Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Ehe der beiden Parteien wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 13. 7. 1961, 30 Cg 134/61, geschieden. Bei der mündlichen Streitverhandlung vom gleichen Tage schlossen die Parteien einen Vergleich. Sie verzichteten gegenseitig auf Unterhalt. Die Klägerin verzichtete überdies auf Nutzungs- und Wohnungsrechte hinsichtlich zweier Baurechtssiedlungs- häuser in Inzersdorf zugunsten des Beklagten und erklärte, auch künftig keine Ansprüche im Sinn der 6. DVzEheG zu stellen. Schließlich wurde der gesamte Hausrat, der PKW, verschiedene Baustoffe und Baumaschinen ins Eigentum des Beklagten übertragen.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches. Sie brachte vor, bei den von ihr aufgrund des Vergleiches an den Beklagten zu erbringenden Leistungen handle es sich um eine Schenkung zugunsten des Beklagten, die sie wegen groben Undanks widerrufe. Außerdem machte sie listige Irreführung durch den Beklagten bei Vergleichsabschluß geltend.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte ua fest: Die Klägerin, die an der ehemöglichsten Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten interessiert gewesen sei, habe dem Beklagten schon in einem schriftlichen Anbot im wesentlichen alle Leistungen vorgeschlagen, zu denen sie sich im Vergleich verpflichtet habe. Von einer Schenkung sei nicht die Rede gewesen. Der Beklagte, der darüber aufgebracht gewesen sei, daß die Klägerin am 20. 6. 1961 aus der Ehewohnung fortgezogen sei, habe am 21. 6. 1961 gegen die Klägerin und andere Personen bei der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und das Burgenland eine Anzeige wegen verschiedener Unregelmäßigkeiten erstattet. Die Anzeige habe zur Einleitung von Vorerhebungen durch das Strafgericht geführt, die aber dann gemäß § 90 StPO eingestellt worden seien. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches habe die Klägerin noch keine Kenntnis von dieser Anzeigeerstattung gehabt. Die Klägerin habe sich zu den im Vergleich festgelegten Leistungen verpflichtet, weil sie eine gutgehende Steuerberatungskanzlei mit 12 Angestellten gehabt habe und der Meinung gewesen sei, sie werde auch nach Scheidung der Ehe ein gleich hohes Einkommen wie vor der Scheidung haben. Der Erstrichter war der Ansicht, es handle sich nicht um eine Schenkung; es lägen aber auch nicht die Voraussetzungen für die Anfechtung des Vergleiches wegen listiger Irreführung vor. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es hob das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es stimmte zwar dem Erstrichter darin bei, daß es sich nicht um eine Schenkung handle. Es war aber der Ansicht, der Anfechtungsgrund der listigen Irreführung nach § 870 ABGB könne gegeben sein. Listige Irreführung könne darin gelegen sein, daß der Beklagte der Klägerin die bereits erfolgte Anzeigeerstattung verschwiegen habe. Es sei noch zu erörtern und festzustellen, ob die Klägerin den Vergleich auch dann in dieser Form geschlossen hätte, wenn ihr der Beklagte die Anzeigeerstattung nicht verschwiegen hätte.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Beklagten ist nicht begründet.
Die Ausführungen des Beklagten, die sich gegen die Annahme einer Schenkung richten, gehen ins Leere, weil das Berufungsgericht ebenso wie der Erstrichter ohnehin das Vorliegen einer Schenkung wegen Fehlens der Schenkungsabsicht verneint hat, was von der Klägerin nicht bekämpft worden ist.
Die Meinung des Beklagten, es habe sich bei dem Vergleich um einen den Rechtsstreit beendenden Vergleich gehandelt, ist unzutreffend. Es liegt lediglich eine anläßlich des Ehescheidungsverfahrens getroffene vergleichsweise Regelung verschiedener vermögensrechtlicher Angelegenheiten vor, welche die Scheidung der Ehe erleichtern sollte, nicht aber ein den Scheidungsprozeß beendender Vergleich. Die Scheidung selbst ist eines Vergleiches nicht zugänglich. Ebenso unzutreffend sind die Ausführungen des Beklagten, die Anfechtung des Vergleiches durch die Klägerin könne schon deshalb zu keinem Erfolge führen, weil es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Irrtum nicht um einen solchen über die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes im Sinn des § 1385 ABGB handle. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß ein Vergleich ebenso wie jeder Vertrag nicht nur wegen Irrtums, sondern auch wegen listiger Irreführung nach § 870 ABGB angefochten werden kann, wenn ohne die listige Irreführung der Vergleich entweder überhaupt nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen worden wäre. Erforderlich ist in diesem Falle nur, daß sich der andere Teil infolge der listigen Irreführung in einem Irrtum befindet und daß dieser Irrtum einen maßgeblichen Einfluß auf seine Willensbildung ausübt. Die Erregung des Irrtums kann auch in einem Verschweigen von Umständen bestehen, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben oder aus besonderen Gründen verpflichtet gewesen wäre, den Irrenden aufzuklären, wenn also der Schweigende eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verletzt (vgl SZ XXVII 63, RZ 1963, S 196 ua). Auf die Ausführungen des Beklagten, es könne kein doloses Vorgehen darin erblickt werden, daß er in Wahrung öffentlicher Interessen gutgläubig eine Anzeige erstattet habe, genügt es, darauf hinzuweisen, daß es hier nur darauf ankommt, ob die Klägerin, wenn sie von der Anzeigeerstattung Kenntnis gehabt hätte, den Vergleich nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte und ob dies für den Beklagten erkennbar war.
Der Beklagte ist schließlich auch mit der Behauptung nicht im Rechte, die Klägerin habe den vom Berufungsgericht als noch erörterungsbedürftig bezeichneten Umstand, ob die Klägerin den Vergleich nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte, wenn sie von der Anzeigeerstattung Kenntnis gehabt hätte, gar nicht geltend gemacht. Die Klägerin hat bei der mündlichen Streitverhandlung vom 7. 4. 1964 den geltend gemachten Klagsgrund der List dahin ausgeführt, daß der Beklagte bei Vergleichsabschluß die Anzeigeerstattung verschwiegen habe. Die Klägerin sei der Meinung gewesen, sie werde (aus ihrer Berufstätigkeit als Helferin in Steuersachen) nach der Ehescheidung weiterhin das gleiche Einkommen erzielen wie vor der Ehescheidung. Dieses Vorbringen im Zusammenhalt mit dem Vorbringen, durch die Folgen der Anzeigeerstattung habe sich das Einkommen der Klägerin erheblich verringert, konnte zwangslos dahin verstanden werden, die Klägerin hätte, wenn ihr die Anzeigeerstattung nicht listig verschwiegen worden wäre, wegen der mit der Anzeigeerstattung verbundenen nachteiligen finanziellen Folgen den Vergleich nicht mit diesem Inhalt geschlossen. Wenn das Berufungsgericht die für die Beurteilung dieser Frage maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen noch nicht für genügend geklärt erachtet, so entzieht sich dies der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof.
Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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