweiligen Einsätze erforderliche Geld zur Verfügung zu stellen und er die Zahlen zu setzen gehabt habe. Aus dem erhofften Gewinn hätten der Klägerin die Einsatzgelder zurückerstattet werden sollen. Der Rest hätte zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von 2100 S s. A. Folge und wies das Mehrbegehren ab. Es nahm die vom Beklagten behauptete Vereinbarung nicht als erwiesen an und stellte im wesentlichen folgendes fest: Die Klägerin habe dem Beklagten die Beträge als Einsätze zum Spiel im kleinen Lotto gegen Rückzahlung bei entsprechender Verzinsung und Gewährung einer Gratifikation im Falle eines Gewinnes eingehändigt. In der Folge hätten die Streitteile vereinbart, daß der Beklagte seine Schuld in Monatsraten von 50 S abzustatten habe. Die ersten 50 S habe er der Klägerin am 19. November 1957 mittels einer den Vermerk "wie besprochen" enthaltenen Postanweisung überwiesen. Weitere neun Raten a 50 S habe er ihr auf die gleiche Weise bezahlt. Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung (2. Februar 1962) seien Raten in der Höhe von 2100 S rückständig. Der Klägerin sei daher dieser Betrag zuzusprechen gewesen. Das Mehrbegehren habe "dermalen" abgewiesen werden müssen.
Die Klägerin ließ den abweislichen Teil in Rechtskraft erwachsen. Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es der Klägerin nur 2050 S s. A. unter Abweisung des Mehrbegehrens zusprach. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes liege in dem Schuldversprechen des Beklagten, den gesamten ihm geliehenen Einsatzbetrag der Klägerin in Monatsraten von 50 S ab 19. November 1957 zurückzuzahlen, ein konstitutives Anerkenntnis. Daher sei es entbehrlich, auf das dem Anerkenntnis zugrunde liegende Verpflichtungsverhältnis einzugehen. Entgegen der Berechnung des Erstgerichtes schulde der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 19. November 1957 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung (2. Februar 1962) 51 Raten, das sind 2550 S. Die Schuld des Beklagten betrage daher unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen in der Höhe von 500 S am 2. Februar 1962 2050 S. In diesem Umfang habe das erstgerichtliche Urteil abgeändert werden müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist entgegen der Meinung der Klägerin zulässig. Wenn auch der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 10.000 S nicht übersteigt, liegt doch die Revisionsbeschränkung des § 502 (3) ZPO. nicht vor, weil das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil nur teilweise bestätigt hat und ein bloß teilweise bestätigendes Urteil im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht als ein "bestätigendes Urteil" im Sinne des § 502 (3) ZPO. angesehen werden kann (Judikat 56 =)SZ. XXIV 335 u. v. a.).
Daß in der zwischen den Streitteilen nach dem 11. April 1957 abgeschlossenen Vereinbarung ein Anerkenntnisvertrag liegt, bestreitet der Beklagte nicht und pflichtet insoweit den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes bei. Nach den Feststellungen der Untergerichte begehrte damals die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung der gesamten, ihm für das kleine Lotto geliehenen Einsätze, worauf sich die Streitteile dahin einigten, daß der Beklagte ihr die erhaltenen Beträge ab 19. November 1957 in Monatsraten zu 50 S abstatten werde. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Schuldversprechen des Beklagten ein konstitutives Anerkenntnis erblickt, das unabhängig von dem bestehenden Schuldverhältnis einen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund geschaffen hat (vgl. Ehrenzweig, System[2] Allg. Teil, S. 361 f., RiZtg. 1961, S. 166).
Der Beklagte meint nun, daß trotz dieses Erkenntnisses das Berufungsgericht zu untersuchen gehabt hätte, ob ursprünglich ein Glücksvertrag abgeschlossen worden sei oder nicht, weil eine Schuld aus einem Glücksvertrag in ein Darlehen nicht noviert werden könne.
Läge wirklich eine Schuld aus einem Glücksvertrag, nämlich eine Spielschuld, vor, dann hätte das Anerkenntnis nur die verzichtbaren Einwendungen, nicht aber die unverzichtbaren Einwendungen, wie etwa die Einrede der Unklagbarkeit einer Spielschuld, beseitigt (JBl. 1961 S. 123, Ehrenzweig, a. a. O. S. 362 bei Anm. 27). Hier handelt es sich aber um keine Spielschuld. Durch ein Darlehen zum Zweck eines erlaubten Spieles entsteht keine Spielschuld. Daher können die Darlehensbeträge, wenn es sich, wie hier, um ein erlaubtes Spiel handelt, gerichtlich zurückgefordert werden (Ehrenzweig, System, Das Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 616). Aber auch, wenn die Beträge von der Klägerin in die vom Beklagten behauptete Gesellschaft bürgerlichen Rechtes eingebracht worden wären, stunde § 1271 ABGB. der Rückforderung ihrer Einlage nicht entgegen, da der Gesellschaftsvertrag zum Zwecke gemeinsamen Spieles kein Glücksvertrag ist (Wolff in Klang[2] V, S. 983, Anm. 19). Soweit der Beklagte die Verpflichtung des Berufungsgerichtes, auf das zugrunde liegende Schuldverhältnis einzugehen, damit begrundet, daß der ursprünglich abgeschlossene Glücksvertrag unzulässigerweise in in Darlehen noviert worden sei, kann ihm nicht gefolgt werden, da nach seinem eigenen Vorbringen von einem Glücksvertrag zwischen den Streitteilen und von einer aus einem solchen Glücksvertrag entstandenen Schuld des Beklagten an die Klägerin nicht die Rede sein kann, sondern - wie festgestellt - nur davon, daß die Klägerin vom Beklagten den Spielverlust mit der Behauptung ersetzt verlangt hat, sie habe ihm die Einsätze geliehen. Der Beklagte hat diese seine von der Klägerin behauptete Schuld anerkannt und sich zur Rückerstattung der Einsätze in Raten verpflichtet. Die Verpflichtung zum Ersatz eines bereits eingetretenen Spielverlustes enthält kein aleatorisches Element.
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